Ein schwer fassbares Konzept
„Zeigt Haltung!“ In einer Zeit, in der das Äußern von Kritik bereits als Aktivismus gilt und der politische Meinungskampf in Kommentarspalten stattfindet, gehört es zumindest in universitären Kreisen zum guten Ton, eine klare Haltung zu haben und diese auch nach außen zu vertreten. Und doch ist sie so schwer greifbar – diese Idee. Was bedeutet „Haltung zeigen“ eigentlich?
Statt einer klaren Definition, wie wir Jurist:innen sie eigentlich so lieben, haben die meisten von uns nur eine diffuse Vorstellung im Kopf. „Haltung zeigen“ hat irgendwas mit Verantwortung übernehmen zu tun, da sind wir uns einig – und mit dem mutigen Einstehen für das, was wir als richtig empfinden.
„Wer Haltung zeigt, tritt mit seinen inneren Grundsätzen an die Öffentlichkeit und muss sich gefallen lassen, massiven Gegenwind zu spüren.“ So definiert es zumindest Anja Reschke. Ihr Kommentar über Hass und Hetze gegen Geflüchtete in den Tagesthemen brachte ihr den Ruf einer Haltungsjournalistin ein.
„Haltung zeigen bedeutet gemeinhin, sich für etwas stark zu machen, das für die Gemeinschaft von Wert ist. Dass so ein Verhalten erstrebenswert ist, ja geradezu eine Tugend, bekommen wir von klein auf beigebracht“, so Reschke [in Anja Reschke, Haltung zeigen, Rowoht Verlag, 2018, S. 19].
Haltung zeigen – aber wie?
So unerfreulich der NSU Prozess für die Verteidiger:innen auch gewesen sein mag, er hatte sein Gutes. Denn an ihm entzündete sich eine vehemente Diskussion darüber, wie man als Jurist:in Haltung zu zeigen hat. Haben die drei Zschäpe Anwält:innen nun besonders viel Haltung bewiesen, weil sie allen Widrigkeiten getrotzt und ihr Mandat bis zum bitteren Ende durchgezogen haben? Oder sind sie gerade ein Paradebeispiel für die Haltungsverweigerer unter den Jurist:innen?
Sicher ist: Sie haben sich mit dem Mandat keinen Gefallen getan, und das ist in aller Regel ein deutliches Indiz dafür, dass sie Haltung gezeigt haben. Die harsche Kritik, die Heer, Stahl und Sturm über sich ergehen lassen mussten, kam durchaus auch aus den eigenen Reihen. In einer Stellungnahme des Arbeitskreises Kritischer Jurist*innen (AKJ) in Berlin hieß es etwa: „Sie haben den Umgang mit einem Werkzeug in nachtgrauer Abstraktion erlernt und nun wenden sie es an. Was ihnen fehlt ist die Fähigkeit zur politischen und moralischen Reflexion des Werkzeugs und ihres Umgangs damit.“ Dem AKJ zufolge hätten die drei Verteidiger:innen also nur dadurch echte Haltung beweisen können, das Mandat gar nicht erst zu übernehmen?
Das wäre jedenfalls eine eindrückliche Zurschaustellung der eigenen Haltung gewesen, aber mitnichten eine gute Lösung. Unsere Rechtsordnung sieht nun einmal vor, dass jede und jeder Angeklagte das Recht auf einen fairen Prozess und anwaltlichen Beistand hat. Welche Errungenschaft diese Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips ist, wird kaum jemand in Frage stellen. Während manche also die drei Engel für Zschäpe als Superheld:innen verklären, die im Cape gewandet für den Rechtsstaat streiten, sehen andere in ihnen politisch durchscheinende Deserteure eines Berufsethos, der es nicht erlaubt, Anhänger:innen von Nazi-Ideologien die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
So oder so: Die Diskussion entblättert die Kernfrage juristischen Haltungzeigens.