Zum 1. November 2018 ist es soweit: Die Musterfeststellungsklage für zivilrechtliche Schadensersatzansprüche ist vom Bundestag abgesegnet und beschlossen worden. In Zukunft können Verbraucher gemeinsam ihre Ansprüche vor den zivilen Gerichten durchsetzen. Dies muss zwar über Verbände geschehen und gerade aus Oppositionskreisen gibt es harsche Kritik an der neuen Klageform, doch beschlossen ist zunächst einmal beschlossen. Grund genug, die neue Musterfeststellungsklage einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und einen Blick in die Glaskugel zu werfen. Denn eine Frage schwebt wie ein Damoklesschwert über der Klage, die zumindest in Ansätzen den Sammelklagen aus den USA entspricht. Bekommen wir eine Klageindustrie und drohen uns Wellen von Schadensersatzklagen wie in den USA?
Sammelklagen in Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt
In der aktuellen Debatte rund um die Musterfeststellungsklage werden immer wieder Stimmen laut, die beklagen, dass die Folgen einer Einführung unabsehbar sind und uns US-Amerikanische Verhältnisse drohen. Doch genau genommen ist die Einführung der Musterfeststellungsklage gar kein völliges Novum in Sachen Sammelklagen in Deutschland.
Bereits heute und auch schon seit längerer Zeit gibt es das sogenannte KapMuG Verfahren. Gemeint ist damit das Kapitalanleger-Musterverfahren, das Anlegern von Wertpapieren und anderen Geldanlagen die Möglichkeit bietet, sich zu einer Sammelklage zusammenzuschließen und einen exemplarischen Rechtsstreit für eine große Menge ähnlich gelagerter Fälle auszufechten. Berühmt geworden ist das Verfahren vor allem durch die Rechtsstreitigkeiten rund um Fehler im Prospekt für Aktien der Deutschen Telekom AG bei deren Börsengang. Diese rund 16.000 Rechtsstreitigkeiten waren auch ursächlich für die Einführung des KapMuG Verfahren. Genannt wurden bei der Einführung des Gesetztes insbesondere vier Ziele, die das Ministerium für Justiz durch das KapMuG Verfahren erreichen möchte:
- Einzelne Anleger können ihre Ansprüche mit dem KapMuG Verfahren effektiv durchsetzen
- Prozesskostenrisiken werden verringert, Kosten für Sachbearbeiter werden ausgelegt und im Falle der Ablehnung des Anspruchs können die Kosten auf alle Kläger aufgeteilt werden
- Es findet für gleich oder sehr ähnlich gelagerte Fälle nur noch eine Beweisaufnahme statt und Rechts- und Sachfragen werden einmal für alle Fälle bindend bereits von einem Oberlandesgericht entschieden
- Es kommt zu einer Beschleunigung aller Verfahren und der effektive Rechtsschutz kann gewährleistet bleiben
Es gibt also bereits Erfahrungen mit Sammelklagen in Deutschland und obwohl natürlich gerade Anlegersammelklagen aufgrund der Höhe des Streitwerts nicht unattraktiv sind, hat sich keine Klageindustrie in Deutschland entwickelt und es laufen auch nicht ununterbrochen Werbeanzeigen für bestimmte Sammelklageverfahren.