Wir haben mit Marc Fritzsche gesprochen: Der Counsel bei Mastercard hat eine spannende Karriere hinter (und vor) sich. Er studierte und promovierte in Hamburg, verbrachte Teile seines Studiums in Alicante und war nach seiner Promotion in Hamburg als Rechtsanwalt tätig. Vor seiner Tätigkeit bei Mastercard war Herr Fritzsche Counsel & Secretary bei einem internationalen Chemieunternehmen. Was uns aber im Rahmen dieses Interviews besonders interessiert hat, ist eine ganz besondere Station im Leben des erfolgreichen Juristen: Sein LL.M. in IP/Technology Law an der Washington University School of Law in St. Louis, Missouri. 15 Fragen stellten wir Herrn Fritzsche dazu - das sind seine Antworten!
Wie und warum hast du für dich die Entscheidung getroffen das Masterprogramm „LL.M. in IP/Technology Law“ an der Washington University in St. Louis zu absolvieren?
Bevor ich mich für einen LL.M. an der „WashU“ entschied, war ich in Deutschland als Rechtsanwalt im Urheberrecht tätig. Da mich der Rechtsbereich Geistiges Eigentum schon immer interessierte, war die Wahl des LL.M. in „IP/Technology Law“ die logische Konsequenz, mein Wissen und meine Erfahrung international zu vertiefen. Hinzu kommt, dass ich Doppelstaatler bin und meine damalige Freundin (mittlerweile Frau) aus der Nähe von St. Louis kommt und ich die Stadt und Umgebung schon recht gut kannte. Um in das LL.M. Programm aufgenommen zu werden, habe ich zunächst einen Gesprächstermin mit dem zuständigen Fakultätsmitglied vereinbart, weil ich mir selbst einen Eindruck vor Ort verschaffen wollte und auch einige Fragen hatte. Da für mich alles passte, habe ich mich im Anschluss beworben und bekam kurze Zeit später die Zusage.
Marc Fritzsche hat seinen LL.M an der "WashU" in St. Louis erworben
Auch du kannst an der Washington University neue juristische Perspektiven entdecken. Hier findest du alle Informationen:
Washington University School of Law – alle wichtigen Infos auf einem Blick
Das deutsche und das amerikanische Rechtssystem weisen große Unterschiede auf. Wie hast du dich an die Unterschiede gewöhnt und welche Umstellung fiel dir besonders schwer?
Zunächst habe ich meine deutsche Ausbildung und Berufserfahrung gedanklich beiseite gelegt, um mich so besser auf das U.S. Rechtssystem mit seinen Eigenheiten einlassen zu können. Mit der Zeit habe ich trotz der Unterschiede jedoch auch Gemeinsam – bzw. Ähnlichkeiten erkannt.
Manchmal half es mir auch, an das Deutsche Recht und Rechtssystem zu denken, um mich so besser an die Unterschiede im Amerikanischen Recht erinnern zu können.
Da ich hier in-house tätig bin und mich die meiste Zeit mit Verträgen befasse, sind die Unterschiede gar nicht so groß. Bei einer Kanzleitätigkeit bzw. im Prozessrecht sieht es etwas anders aus, wie ich von einer befreundeten deutschen Anwältin weiß, die sich in dem Bereich aber hier mittlerweile auch gut zurechtgefunden hat.
Der Gateway Arch und das Busch Stadium gehören zu den eindrucksvollsten Sehenswürdigkeiten der Stadt
Kann ein LL.M.-Titel eine erfolgreiche Promotion im CV ersetzen?
Das hängt ganz davon ab, wo man beruflich hinmöchte. Wer in Deutschland im nicht-internationalen privatwirtschaftlichen Sektor oder im öffentlichen Dienst tätig sein möchte, ist wahrscheinlich mit einer Promotion besser aufgestellt. Im internationalen Tätigkeitsbereich dagegen halte ich einen LL.M. angesichts grenzüberschreitender Sachverhalte und Kontaktfelder für sinnvoller als eine Promotion. Für mich selbst war der Dr. iur in Deutschland beruflich von Vorteil, wohingegen er in den U.S.A. bislang wenig relevant war. Da hat der LL.M. eine größere Bedeutung.
Für internationale Studenten ermöglicht ein erfolgreicher LL.M.-Abschluss den Zugang zur Anwaltszulassungsprüfung in den USA, dem so genannten „Bar Exam“– Inwieweit kann sich diese Zusatzbelastung auch für Studierende auszahlen, die ihre berufliche Karriere nicht in den USA fortsetzen möchten?
In den entsprechenden Umfeldern (Großkanzleien und internationale Unternehmen) lohnt es sich auf jeden Fall.
Der Aufwand ist im Gegensatz zum Staatsexamen ungleich geringer, aber der „Effekt“ kann groß sein, weil es belegt, dass man sich als Nicht-Muttersprachler aus einer fremden Rechtsordnung kommend, erfolgreich und auf Augenhöhe mit Amerikanern behaupten konnte und sichere Kenntnisse im Rechtsenglisch vorweisen kann.
Ich kann mir auch gut vorstellen, dass es im Berufsleben in Deutschland bei internationalen Mandanten oder Kollegen zusätzliches Vertrauen schafft.
Hat dir der LL.M. neue Karrierechancen eröffnet, die dir sonst verwehrt geblieben wären?
Ich denke schon, dass der LL.M. mir zumindest geholfen hat. Bevor ich zu Mastercard ging, habe ich, ebenfalls in St. Louis, bei einem internationalen Chemieunternehmen gearbeitet. Dort war man froh, jemanden zu haben, der den Bereich IP übernehmen konnte. Bei meinem Wechsel zu Mastercard als Technologieunternehmen hat der LL.M. mit Sicherheit auch nicht geschadet.
Warst du von Anfang an auf den Studienort St. Louis festgelegt?
Ja, weil die Washington University einen hervorragenden Ruf genießt und der LL.M. in IP/Technology Law genau meinem Ziel entsprach, mich in diesem Bereich weiter zu spezialisieren. Außerdem gefiel mir St. Louis auch als Stadt sehr gut. Nicht zuletzt war es auch schön, hier über meine Frau bereits ein soziales Netzwerk zu haben.
Die Baseballmannschaft St. Louis Cardinals ist aus der Stadt nicht wegzudenken - auch Marc Fritzsche und seine Frau statten dem Busch-Stadion gerne einen Besuch ab
In und um St. Louis entstand Mitte der 1850er Jahre eine der größten deutschen Communities in den USA. Sind diese Einflüsse noch heute spürbar oder ist mittlerweile das typische US-feeling bestimmend in der Charakteristik der Stadt und ihrer Einwohner?
Die Stadt ist schon recht amerikanisch, dennoch gibt es hier viele deutsche Verbindungen, die man heute noch spürt. Viele Amerikaner haben deutsche Vorfahren oder selbst als Kind in Deutschland gelebt, weil die Eltern beim Militär waren.
Es gibt hier deutsche Stammtische, Vereine deutsch-amerikanischer Städtepartnerschaften, ja sogar Karnevalsvereine. Auch Mai- und Oktoberfest werden jedes Jahr gefeiert.
Ich war und bin immer wieder überrascht, wie viele Deutsche oder deutsch Sprechende man hier trifft. Auch im Umland finden sich deutsche Bezüge: Etwa eine Stunde westlich liegt „Hermann“ eine ursprünglich von deutschen Einwanderern gegründete Kleinstadt, die heute von vielen Ausflüglern wegen ihrer Weingüter besucht wird.
USA oder Europa? Die Kultur der Einwanderer lebt in St Louis weiter - natürlich inklusive Bier!
Nach der schweißtreibenden Arbeit im Hörsaal und der Bibliothek freut sich ja jeder Student auf seine verdiente Auszeit – Was sind die Hotspots der Studierenden in St. Louis?
Das kann ich nur bestätigen und da hat St. Louis Einiges zu bieten. In unmittelbarer Nähe zur WashU gibt es den bei Studenten beliebten „Delmar Loop“ mit vielen Bars und Restaurants. Gleiches gilt für die unweit davon entfernten Stadtteile „Central West End“ und „Clayton“. „The Grove“ ist beliebt zum Weggehen, die Clubs downtown wohl eher weniger. Im Stadtteil „The Hill“ gibt es die besten Italiener. Bemerkenswert ist auch die noch immer wachsende Anzahl von microbreweries. Der Stadtpark „Forest Park“ eignet sich gut zum Spazierengehen, joggen, picknicken oder Golf spielen. Daneben gibt es auch Konzerte, Museen, Festivals usw., es ist eigentlich immer etwas los. Und wer nicht ein Mal im Busch Stadium war, um die „Cardinals“ beim Baseball zu sehen, war eigentlich sowieso nicht richtig in St. Louis.
Lies hier in einem Interview mit dem Dean der Universität, wie man seinen LL.M. am besten finanziert
Was sind deiner Meinung nach die entscheidenden Vorteile der Stadt St. Louis, gerade auch im Hinblick auf die großen Metropolen an der Ost- oder Westküste?
St. Louis ist eine unterschätzte Stadt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen - nicht nur Deutsche, sondern auch Amerikaner – relativ wenig über St. Louis wissen. Es gibt hier zwar (leider) keine Strände, Berge oder weltbekannten Wolkenkratzer, aber mit über 2 Millionen Einwohnern (inklusive Metropolregion) ist es alles andere als eine Stadt „irgendwo im mittleren Westen“. Außerdem sind hier bekannte Unternehmen ansässig, wie z.B. Boeing, Bayer (ehemals Monsanto) oder Mastercard.
Ein entscheidender Vorteil gegenüber den bekannten Metropolen an Ost- und Westküste sind mit Sicherheit die deutlich niedrigeren Lebenshaltungs- und sonstigen Kosten. Das merkt man beim Einkaufen, Essen gehen, Tanken, bei den Miet- und Immobilienpreisen, usw.
Angenehm ist auch, dass St. Louis nicht so überlaufen ist und es ausreichend Wohnraum gibt. Die geographische Lage ist ebenfalls von Vorteil, da die Stadt ja relativ „zentral“ im Land liegt und man nach allen Himmelsrichtungen überschaubare Reisezeiten hat. Meine Frau und ich waren zum Beispiel gerade im Urlaub in Mexiko, was lediglich einen zweistündigen Flug von St. Louis entfernt ist.
Theater und Karneval - für Kulturinteressierte ist immer etwas geboten!
Stichwort Finanzierung. Wie hoch bezifferten sich die laufenden Kosten neben den Studiengebühren und wie hast du diese Fixkosten gestemmt?
Das kommt natürlich ganz auf die individuellen Möglichkeiten und Lebenssituation an. Ich hatte das Glück, dass meine Frau, die berufstätig war, für den Zeitraum meines LL.M. die Mietkosten für unsere Wohnung übernommen hat. Viele Studenten aus meinem Jahrgang haben in Wohngemeinschaften gelebt, was natürlich günstiger war. Zum Leben habe ich in erster Linie auf Ersparnisse zurückgegriffen. Preislich würde ich St. Louis auf jeden Fall günstiger als deutsche Großstädte einstufen.
Besteht für LL.M.-Studenten die Möglichkeit während des Studiums in Kanzleien vor Ort praktische Erfahrungen, zum Beispiel als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Praktikant, zu sammeln?
Einige aus meinem Jahrgang haben nebenbei Praktika in Kanzleien oder bei Richtern gemacht. Die Universität kann hier unter Umständen bei der Praktikumssuche auch helfen. Eine LL.M. Studentin hatten wir als Praktikantin bei meinem früheren Arbeitgeber in der Rechtsabteilung.