Seit dem Bologna-Prozess von 1999 hat sich die Universitätslandschaft grundlegend verändert. Bachelor– und Masterstudiengänge feierten ihren Einzug in die Universitäten Europas, Examens- und Diplomstudiengänge verschwanden. Doch ähnlich wie bei Asterix und Obelix gibt es auch in der Welt der Studiengänge ein kleines Dorf, das sich dagegen wehrt und darin wohnen die Juristen. Die halten an ihrem Staatsexamen fest. Der Vergleich mit den Comichelden hinkt leider trotzdem, denn die Gallier mögen alle - das Staatsexamen nicht jeder.
Der Grundstein für die deutsche Juristenausbildung wurde schon im Jahr 1800 gelegt. Nun wäre es übertrieben zu sagen, es hätte sich seit dem gar nichts verändert. Früher gab es für Juristen, hauptsächlich die „typischen“ juristischen Berufe: Richter, Staatsanwalt, Anwalt. Darauf sollte einen das Studium der Rechtswissenschaften vorbereiten und das tat es auch. Heutzutage ist aber nur noch ein minimaler Anteil der Volljuristen als Staatsanwalt oder Richter beschäftigt. Der Großteil arbeitet zwar immer noch als Anwalt, doch das Berufsfeld hat sich immens erweitert. Juristen arbeiten in der Wirtschaft, im sozialen Bereich, in der Verwaltung, der Unternehmensberatung oder in noch ganz anderen Bereichen. Da verwundert es nun doch, dass das Studium immer noch nur auf die drei herkömmlichen Juristenberufe ausgerichtet ist. So viel hat sich also doch nicht verändert.
Natürlich ist nicht alles schlecht.
Das muss man auch dem aktuellen System zugestehen. Ein grundlegendes Systemverständnis, wie es unsere auf dem Fundament des Rechts basierende Grundausbildung vermittelt, ist für Juristen entscheidend. Das hält sie flexibel und bietet ihnen ein fachliches Grundgerüst, das später aufgebaut werden kann. Für eben dieses sind deutsche Juristen auch im Ausland hoch angesehen. Doch eben gerade das ist es, ein Grundgerüst.
Doch was kommt dann?
Angeprangert werden soll hier also nicht die juristische Grundausbildung, womit nicht nur die „kleinen“ Scheine oder je nach Prüfungsordnung die Zwischenprüfung gemeint sind, sondern natürlich auch das Hauptstudium, die „großen“ Übungen oder Scheine. Vielmehr ist das Problem, die Spezialisierung. Diese Spezialisierung hat im Jurastudium einen merkwürdigen Stand. Zum einen verwundert es doch, dass sie regelmäßig vor dem 1. Staatsexamen absolviert wird, häufig in zwei ganzen Semestern, dann jedoch das angesammelte Wissen fürs Examen irrelevant wird. Dass davon nach der anstrengenden Vorbereitung auf das Examen viel hängen bleibt, darf bezweifelt werden. Zum anderen ist die Tatsache, dass die durchschnittlich 5 – 10 angebotenen Schwerpunkte pro Uni die Bedürfnisse der Studenten oder die der zukünftigen Arbeitgeber nicht abdecken können. Hinzu kommt, dass die Notenvergabe im Schwerpunktbereich so schwerpunkts-, uni-, und professorenabhängig ist, dass Personaler fast gänzlich dazu neigen, diesen aus der Berechnung der Noten herauszunehmen. Die aktuelle Form der Spezialisierung kann also nicht überzeugen, man könnte auch sagen: Die spinnen, die Juristen!
Alternativen?
Wer A sagt muss auch B sagen, das lernt jeder Jurist. Daher muss auf eine Kritik auch eine Alternative folgen. Im Folgenden sollen sogar zwei vorgestellt werden:
Eine Alternative wäre eine begleitende, flexible Spezialisierung von Anfang an. Vielleicht nicht schon im ersten Semester, aber ab dem zweiten. Die gute Grundausbildung könnte parallel zu einer Spezialisierung auf Ebene der Zusatzqualifikationen und von Vertiefungen in bestimmte Rechtsgebiete verlaufen. Dafür würden wenige Semesterwochenstunden pro Semester reichen, damit kontinuierlich ein individuelles Profil eines jeden Studenten entstehen könnte, das trotzdem auf dem guten Fundament unserer Grundausbildung basiert.
Eine andere Idee kratzt gleich an noch einer Festung der Juristen: dem Referendariat. Für angehende Anwälte, Staatsanwälte und Richter eine super Sache. Für viele andere verschenkte zwei Jahre mit wenig Geld nach langem Studium. Diese Zeit könnten Studierende, die nicht in die klassischen Berufe wollen, deutlich besser nutzen. Beispielsweise zum Erwerb eines Masters in der Studienrichtung, in der sie später beruflich einsteigen wollen oder durch Auslandsaufenthalte, um Sprachkompetenzen und neue Kontakte aufbauen zu können.
Fazit
Am Staatsexamen ist bei weitem nicht alles schlecht, aber es genügt nicht mehr den heutigen viel individuelleren Anforderungen des Arbeitsmarktes und damit auch nicht denen der Studenten. Unter welchem Namen das Ganze laufen soll, ist im Grunde egal, aber es bedarf Veränderungen, damit die deutsche Juristenausbildung nicht ihr gutes Ansehen verliert.