Interview - Marlies Känel und Nadja Harraschain - Juristinnen

"Der richtige Weg ist oft nicht der des geringsten Widerstandes!"

Über ein “drittes Examen”, die hemmende Wirkung durch das Fehlen von Vorbildern und “Mama-Land”

– Portraits zweier Juristinnen mit Vorbildcharakter - Marlies Känel und Nadja Harraschain im Interview - Gewinnerinnen des PANDA LAW Contests –

PANDA LAW - Dieses Netzwerk-Event hat es sich zur Aufgabe gemacht, Juristinnen zusammen zu bringen und so den produktiven Austausch untereinander zu fördern. Wir haben die Gewinnerinnen des letztjährigen PANDA Law Contests interviewt.

Isabelle Hoyer über die PANDA Initiative:

Marlies Känel

Marlies Känel ist seit 2013 Rechtsanwältin in einer Mittelständischen Rechtsanwaltskanzlei mit dem Schwerpunkt Immobilienrecht. Sie absolvierte ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Potsdam, sowie an der Université Paris X Nanterre.

 

Frau Känel, unter anderem hat sich PANDA Law auch zum Ziel gesetzt mehr Frauen in Führungspositionen unterstützen zu können. Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern bis eine Frauenquote von 50% erreicht ist?

Am besten nur bis morgen! Und schon übermorgen wird man diese Frage gar nicht mehr thematisieren, weil Gleichberechtigung auch in Führungspositionen völlig selbstverständlich ist. Dass der Weg dorthin aber gar nicht so einfach ist, hat sehr schön die eine Challenge beim Law Contest gezeigt: Wir sollten uns vorstellen, wir lebten in “Mama-Land”, in dem die Chefetagen von Frauen dominiert werden und die Gleichberechtigung von Männern zu wünschen übrig lässt.

Es war spannend zu sehen, dass keine der Arbeitsgruppen eine wirklich neue Idee erarbeitet hat und dass eher übliche Maßnahmen, wie Teilzeit ermöglichen, Awareness schaffen oder aber die Quote vorgeschlagen wurden. Das zeigt, dass es gar nicht so einfach ist, hier noch weitere innovative Ansätze zu finden!

Ich bin jedenfalls der festen Überzeugung, dass gute Führung keine Frage des Geschlechts ist! Bei SammlerUsinger, wo wir eine sehr hohe Frauenquote haben, erlebe ich jeden Tag starke Frauen in Führungspositionen, weswegen dies für mich überhaupt nichts Besonderes ist.

Gerade auf Veranstaltungen und auch oft in Vertragsverhandlungen stelle ich aber leider fest, dass dies offensichtlich nicht überall der Fall ist. Um das zu ändern, scheint die Quote also doch erforderlich zu sein. Denn wenn es erst einmal eine ausgewogene Führungsmannschaft gibt, kann das Beispielcharakter haben und wird automatisch von der nächsten Generation weitergeführt, da bin ich mir sicher. Es geht also darum, Ressentiments abzubauen und den Weg hin zur „Selbstverständlichkeit“ einzuschlagen.

Welche Eindrücke haben Sie von dem Event mitgenommen?

Mir hat es viel Spaß gemacht, so viele starke Juristinnen zu treffen, mich mit ihnen - im Rahmen der Challenges, aber auch beim Essen oder zwischendurch - auszutauschen und die vielen Gemeinsamkeiten zu entdecken.

Darüber hinaus vor allem der spielerische Ansatz des PANDA Law Contests: Lösungen finden für die gestellten Aufgaben und nebenbei die eigenen Führungskompetenzen anzuwenden und auszubauen. Auch die Kooperation mit den anderen Teilnehmerinnen in unterschiedlichen Konstellationen: Wir haben gemeinsam an den gestellten Problemen gearbeitet und am Ende ein sinnvolles Ergebnis gefunden.

Besonders gefreut hat mich natürlich, dass die anderen Teilnehmerinnen mich am Ende zur Gewinnerin des PANDA Law Contests 2017 gewählt haben. Das war eine schöne Bestätigung dafür, dass ich bereits einiges an Führungskompetenz aufgebaut habe.

Aufgrund zahlreicher Aufenthalte in Frankreich sprechen Sie neben Englisch auch fließend Französisch. Wie international muss heute eine Anwältin bzw. Anwalt sein, um ganz oben mitzuspielen?

In unserer immer internationaler werdenden Welt werden Verträge schon lange nicht mehr nur auf nationaler Ebene geschlossen und auch Immobilien werden häufig von ausländischen Investoren erworben oder gemietet. Ohne Fremdsprachenkenntnisse und insbesondere Englisch ist ein Anwalt heute definitiv aufgeschmissen!

Meine Französischkenntnisse nutzen mir im Job insbesondere, wenn es darum geht, luxemburgische Handelsregister zu lesen oder mit französischen oder luxemburgischen Notaren Kontakt aufzunehmen und mit ihnen die Besonderheiten des deutschen Beurkundungsgesetzes zu besprechen.

Denn deutsche Grundbuchämter sind sehr strikt, was die einzuhaltenden Formalien angeht, die in anderen Ländern natürlich häufig vollkommen andere sind. Da hilft mein in Paris erworbener französischer Abschluss “Maîtrise en droit” natürlich schon, denn ich kenne das französische Rechtssystem und kann so die Unterschiede aufzeigen und deutsche Besonderheiten erläutern.

Dieses Beispiel zeigt aber sehr anschaulich, dass im Immobilienrecht - jedenfalls im Kontakt mit Behörden und Grundbuchämtern - in der Regel auf Deutsch gearbeitet wird, da die Kaufverträge dort eingereicht werden müssen und Behördensprache ist nun mal deutsch.

Es kommt aber immer wieder vor, dass für ausländische Mandanten zweisprachige Verträge angefertigt werden und die Kommunikation auf Englisch erfolgt. Mein Arbeitsalltag findet also größtenteils auf Deutsch und Englisch statt. Ich freue mich aber immer wieder, wenn ich die Möglichkeit habe, mein Französisch anzuwenden. Und man weiß ja nie, was die Zukunft noch so bringt!

Besonders gefreut hat mich natürlich, dass die anderen Teilnehmerinnen mich am Ende zur Gewinnerin des PANDA Law Contests 2017 gewählt haben.
Marlies Känel

Die Zukunft ist ein gutes Stichwort. Wie sehen Ihre weiteren beruflichen Pläne aus?

Ich bin jetzt mittlerweile seit fünf Jahren Anwältin, da habe ich schon einiges an Erfahrung sammeln können. Dies merke ich insbesondere in der Zusammenarbeit mit jüngeren Kollegen, an die ich während unserer Zusammenarbeit mein Know-How und meine Erfahrungen weitergeben darf. Dies möchte ich gerne zukünftig noch viel stärker tun und bei vielen Mandaten eine leitende Rolle einnehmen.

Neben meinem Beruf als Rechtsanwältin möchte ich gerne Notarin werden, auch wenn dies bedeutet, dass mich mit der notariellen Fachprüfung noch einmal eine Art “Drittes Examen” erwartet. Ich übernehme bereits jetzt die Notarvertretung für eine unserer Notarinnen und habe viel Spaß an den vielen kleinen und großen Rechtsfragen und Aufgaben, die damit einhergehen.

Worauf achten Sie denn besonders bei der Zusammenarbeit mit jüngeren Kolleginnen? Was ist Ihnen wichtig, an Berufsanfänger weiterzugeben?

Neben dem Fachlichen versuche ich meinen Kolleginnen zu vermitteln, dass man nie den Spaß an der Sache verlieren und auch in stressigen Situationen einen kühlen Kopf bewahren sollte. Um erfolgreich zu sein, darf man sich nicht davor scheuen, Verantwortung zu übernehmen und muss an Themen dran bleiben, auch wenn der Weg zum Ziel mal steinig sein mag.

Dies bedeutet manchmal, sich nicht von Gesprächspartnern einschüchtern zu lassen, die zunächst einmal nur “die Kleine” in einem sehen, freundlich und gleichzeitig verbindlich zu bleiben und sie mit der eigenen Kompetenz zu überzeugen.

Es ist ein schönes Gefühl, wenn solche Menschen dann irgendwann direkt bei einem anrufen und um eine Einschätzung bitten.

Nadja Harraschain

Nadja Harraschain ist Doktorandin an der Universität Basel und absolvierte ihr Studium der Rechtswissenschaften in Freiburg. 2018 gründete sie breaking.through, eine Plattform, die sich der Vorbildfindung für Frauen in der Juristerei widmet.

Frau Harraschain, Sie sind Gründerin des Projektes breaking.through zur Karriereförderung junger Juristinnen. Wie kam es zu dieser Idee?

Nach dem Studium stellte ich fest, wie schwierig es selbst in großen Organisationen ist, Juristinnen in Führungspositionen zu finden, die Identifikations- und Orientierungsmöglichkeiten bieten. In Gesprächen im Bekanntenkreis beobachtete ich immer wieder, was für eine hemmende Wirkung das Fehlen von Vorbildern entfalten kann: Z.B. führt die geringe Anzahl weiblicher Führungskräfte mit Kindern oftmals zu dem Eindruck, man müsse sich als Frau zwischen Karriere und Familie entscheiden.

Folglich entscheidet man sich (sofern man Kinder möchte) schnell gegen eine mögliche Karriere, ohne sich selbst je die Chance gegeben zu haben beides miteinander zu kombinieren. Ein Teufelskreis entsteht – je weniger Frauen versuchen in Spitzenpositionen zu gelangen, desto weniger neue Vorbilder entstehen, die andere Frauen motivieren können.

Das Problem fehlender Vorbilder ist natürlich nicht nur auf Fragen der Vereinbarkeit von Kindern und Karriere beschränkt; dort scheint die Kausalität nur am offensichtlichsten zu sein.

breaking.through ist der Name denn auch Programm? Was genau hat sich Ihr Projekt zur Aufgabe gemacht?

Wir versuchen mit breaking.through den beschriebenen Teufelskreis zu durchbrechen. Dazu machen wir existierende Vorbilder für einen größeren Kreis sichtbar, indem wir sie durch individuelle Interviews auf unserer Homepage porträtieren.

Daneben organisieren wir themenbezogene Events, um einen offenen Austausch und einen persönlichen Dialog mit unseren Vorbildern zu ermöglichen. Auf diesem Wege schaffen wir neue Identifikations- und Orientierungsangebote für nachfolgende Generationen von Juristinnen und ermutigen sie dazu, ihren eigenen Weg zu gehen, ohne sich von vornherein zu beschränken.

Wie dieser eigene Weg aussieht – welchen Beruf man ergreift, ob man eine Familie gründet, ob man einen Karrierepfad „bis zum Ende“ verfolgt oder was man überhaupt unter „Erfolg“ oder „Karriere“ versteht – muss und soll jede oder jeder für sich selbst entscheiden. Wir zeigen dabei, dass es für Frauen auch abseits der ausgetrampelten Pfade Wege gibt, die zum persönlichen Ziel führen.

Sie möchten die Karrierechancen starker Frauen fördern. Was zeichnet Ihrer Meinung nach eine starke Frau aus? Würden Sie sich selbst als starke Frau bezeichnen?

Charakterliche Stärke äußert sich auf vielfältigste Art und ist eine geschlechtsunabhängige Eigenschaft. Für mich persönlich bedeutet sie, ehrlich mit sich selbst zu sein, Hindernisse zu überwinden, seinen eigenen Weg zu gehen und selbst gesteckte Ziele zu erreichen.

Frauen wie Männer werden dabei besonders herausgefordert, wenn das, was sie wollen, nicht mit dem übereinstimmt, was sie in den Augen anderer – etwa der Familie oder der Gesellschaft – wollen sollten. Stark ist, wer es in solchen Situationen schafft, sich selbst treu zu bleiben und seinen eigenen Weg zu gehen.

Ich selbst gehe meinen Weg, der oft nicht der des geringsten Widerstandes ist. Das birgt natürlich immer wieder Herausforderungen, aber deren Überwindung gibt mir den nötigen Ansporn, auch noch die nächsten Hürden zu nehmen und nicht nur deshalb stehenzubleiben, weil andere das erwarten.

Sie promovieren derzeit in der Schweiz. Sind Sie der Meinung eine Promotion oder ein LL.M. ist für Juristinnen in Führungspositionen unerlässlich?

Ob eine Promotion oder ein LL.M. sinnvoll sind, hängt sehr davon ab, welcher Tätigkeit man später nachgehen möchte. Für den Staatsdienst z.B. sind beide von eher geringer Bedeutung, während ein im englischsprachigen Ausland erworbener LL.M. heute in größeren Kanzleien und Unternehmen gerne gesehen ist.

Es fällt allerdings auf, dass nur wenige Juristinnen in Führungspositionen keinen Doktortitel haben und viele gar zusätzlich einen LL.M.-Titel tragen. Auch empfehlen erfahrenere Anwältinnen immer wieder, als Frau unbedingt einen Doktortitel zu erwerben, um ernster genommen zu werden. In erster Linie sollte man sich aber ohnehin bei der Entscheidung für oder gegen eine Promotion oder einen LL.M.

Gedanken darüber machen, ob einem das Promovieren oder ein LL.M.-Jahr Spaß machen. Falls nicht, lohnt sich die zeitliche und finanzielle Investition nicht.

Das Problem fehlender Vorbilder ist natürlich nicht nur auf Fragen der Vereinbarkeit von Kindern und Karriere beschränkt; dort scheint die Kausalität nur am offensichtlichsten zu sein.
Nadja Harraschain

In keinem anderen Studiengang steht die Note als Einstellungskriterium so sehr im Fokus wie in Jura. Finden Sie das noch zeitgemäß oder gibt es bessere Kriterien anhand derer man eine gute Juristin bzw. einen guten Juristen erkennt?

Sich an Leistungsnachweisen zu orientieren ist sinnvoll, auch wenn sie die Eignung einer Person für einen bestimmten Beruf nicht abschließend beurteilen können und daher nicht alleiniges Einstellungskriterium sein sollten.

Allerdings finde ich das Staatsexamen in seiner jetzigen Form unsinnig. Kurzfristige externe Umstände (Krankheitstage, familiäre Belastungssituationen, etc.) können die Leistungsfähigkeit eines Prüflings während der schriftlichen Klausuren des Staatsteils so beeinträchtigen, dass sich das gesamte Examensergebnis signifikant verschlechtert. Das ist nicht gerechtfertigt angesichts der Bedeutung, die dem Staatsexamen beigemessen wird.

Sachgerechter wäre ein System, bei dem man einen erheblichen Teil der relevanten Leistungsnachweise über einen längeren Zeitraum erbringt, bevor man eine besonders gewichtete Abschlussprüfung (mündlich wie schriftlich) ablegt. Das käme den Anforderungen im Berufsleben – unabhängig vom konkreten Tätigkeitsbereich – auch näher als mehrere fünfstündige Klausuren, die innerhalb von zwei Wochen handschriftlich anzufertigen sind.

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