Nachwuchsprobleme: Konkurrenz mit Großkanzleien und der Wirtschaft
Die Politik hat versucht, auf die aktuellen Probleme der Justiz zu reagieren und mehr Personal versprochen. Im Koalitionsvertrag wurde die Schaffung von 2.000 neuen Richterstellen vereinbart. Passiert ist allerdings bisher nichts, weil sich Bund und Länder noch nicht über die Finanzierung einigen konnten. Einige Bundesländer haben unabhängig davon in den letzten Jahren das Personal in der Justiz aufgestockt.
Die Suche nach geeigneten Bewerbern gestaltet sich jedoch zum Teil schwierig. Angesichts der anstehenden Pensionierungswelle wird der Staat auf zahlreiche Absolventen angewiesen sein. Bis 2030 werden nach Einschätzungen des Deutschen Richterbundes etwa 40 Prozent der Juristen in Deutschland aus dem Dienst ausscheiden. Für die Justiz bedeutet dies, dass mehr als 10.000 Richter und Staatsanwälte in den nächsten elf Jahren pensioniert werden. Diese Stellen müssen dann neu besetzt werden.
Hier stellt sich jedoch das Problem, dass die Zahl der Jura-Absolventen mit zwei Staatsexamina seit Jahren sinkt. Weniger Menschen beginnen das Studium, die Abbruchquote steigt und immer mehr Absolventen entscheiden sich, ihre Ausbildung nach dem ersten Staatsexamen zu beenden und kein zweites zu machen. Der Staat hat entsprechende Schwierigkeiten, geeigneten Nachwuchs zu finden.
Nur die Besten sollen für die Justiz in Frage kommen. Nach Angaben des Deutschen Richterbundes gibt es jährlich zurzeit nur etwa 1.500 Absolventen mit einem Prädikat im zweiten Staatsexamen. Um die kämpfen aber auch Großkanzleien und andere Unternehmen. Insbesondere das von Kanzleien angebotene Gehalt ist deutlich höher als die Richterbesoldung. Der Staat kann angesichts der hohen Belastung der Justiz auch nicht mehr in gleichem Maße mit angenehmen Arbeitsbedingungen punkten wie noch vor einigen Jahren.
Deshalb müsste die Politik dafür sorgen, dass der Staat als Arbeitgeber nicht zu unattraktiv wird. Auch wenn sich ein Absolvent eine Karriere außerhalb der Wirtschaft vorstellen kann, bleibt immer noch die Konkurrenz der Justiz mit Verwaltung und Ministerien. Dort werden ebenfalls qualifizierte Juristen gesucht.
Mögliche Konsequenzen einer überlasteten Justiz
Personalmangel in der Justiz kann zu zahlreichen Problemen führen. Wenn Verfahren über einen längeren Zeitraum nicht durchgeführt werden, kann dies vor allem im Bereich des Strafrechts drastische Konsequenzen haben. Nicht alle Straftaten können effektiv verfolgt werden, das könnte insbesondere kleinere „Bagatelldelikte“ betreffen. Schon die Nichtverfolgung dieser Straftaten kann das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz und in den Rechtsstaat gefährden.
Noch problematischer ist es, wenn Verdächtige wegen eines zu langen Verfahrens aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen, obwohl hinreichende Anhaltspunkte für eine schwere Straftat vorliegen.
Die Untersuchungshaft darf in der Regel maximal sechs Monate dauern, dann muss der Prozess beginnen. Ansonsten muss der Untersuchungshäftling wieder freigelassen werden. Auch in anderen Rechtsgebieten drohen Probleme. Wenn Bürger in Zivil- oder Verwaltungsverfahren lange auf ein Urteil warten müssen, kann dies für sie sehr frustrierend und belastend sein.