Verfasst von Sebastian M. Klingenberg.
Aufdeckung von Wirtschaftsstraftaten mit Compliance & Internal Investigations...
Der eigentlich aus dem betriebswirtschaftlichen Bereich stammende Begriff ‚Compliance‘ steht für die Einhaltung bestimmter Gesetze und Regeln. Damit wird zwischen BWL und Jura eine Brücke geschlagen, die in der juristischen Praxis immer wichtiger wird.
Die Unternehmen messen Integrität und Compliance aber auch deshalb höchste Bedeutung bei, da etwaige Gesetzesverstöße bei den Medien sehr beliebt sind. Dank der Möglichkeiten des Internets sind etwaige Reputationsschäden außerdem auch noch gravierender als je zuvor.
Um dies zu vermeiden bzw. um rechtzeitig agieren zu können, führen Unternehmen rechtzeitig Compliance-Untersuchungen durch, sog. Internal Investigations, also unternehmensinterne Ermittlungen. Ein Ermittlungswerkzeug ist dabei oftmals das Amnestieprogramm (Amnestie: Vergeben/ Vergessen), welches beispielsweise bei VW, Siemens, ThyssenKrupp und MAN erfolgreich durchgeführt wurde. Doch was genau steckt hinter einem Amnestieprogramm und wie läuft ein solches ab?
→ So läuft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ab
Der Job des Gutachters vor Gericht:
Ein Amnestieprogramm dient der Aufklärung von Wirtschaftsstraftaten, in der Regel allerdings nur solchen von erheblicher Bedeutung. Es soll mit verschiedenen Zusicherungen Anreize schaffen, um belastbare Informationen aus den eigenen Reihen zu erhalten und eine Selbstreinigung des Unternehmens zu ermöglichen. Allerdings werden die das Amnestieprogramm gewährten Zusicherungen erst dann gewährt, wenn die amnestieaufsuchenden Mitarbeiter vollumfänglich rückhaltlos bei der Aufklärung kooperiert haben.
Amnestieprogramme sind insbesondere sinnvoll bei Korruption, Betrug, Steuerhinterziehung, Kartellvergehen und ähnlichem. Wenn nun ein Verdacht besteht, dass ein oder mehrere Mitarbeiter bis hin zu Managern solche Straftaten oder andere Compliance-Verstöße im Unternehmen begehen, sei es zu ihren eigenen Gunsten oder zugunsten des Unternehmens, so kann ein Amnestieprogramm angekündigt werden.
Sämtliche Mitarbeiter, etwa einer Abteilung, bei der es naheliegt, dass die dortigen Mitarbeiter Wissen von solchen Verstößen haben könnten, werden sodann zunächst schriftlich oder über einen Aushang über Sinn und Zweck des Amnestieprogramms, den Zusicherungen, Konsequenzen und Co. informiert. Zusätzlich wird eine Frist bestimmt, bis wann eine entsprechende Anmeldung möglich ist.
Das Unternehmen ist Herrin des Amnestieprogramms. Es bestimmt daher nicht nur, welche Delikte aufgeklärt werden sollen, sondern auch welche Mitarbeiterkreise eine Amnestiemöglichkeit erhalten, sowie welche Zusicherungen ihnen angeboten werden sollen. In der Praxis werden regelmäßig jedoch die folgenden Zusicherungen angeboten:
Beim Kündigungsverzicht ist allerdings zu beachten, dass sich dieser nur auf die außerordentliche und ordentliche Kündigung beschränkt. Eine Änderungskündigung bleibt somit weiterhin möglich, wird aber nur hinsichtlich einer Versetzung ausgesprochen. Im Übrigen bleibt der Arbeitsvertrag unverändert. Damit sind also keine Einbußen beim Entgelt zu erwarten. Ungeachtet des Kündigungsverzichts bleibt auch die Möglichkeit einer Mahnung bestehen.
Beim Verzicht auf Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist zu beachten, dass sich dieser lediglich auf die Geltendmachung gegenüber den Amnestiesuchenden im Zusammenhang mit den dem Amnestieprogramm zu Grunde liegenden Compliance-Sachverhalten bezieht. Im Übrigen wird auf den Schadensersatzanspruch nicht verzichtet. Im Falle einer Gesamtschuldnerschaft kann eine Haftung im Innenverhältnis gegenüber Beteiligten also dennoch bestehen.
Ein Amnestieprogramm ist nur dann erfolgreich, wenn es sorgsam vorbereitet wurde. Dazu gehören zunächst die Vor- und Nachteile eines Amnestieprogramms, die je nach deren individueller Gewichtung im jeweiligen Unternehmen für oder gegen die Durchführung eines Amnestieprogrammes sprechen könnten:
Vorteile:
Nachteile:
„Ein Amnestieprogramm dient der Aufklärung von Wirtschaftsstraftaten, in der Regel allerdings nur solchen von erheblicher Bedeutung.“
Ein Amnestieprogramm ist ferner nur dann erfolgreich, wenn – mit Blick auf die Vor- und Nachteile – das Amnestieprogramm auch im konkreten Fall sinnvoll ist.
Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn
Ein Amnestieprogramm ist im konkreten Fall hingegen dann regelmäßig nicht sinnvoll, wenn
Die Mitarbeiter, die zum Amnestieprogramm zugelassen wurden, werden einzeln befragt. Im Rahmen der Befragung wird der Amnestiesuchende zunächst vollumfänglich belehrt. Zu dieser Belehrung gehört auch eine kurze Erläuterung von Sinn und Zweck des Amnestieprogramms, die notwendigen Voraussetzungen für die Zusicherungen sowie etwaige weitere (rechtliche) Konsequenzen.
Der Mitarbeiter hat sodann schriftlich zu erklären, dass diese Belehrung verstanden wurde und man mit der Datenspeicherung, -verwendung und -weitergabe einverstanden ist. Sodann hat der Amnestiesuchende freiwillig, vollumfänglich / lückenlos und wahrheitsgemäß an der Aufklärung der zur Untersuchung gestellten Sachverhalte mitzuwirken.
Nach der Befragung prüft ein Gremium, ob alle erforderlichen Voraussetzungen tatsächlich vorliegen. Nach Freigabe durch das Gremium hat der Mitarbeiter einen Anspruch auf die versprochenen Zusicherungen.
Compliance ist sicherlich nicht nur für (Wirtschafts-)Strafrechtler ein spannendes Themengebiet. Allein die Internal Investigations vermögen im jungen Anwalt den Detektiv zu erwecken. Die unternehmensinternen Ermittlungen können durch ein Amnestieprogramm besonders erfolgreich sein. Allerdings ist ein solches Programm nicht in jedem Fall angebracht. Es bedarf daher stets einer genauen Prüfung, ob im konkreten Einzelfall ein Amnestieprogramm durchgeführt werden sollte, immer auch mit Blick auf die angedachten Zusicherungen für die Amnestiesuchenden.
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