Die Donau-Universität Krems ist die einzige staatliche Universität des deutschsprachigen Raums, die auf Weiterbildungsstudien spezialisiert ist. Für mich als Jurist bietet das immer interessante Herausforderungen, da die Erfordernisse jedes einzelnen Studiengangs unterschiedlich sind und jede Lehrveranstaltung individuell auf die Studierendengruppe zugeschnitten, vorbereitet sein muss. Das neue Studienprogramm „Professional LL.M.“ fügt sich genau in dieses Konzept, wobei das Programm auch und gerade für jüngere JuristInnen, die am Anfang ihrer Berufslaufbahn stehen, interessant ist.
Univ.-Prof. Dr. Dr. Thomas Ratka LL.M. LL.M.
Herr Prof. Ratka, der LL.M – Jetzt in professionell? Was ist neu außer der Bezeichnung und wo liegen die Unterschiede zum altbekannten LL.M. Abschluss?
Thomas Ratka: LL.M.-Programme haben heute vielfach ein Generalthema, das entweder sehr breit angelegt oder relativ eng ist: So bieten wir etwa vertiefte LL.M.-Programme im Sportrecht, Versicherungsrecht oder Bankrecht an. Solche Programme sind natürlich interessant, wenn man ausschließlich in diesen Gebieten arbeitet. Der juristische Alltag vor allem in Rechtsanwaltskanzleien ist allerdings von vielfältigen Herausforderungen geprägt; an einem Tag stellt sich eine gesellschaftsrechtliche Frage oder am nächsten ein zivilprozessrechtliches Problem. Wer sich also nicht einem einzigen Fachgebiet zwei Jahre widmen, sondern die Studieninhalte selbst zusammenstellen möchte, indem, wie in unserem Fall, zwei von vier möglichen Vertiefungen gewählt werden, bekommt mit dem „Professional-LL.M.“ einerseits solide Praxisskills im Kernprogramm und kann sich gleich in mehreren Fachgebieten vertiefen. Der „Professional LL.M.“ bietet daher eine individuelle Gestaltbarkeit des LL.M.-Programms: Darin liegt der große Unterschied.
Was sagt Ihnen die Resonanz? Wie nimmt die juristische Fachwelt dieses neue Programm wahr und was war für Sie der Grund für diese „Reform“?
Thomas Ratka: Wir haben gerade von Konzipienten aus Rechtsanwaltskanzleien manchmal die Rückmeldung bekommen, das Programm sei entweder zu allgemein gestaltet und nicht vollends praxisrelevant oder aber die Spezialisierung sei zu umfangreich: Genau auf diese Kollegen ist der „Professional LL.M.“ zugeschnitten, weshalb Anwaltskanzleien ein großes Interesse zeigen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter je nach den Schwerpunkten der Kanzlei, maßgeschneidert weiterzubilden.
Ist der „Professional LL.M.“ Ihrer Meinung nach die Zukunft der juristischen Berufswelt?
Thomas Ratka: Er ist nicht die alleinige Zukunft, sondern er bietet eine neue interessante Möglichkeit: Ein besonders effizientes, praxistaugliches Studium ohne Streuverluste. Er lässt sich in einer vernünftigen Zeit neben der Tätigkeit als Junganwalt absolvieren und passt daher in unsere kompetitive und immer herausforderndere Berufswelt.
Dieses Programm richtet sich hauptsächlich an fertige Rechtsanwälte, Mitarbeiter in Rechtsabteilungen sowie Konzipienten. Aber lässt sich das Studium gerade für Konzipienten – trotz der geringen praktischen Erfahrung – gut absolvieren?
Thomas Ratka: Für diese ist das Studium gerade gemacht: Es füllt in der Core-Unit, die alle Studierenden absolvieren müssen, Lücken, die im Grundstudium nicht oder nicht ausreichend gelehrt werden: Etwa bieten wir Lehrveranstaltungen zur Prozessführung in der Praxis, juristische Soft Skills, die immer wichtigere Zusammenarbeit von Juristen mit künstlicher Intelligenz – Stichwort "Legal Tech". Hinzu kommt: In der Praxis dauert es oft mehrere Monate, manchmal sogar Jahre bis ein junger Mitarbeiter kliententauglich in ein bestimmtes Rechtsgebiet eingearbeitet ist. Der „Professional LL.M.“ will diese Zeit erheblich abkürzen. Mitarbeiter sind daher in kürzerer Zeit voll einsetzbar, was nicht nur diesen selbst, sondern auch ihren Arbeitgebern dient.
Ein Studium neben dem Berufsleben? Insbesondere berufstätige Juristen haben hinsichtlich des zeitlichen Aspekts das Problem, ein Studium parallel zum Arbeitsalltag zu absolvieren. Wie flexibel lässt sich dies beim Professional LL.M. handhaben?
Thomas Ratka: Das Studium ist modular aufgebaut, unter der Woche finden daher keine Lehrveranstaltungen statt. Zudem ist von den Lehrveranstaltungen nicht jedes Wochenende betroffen, sondern im Durchschnitt finden die Blöcke nur einmal im Monat statt. Hinzu kommt die individuelle Gestaltbarkeit des Curriculumablaufs. Aus den Vertiefungen sind zwei zu wählen; jede Vertiefung dauert 1 Semester (15 ECTS), dafür hat man 4 Semester Zeit. Auch die Core-Unit (das verpflichtende Grundlagenmodul) kann in jedem Sommersemester belegt werden, weshalb man seine Intensivphasen des Studiums auf die Monate bzw. Jahreszeit verlegen kann, in denen man mehr Luft hat.
Da stellt sich doch die Frage: „Was hätten Sie getan?“ Hätte es diesen Masterstudiengang bereits zu Ihrer Studienzeit gegeben, hätten Sie sich auch dafür entschieden oder doch lieber ein Studium im englischsprachigen Ausland gewählt?
Thomas Ratka: Diese Frage bekomme ich oft. Es kommt darauf an, was man mit einem Weiterbildungsstudium bezweckt. Möchte man für die tägliche juristische Arbeit in der Kanzlei ein möglichst praktisch anwendbares Studium absolvieren, dann sind Masterstudiengänge an der Donau-Universität Krems wie der „Professional LL.M.“, aber auch andere, sicher eine sehr gute Wahl.
Immerhin treten als Vortragende die anerkanntesten ExpertInnen der inländischen Rechtspraxis auf, was auch dazu führt, dass man durch das Studium ein im Beruf wichtiges Netzwerk aufbaut.
Möchte ich aber Sprachkenntnisse erwerben, ein Jahr im Ausland verbringen, andere Rechtsordnungen und juristische Ansätze kennenlernen, wie man sie insbesondere im angloamerikanischen Sprachraum findet, so führt kein Weg an einer guten angloamerikanischen Universität vorbei. Dann muss ich aber meine Berufslaufbahn für mindestens 1 Jahr unterbrechen und eben mit Haut und Haar ins Ausland gehen. Man kann beides also nicht wirklich miteinander vergleichen. Die Frage ist ungefähr so, als würde man vor die Alternative gestellt, Sportwagen oder Geländewagen: Es kommt darauf an, was man damit machen möchte.
LL.M. oder Doktortitel? Herr Prof. Ratka, Sie haben beides und das jeweils im Doppelpack. Wofür würden Sie sich heute entscheiden und weshalb?
Thomas Ratka: Hier kann ich fast gleichermaßen antworten: Es kommt darauf an. Idealerweise allerdings beides! Ein Doktorat beweist, dass man sich einem Thema wissenschaftlich umfangreich widmen kann: Man schreibt eine lange Doktorarbeit mit wissenschaftlichem Anmerkungsapparat. Ein LL.M.-Studium vertieft dagegen die Kenntnisse in einem mehr oder weniger breiten Fachgebiet.
Ein erfolgreicher Jurist sollte sowohl wissenschaftlich gut arbeiten können, als auch vertiefte Kenntnisse aufweisen. Man kann allerdings auch Synergieeffekte ausnützen: Viele unserer Studierenden kommen im Zuge ihres LL.M.-Studiums wissenschaftlich auf den Geschmack und entwickeln aus ihrer Master-Thesis eine Doktorarbeit weiter.
Das LL.M.-Studium ist oft eine Zeit- und Geldfrage. Welchen Zeitpunkt empfehlen Sie für das Studium?
Thomas Ratka: Auch hier kommt es auf die jeweilige Lebenssituation an: Hat man rasch studiert und weiß noch nicht, in welche Richtung die berufliche Laufbahn einmal gehen soll, ist der Zeitpunkt ebenso ideal wie derjenige, dass man nach einigen Jahren Berufstätigkeit seine Kenntnisse vertiefen oder aber die juristische Branche wechseln möchte. Beachten sollte man aber, dass ein LL.M.-Studium ein oft entscheidender Startvorteil ist, daher empfehle ich gerade Juristen ein LL.M.-Studium dann zu absolvieren, wenn man noch etwas mehr Zeit hat, ganz hervorragend eignet sich hierfür die Zeit des Gerichtsjahres.
Der LL.M. umfasst ein Kerncurriculum sowie vertiefende Einblicke in bestimmte Rechtsbereiche und einen Abschluss in Form eines Seminars. Wo liegen hier die Schwerpunkte der Ausbildung?
Thomas Ratka: Wie gesagt, die Schwerpunkte liegen in der Core-Unit auf der erfolgreichen Prozessführung, Standesrecht, juristischen Soft Skills und Legal Tech. Ein besonderes Augenmerk wird allerdings auf die Methodenlehre gelegt, die im Grundstudium nur kurz gestreift wird, die für erfolgreiches Argumentieren etwa in rechtlichen Stellungnahmen oder Rechtsgutachten aber essentiell ist.