Nahezu alle Juristen kennen diese eine Situation im Alltag, bei der sich die Nackenhaare aufstellen: Sei es eine aktuelle Schlagzeile i.S.v. „Täter wird nicht wegen Mordes verurteilt, obwohl er doch vorsätzlich gehandelt hat“ in der Zeitung mit den großen Druckbuchstaben oder zwei Personen, bei der die eine Person herum prahlt, dass sie mit dem Kauf zum Eigentümer wurde.
Diese und weitere Missverständnisse und Verwechslungen in der Terminologie werden in den verschiedenen Medien nicht nur aufgegriffen, sondern mit der falschen Verwendung auch gefördert. Daher soll auf die folgenden gängigen „falschen Freunde“ nicht nur aufmerksam gemacht, sondern auch Aufklärung geboten werden:
Das Trennungs- und Abstraktionsprinzip
„Ich habe die Sache gekauft, deshalb gehört sie mir.“
Das Trennungs- und Abstraktionsprinzip gehört nicht nur zu den wichtigsten Prinzipien im deutschen bürgerlichen Recht, sondern in der Welt der juristischen Laien wohl auch zu den unbekanntesten. Der Kauf einer Sache ist ein Rechtsgeschäft, das Kaufvertrag und Übereignung von Kaufsache und Geld vereint.
Dies erscheint auf den ersten Blick nicht nur logisch, sondern wird auch in anderen Rechtssystemen grundsätzlich so gehandhabt (zum Beispiel in Frankreich oder Portugal). In Deutschland handelt es sich jedoch gemäß eben diesem Trennungs- und Abstraktionsprinzip um drei Rechtsgeschäfte:
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Der Kaufvertrag als schuldrechtliches Geschäft
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Der Eigentumsübergang der Kaufsache als sachenrechtliches Geschäft
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Der Eigentumsübergang des Geldes als sachenrechtliches Geschäft
Dies wirkt eventuell etwas umständlich und kompliziert, ist es vielleicht auch, bringt aber auch Vorteile mit sich. Zunächst werden die im Bürgerlichen Gesetzbuch [BGB] selbstständig geregelten Gebiete des Schuldrechts und des Sachenrechts nicht miteinander verwoben, denn das Trennungsprinzip besagt insoweit, dass das Verpflichtungsgeschäft (hier der Kaufvertrag) und das Verfügungsgeschäft (hier Eigentumsübergang der Kaufsache zum einen und der Eigentumsübergang des Geldes zum anderen) in ihrer rechtlichen Wirksamkeit voneinander unabhängig sind. Daraus folgt logisch das Abstraktionsprinzip, denn dadurch sind Verfügungsgeschäfte selbst dann wirksam, wenn das Verpflichtungsgeschäft unwirksam wäre – und andersherum.
Ein einfaches Beispiel zum Verständnis ist etwa der folgende Fall:
Der schmierige V schreckt vor nichts zurück. Er beobachtet den 7-jährigen K, wie dieser von seinen Großeltern 50 Euro zum Geburtstag bekommt. Als der K mit den 50 Euro in der Tasche alleine im Sandkasten spielt, nähert sich V und bietet ihm einen „besonders leckeren Lutscher“ für die 50 Euro an. M, der eine kleine Naschkatze ist, nimmt dieses „tolle Angebot“ selbstverständlich an und übergibt dem V die 50 Euro.
Ein Minderjähriger bedarf gemäß § 107 BGB für ein solches Geschäft der Einwilligung der Eltern, soweit es sich nicht um ein für ihn rechtlich vorteilhaftes Geschäft handelt. Der Erwerb des Lutschers ist ein solches rechtlich vorteilhaftes Geschäft, sodass M tatsächlich Eigentümer wird.
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Dies ist hinsichtlich des Verlusts an den 50 Euro aber gerade nicht der Fall. Mangels Einwilligung (oder Genehmigung, vgl. § 108 BGB) der Eltern ist dieses Rechtsgeschäft also nicht wirksam. Daraus folgt, dass er einen Anspruch auf Rückgabe der 50 Euro hat, den Lutscher aber behalten darf. Gäbe es das Trennungs- und Abstraktionsprinzip nicht und läge nur ein Rechtsgeschäft vor, würde der M bei Rückgängigmachung des Rechtsgeschäfts den Lutscher verlieren.*
*hier wurde sich auf das Trennungs- und Abstraktionsprinzip fokussiert. In das Bereicherungsrecht § 812 BGB wurde nich weiter vorgedrungen
- Wir merken uns also: Nur weil man etwas kauft, gehört die Sache einem nicht zwangsläufig. In Deutschland gilt nämlich das Trennungs- und Abstraktionsprinzip.
Eigentum oder Besitz?
„Die Sache ist in meinem Besitz, deswegen gehört sie mir.“
In der Laiensprache werden die Begriffe Eigentum und Besitz oftmals als Synonyme verwendet, dabei sind die rechtlichen Unterschiede alles andere als gering. Das Eigentum ist als Vollrecht nicht nur vollumfänglich im BGB, sondern auch verfassungsrechtlich durch Art. 14 GG [Grundgesetz] geschützt.
Der Besitz ist hingegen, wenngleich er ebenso einen gewissen Schutz durch das BGB erfährt, eigentlich gar kein Recht, sondern umschreibt lediglich die tatsächliche Herrschaft über eine Sache. Konkret bedeutet dies: Habe ich das Buch in meinen Händen, dann ist es in meinem Besitz. Gehört mir das Buch, bin ich Eigentümer.
Verleiht der Eigentümer das Buch nun an einen Dritten, bleibt er selbstverständlich Eigentümer, obwohl er den unmittelbaren Besitz an den Dritten verliert. Der Dritte kann also gerade nicht sagen „Das Buch ist in meinem Besitz, deswegen gehört es mir.“
- Wir merken uns also: Besitz und Eigentum sind zwei unterschiedliche Konstrukte. Besitzer ist immer derjenige, der eine Sache tatsächlich in den Händen hält beziehungsweise einen tatsächlichen Zugriff auf die Sache hat. Eigentümer ist hingegen derjenige, dem die Sache tatsächlich gehört.