Dr. Yue Siebel von KMLZ im Interview

Veröffentlicht am 20.12.2021

„Umsatzsteuerrecht bietet mir die Möglichkeit, mich in allen großen Rechtsgebieten auszutoben“

Dr. Yue Siebel von KMLZ im Interview

Dr. Yue Siebel ist seit März 2021 als Anwältin bei der Kanzleiboutique KMLZ tätig. Dort ist sie Teil des Teams von Dr. Thomas Streit, welches sich neben der umsatzsteuerrechtlichen Beratung vor allem auf Steuerstreitigkeiten spezialisiert hat.

Dr. Yue Siebel
Dr. Yue Siebel

Frau Dr. Siebel, Sie sind seit 2021 für KMLZ tätig. War für Sie von Anfang an klar, dass Sie als Anwältin im Umsatzsteuerrecht bzw. Steuerrecht arbeiten werden?

Nein, für mich stand lange Zeit nicht fest, in welchem Rechtsgebiet und als was ich gerne tätig sein will. Für die Anwaltstätigkeit im Umsatzsteuerrecht habe ich mich entschieden, weil eine Spezialisierung in diesem Rechtsgebiet mir auch zugleich die Möglichkeit bot, mich in allen drei großen Rechtsgebieten austoben zu können.

Umsatzsteuerrechtliche Leistungsbeziehungen kann ich nicht bestimmen, ohne die zivilrechtlichen Beziehungen erfasst zu haben. Verstößt ein Unternehmer gegen seine umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen, so zieht dies nicht selten zivil- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich. Das Umsatzsteuerrecht ist außerdem eine öffentlich-rechtliche Materie, weil die Erhebung der Umsatzsteuer eine hoheitliche Aufgabe ist. Das Finanzamt als Teil des Staates ist stets Gegner im Einspruchs- und Klageverfahren vor dem Finanzgericht. 
 

Umsatzsteuerrecht regelt die Umsatzbesteuerung von Lieferungen oder sonstigen Leistungen eines Unternehmens. Ist ein gewisses wirtschaftliches Verständnis also Grundvoraussetzung für die Arbeit im Umsatzsteuerrecht und gibt es weitere Qualifikationen, wie etwa mathematische Kenntnisse, die für die Tätigkeit benötigt werden?

Unter vielen Juristen besteht das weit verbreitete Klischee, ein Steuerrechtsjurist müsse besonders viel rechnen. Gleichzeitig gilt jedoch gemeinhin die Devise: „iudex non calculat.“. Tatsächlich erledigt der Taschenrechner oder Excel die Rechenarbeit. Ich selbst habe noch nichts berechnen müssen, was über ein grundsätzliches Zahlenverständnis hinausgegangen wäre.

Um im Umsatzsteuerrecht zu arbeiten, ist ein tiefes wirtschaftliches Verständnis keine per se vordefinierte Voraussetzung. Meiner Meinung nach ist zu Anfang ein Grundverständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge und unternehmensinterne Abläufe hilfreich, mit der Zeit aber nahezu unerlässlich. Denn das Umsatzsteuerrecht regelt Rechte und Pflichten von Unternehmen. Ihre wirtschaftlichen Bedürfnisse zu verstehen, ist Grundvoraussetzung dafür, ihnen umsatzsteuerrechtlich helfen zu können.

Unsere Beratung muss beides im Blick haben – die rechtlichen und die wirtschaftlichen Interessen des Mandanten. Dafür gehört eine gewisse „fachliche Empathie“ irgendwann dazu. Darüber hinaus ist meines Erachtens die Bereitschaft, sich mit unbekannten Sachverhalten auseinanderzusetzen, für die tägliche Arbeit mit dem Umsatzsteuerrecht ganz zentral. Dabei gilt es, immer wieder sein juristisches Rüstzeug auszupacken und neu anzuwenden.

Sie sind nach Ihrem Referendariat bei KMLZ als Anwältin eingestiegen. Was hat Sie dazu bewogen, bei dieser Kanzlei anzufangen, und wie hat sich der Übergang von der Referendarin zur Anwältin für Sie gestaltet?

KMLZ hat mich durch die gelebte Kanzleiphilosophie überzeugt. Als Experte auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts hat die Kanzlei aber auch erkannt, dass hochspezialisierte Fachexpertise mit einer für Mandanten verständlichen Ausdrucksweise einhergehen muss. Diese beiden Kriterien passten bereits sehr gut zu meinen persönlichen Anforderungen an eine juristische Arbeitsweise.

Gleichzeitig war mir ein wohlwollendes, familiäres Arbeitsklima wichtig. KMLZ konnte mir beides schon in den Bewerbungsgesprächen vermitteln. Es hat also bereits von Anfang an sehr gut gepasst. Der erste Eindruck bestätigte sich auch in der Folgezeit. Zwei Monate, nachdem ich bei KMLZ als Associate angefangen hatte, wurde ich dann als Rechtsanwältin zugelassen.

Als ich aus der Rechtsanwaltskammer kam, zwinkerte Dr. Thomas Streit mir zu und meinte: „Ganz herzlichen Glückwunsch, Frau Rechtsanwältin!“. Auch wenn ich zu dem Zeitpunkt bereits mitten im Berufsleben stand, fühlte sich die Rechtsanwaltszulassung für mich doch so an, als hätte ich ein neues Kapitel im Leben aufgeschlagen.
 

Welche Herausforderungen begegnen Ihnen besonders häufig im Bereich Umsatzsteuerrecht?

Das Umsatzsteuerrecht gehört zu den Rechtsgebieten, in denen häufig grundlegende Rechtsfragen noch nicht höchstgerichtlich geklärt sind. Für uns besteht die tägliche Herausforderung daher darin, sich der Lösung dieser Rechtsprobleme auf eine ganz grundlegende Art und Weise nähern zu müssen. Das Positive hieran ist aber, dass gerade diese Art der Lösungsfindung besonders viel Spaß macht. Außerdem hat man hierdurch die Möglichkeit, den ersten rechtlichen Maßstab zu setzen.
 

Konnten Sie als Berufseinsteigerin bei KMLZ von Beginn an eigenständig Mandate übernehmen?

KMLZ bot mir als Berufseinsteigerin von Beginn an ein ausgewogenes Konzept aus Gefordert- und Gefördert-Werden. Zum „Fordern“ gehörte es, dass ein Mentor mich bereits im ersten Monat mit dem Auftrag betraute, einen Schriftsatz an den Bundesfinanzhof zu verfassen. Ich solle ihn einfach mal schreiben, er traue es mir schon zu.

Zugleich hatte er mich durch die Vorbesprechung des Sachverhalts und das Andiskutieren einiger Rechtsprobleme auch tatsächlich schon darauf vorbereitet. Als ich mal nicht weiterkam, bekam ich weitere hilfreiche Unterstützung und Feedback.

„VAT’S YOUR FUTURE?“

Sie haben an der Universität Passau zu der Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen in Deutschland und China promoviert. Inwiefern wird ein Doktortitel auf dem juristischen Arbeitsmarkt vorausgesetzt und gibt es Überschneidungen zwischen Ihrem Promotionsthema und Ihren jetzigen Tätigkeiten?

Aus meiner Perspektive ist die Promotion für den erfolgreichen Berufseinstieg keine Voraussetzung, wenngleich sie häufig gern gesehen wird. 

Materiell-rechtlich geht es in meiner Doktorarbeit um das juristische Prinzip der Verbürgung der Gegenseitigkeit. Dieses findet sich auch im Umsatzsteuerrecht, beim Vorsteuervergütungsverfahren mit Drittstaaten.

Prozessrechtlich beschäftigt sich meine Arbeit mit dem Zivilprozessrecht, insbesondere den Anforderungen, die Anwälte erfüllen müssen, um das in einem Staat durchgeführte Verfahren nicht noch einmal in einem anderen Staat führen zu müssen. Ein Kernbereich meiner Überlegungen war, welche alternativen Verfahrensmöglichkeiten noch bestehen, um die Ansprüche von Rechtssuchenden durchsetzen zu können. Mit denselben Fragestellungen bin ich im Rahmen meiner Tätigkeit bei KMLZ nun auch des Öfteren konfrontiert.
 

Vor Ihrem Eintritt bei KMLZ waren Sie zudem durch einen Forschungsaufenthalt zum Internationalen Zivilprozessrecht an der China University of Political Science and Law in Peking. Ist das Arbeiten im Ausland förderlich für die anwaltliche Tätigkeit in einer Kanzlei und werden Fremdsprachenkenntnisse zwingend vorausgesetzt?

Meiner Erfahrung nach verhält es sich mit Fremdsprachenkenntnissen ähnlich wie mit dem Doktortitel. Sie sind bestimmt keine obligatorische Zugangsvoraussetzung für die meisten juristischen Berufe in Deutschland, aber sehr gerne gesehen. Gerade Englisch scheint mir für eine anwaltliche Tätigkeit heutzutage sehr wichtig zu sein.

Bei vielen Großkanzleien wird in der täglichen Arbeit viel auf Englisch kommuniziert. Doch auch in der Arbeit mit scheinbar rein nationalen Rechtsgebieten wie dem Umsatzsteuerrecht ist die Beherrschung der englischen Sprache oftmals Voraussetzung für die Kommunikation mit internationalen Mandanten. Hierfür gibt es aber regelmäßige Schulungen, damit die Kommunikation im Ernstfall auch reibungslos funktioniert. 
 

Was sind Ihrer Auffassung nach die fachlichen Vorteile, in einer spezialisierten Kanzleiboutique zu arbeiten?

Ich persönlich sehe den großen Vorteil darin, stets an interessanten Fällen arbeiten zu können. Den Standardfall, den man routinemäßig abarbeitet, gibt es nicht. Fachlich müssen wir in der Lage sein, den Bundesfinanzhof oder sogar den Europäischen Gerichtshof zu überzeugen. Das schafft man meines Erachtens nur, wenn man sich auf das betreffende Rechtsgebiet spezialisiert und über Expertenwissen verfügt.

Meiner Meinung nach ist zu Anfang ein Grundverständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge und unternehmensinterne Abläufe hilfreich, mit der Zeit aber nahezu unerlässlich.
Dr. Yue Siebel

Wie gestaltet sich Ihr Arbeitsalltag bei KMLZ und welche täglichen Aufgaben fallen im Umsatzsteuerrecht an?

Mein Arbeitsalltag bei KMLZ ist verglichen mit traditionellen juristischen Tätigkeiten sehr kommunikativ. Er besteht derzeit aus drei Komponenten: Mandatsarbeit, Fortbildung und Publikation. In der Mandatsarbeit spreche ich mit Mandanten, sichte Unterlagen und schaffe mir hieraus einen beurteilungsfähigen Sachverhalt. Komplexe Rechtsprobleme diskutieren wir oft im Team und mit unserem Partner.

Zudem nehme ich wöchentlich an Fortbildungseinheiten zum Umsatzsteuerrecht teil. Erfahrene Kollegen stellen Berufsanfängern spezielle Themen vor, teilen uns ihre Erfahrungen mit und geben Raum für Fragen und Diskussionen. Schließlich fördert KMLZ auch die wissenschaftliche Tätigkeit ihrer Mitarbeiter. Bereits im zweiten Bewerbungsgespräch wurde mir angeboten, mit unserem Partner zusammen einen Aufsatz zu veröffentlichen.
 

Was möchten Sie angehenden Juristinnen und Juristen mitgeben, die sich auf Steuerrecht bzw. Umsatzsteuerrecht spezialisieren wollen?

Ich kann hierfür empfehlen, den Studienschwerpunkt Steuerrecht zu wählen. Dieser umfasst zumeist die Prüfungsschwerpunkte Einkommensteuerrecht, Körperschaftssteuerrecht, Umsatzsteuerrecht, Internationales Steuerrecht und Abgabenordnung. Danach weiß man recht gut, ob eines dieser Rechtsgebiete als Berufsschwerpunkt in Frage kommt.

Um ein Gefühl zu bekommen, ob man auch tatsächlich gerne in diesem Rechtsgebiet arbeitet, wäre ein Praktikum oder die Rechtsanwalts- sowie Wahlstation während des Referendariats in einer auf Steuerrecht bzw. Umsatzsteuerrecht spezialisierten Kanzlei oder Finanzbehörde ein guter Anfang.
 

Vielen Dank, Frau Dr. Siebel!

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