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Veröffentlicht am 22.04.2024

Kartellrecht verstehen: Grundlagen, Entwicklungen und vertiefendes Wissen für Jurist:innen

Ein-Mal-Eins des Kartellrechts und Berufsaussichten für Anwält:innen

Kartellrecht, Wettbewerbsrecht oder auch Antitrust: Dieses Rechtsgebiet gehört typischerweise nicht zum juristischen Pflichtfachstoff und wird daher in der Juristenausbildung, wenn überhaupt, nur am Rande behandelt. Dabei spielt das Kartellrecht gerade in der Beratung von Unternehmen eine herausragende Rolle. Wenn du dich fragst, was hinter diesem Rechtsgebiet steckt und du mehr über potenzielle Tätigkeitsfelder für Jurist:innen im Kartellrecht erfahren möchtest, dann ist dieser Artikel genau das Richtige für dich.

Die nachfolgenden Inhalte geben dir zunächst einen Überblick über das Ein-Mal-Eins des Kartellrechts aus nationaler- und europäischer Sicht und zeigt dir Anschluss daran auf, welche spannenden Tätigkeiten du als Jurist:in im Kartellrecht wahrnehmen kannst.

Entwicklung 

Auch wenn der Begriff “Recht” im Wort Kartellrecht eine rein juristische Disziplin vermuten lässt, so ist dessen Entwicklung und die Bewertung kartellrechtlicher Fragestellungen mindestens  einer weiteren Wissenschaft zuzuschreiben: der Ökonomie.

Ein kleiner Sprung in die Geschichte: Der Ursprung des Kartellrechts geht auf die Vereinigten Staaten zurück, wo sich unter dem Einfluss der industriellen Zeitenwende zum Ende des 19. Jahrhunderts erstmals auf der Welt eine Antitrust-Gesetzgebung entwickelte. Jahrzehnte zuvor beschäftigen sich bereits Ökonom:innen in verschiedenen Theorien mit dem Funktionieren von Märkten. Sie untersuchten dabei zentral den Einfluss und die Auswirkungen von Wettbewerb auf Wirtschaft und Konsumentenwohlfahrt.

Im Mittelpunkt der Untersuchungen von Adam Smith, David Ricardo, John Maynard Keynes und Co. stand dabei folgende philosophisch anmutende Fragestellung: Sollte Wettbewerb frei oder fair sein? Die dahinterstehende Theorie lautet, dass vollkommen freier Wettbewerb nicht fair sei, da große Unternehmen ihre Marktmacht zum Nachteil kleinerer Konkurrenten sowie Konsument:innen ausnutzen würden. Fairer Wettbewerb hingegen sei nicht frei, da er marktmächtigen Unternehmen Verhaltensregeln auferlege, um gerechte Marktbedingungen zu schaffen.

Unter Ökonom:innen ist mittlerweile anerkannt, dass freier Wettbewerb zu einer größtmöglichen Maximierung der gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt beiträgt. Allerdings erkennen Staaten zunehmend weitere Zwecke an, die eine Marktordnung zum Wohle ihrer Bevölkerung erfüllen sollten, wie zum Beispiel soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit. In diesem Sinne kommt dem Kartellrecht die Aufgabe zu, den rechtlichen Rahmen für eine Wettbewerbsordnung zu schaffen – und zu erhalten, welche Wirtschaftswachstum mit übergeordneten Zielen vereinbart.

Unter dem Einfluss voranschreitender Globalisierung haben sich mittlerweile in fast allen global agierenden Jurisdiktionen der Welt eigene Kartellrechtsordnungen entwickelt. In den USA herrscht traditionell ein eher freiheitsorientierter Rechtsrahmen vor, wohingegen die Europäische Union (EU) nach dem Vorbild der deutschen Kartellrechtsordnung eine soziale Marktwirtschaft mit Fokus auf die Integrität des EU-Binnenmarktes verfolgt.

In den folgenden Abschnitten erläutern wir dir die Umsetzung dieser Rechtsordnung im Detail.
 

Rechtliche Grundlagen

Wie in der Einleitung bereits angedeutet, verfügen fast alle auf globalen Märkten auftretende Länder der Welt über nationale Wettbewerbsgesetze. Der Anwendungsbereich dieser Gesetze bestimmt sich überwiegend nach dem so 
genannten “Auswirkungsprinzip”, auch “effects doctrine” genannt. Einfach gesagt bedeutet dies, dass das Kartellrecht jener Jurisdiktion Anwendung findet, auf dessen Territorium sich das vermeintlich kartellrechtswidrige Verhalten auswirkt. 

Treffen sich zum Beispiel Vertreter eines deutschen und eines französischen Unternehmens in einem Hotel in Polen, um ein Preiskartell zu vereinbaren, welches sich alleine auf die Preise im mexikanischen Markt auswirkt, so findet weder Polnisches, noch Deutsches, Französisches oder Europäisches Kartellrecht Anwendung, sondern einzig Mexikanisches.

Das Kartellrecht innerhalb der Deutschen wie auch der Europäischen Rechtsordnung wird in drei Säulen unterteilt: 

  1. Wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen (Kartellverbot)
  2. Missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung (Missbrauchsaufsicht)
  3. Fusionskontrolle

Im Verhältnis zu nationalem Kartellrecht der EU-Mitgliedstaaten findet Europäisches Wettbewerbsrecht dabei immer dann Anwendung, wenn der zwischenstaatliche Handel innerhalb des EU-Binnenmarktes betroffen ist. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) legt diese Voraussetzung für die ersten beiden Säulen in ständiger Rechtsprechung allerdings sehr weit aus, sodass praktisch in jedem Fall Europäisches Kartellrecht Anwendung findet. Dies ist der Grund, weshalb sich Jurist:innen, die im Kartellrecht tätig sind, unbedingt auch mit dem Europäischen Kartellrecht vertraut machen sollten.

Darüber hinaus findet im Anwendungsbereich der ersten beiden Säulen des EU-Kartellrechts mitgliedstaatliches nationales Kartellrecht parallel Anwendung (siehe Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003). Inwiefern mitgliedstaatliche Abweichungen von den unionsrechtlichen Vorschriften allerdings zulässig sind, ist im Anwendungsbereich der beiden Säulen unterschiedlich zu bewerten (siehe unten). 

Im Folgenden soll auf die drei Säulen des Kartellrechts und das Verhältnis zwischen deutschem und europäischem Kartellrecht näher eingegangen werden.

1. Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen (Kartellverbot)


a) Verhältnis zwischen nationalem und europäischem Recht

Auf nationaler Ebene sind wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen im GWB geregelt. Die weitestgehend identisch lautenden europäischen Vorschriften über wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen finden sich in Art. 101 AEUV.

Wie oben erwähnt, finden mitgliedstaatliche Vorschriften auch bei Eröffnung des europäischen Anwendungsbereiches parallel Anwendung. Im Rahmen der ersten Säule treten allerdings nationale Vorschriften, die von Art. 101 AEUV abweichen, im Wege des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts zurück. Auch strengere nationale Vorschriften im Rahmen der ersten Säule finden bei paralleler Anwendbarkeit von Unionsrecht daher keine Anwendung. In der Praxis führt dies dazu, dass Behörden und Gerichte im Zweifel das Unionsrecht anwenden und das mitgliedstaatliche Recht in dessen Lichte auslegen, um Konflikte mit dem Prinzip des Anwendungsvorrangs zu vermeiden.


b) Sachlicher Anwendungsbereich

Art. 101 Abs. 1 AEUV sieht vor, dass wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen grundsätzlich verboten sind. Anknüpfungspunkt ist dabei die Wettbewerbsbeeinträchtigung als solche, wobei es nicht auf eine darauf gerichtete Absicht der Parteien ankommt. Klassischerweise fallen hierunter Kartellabsprachen zwischen Konkurrenten bezüglich Verkaufspreisen oder der Aufteilung von Märkten.

Allerdings können auch solche Vereinbarungen erfasst sein, die auf den ersten Blick nicht offensichtlich wettbewerbswidrig erscheinen. Insbesondere vertikale Vereinbarungen zwischen Unternehmen auf unterschiedlichen Produktions- oder Vertriebsstufen, die den Vertrieb von Produkten regeln, fallen grundsätzlich darunter – beispielsweise Mindestpreisbindungen, vgl. Art. 4 lit. a Vert-GVO. Vereinbart zum Beispiel ein Hersteller von Sportschuhen mit seinem Vertriebspartner, dass dieser die Schuhe nur auf dem deutschen Markt anbieten und verkaufen darf, stellt dies zunächst einmal eine Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 101 Abs. 1 AEUV dar. Denn die Vereinbarung bewirkt, dass der Vertriebspartner die Produkte nicht auf benachbarten Märkten anbieten darf, was den freien Wettbewerb im Binnenmarkt behindert.

Im Rahmen der Verfolgungspraxis hat die zuständige Wettbewerbsbehörde das Vorliegen einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung nach Art. 101 Abs. 1 AEUV zu beweisen. Art. 101 Abs. 3 AEUV sieht hingegen vor, dass sich das beschuldigte Unternehmen von der Verbotswirkung des Absatzes 1 exkulpieren kann. Hierzu muss es wiederum beweisen, dass die Wettbewerbsbeschränkung unter Beteiligung der Verbraucher in angemessener Weise die dort genannten Gemeinwohlzwecke fördert.

Beispiele dafür finden sich unter anderem in den sogenannten Gruppenfreistellungsverordnungen. Diese werden von der Europäischen Kommission als zuständige Wettbewerbsbehörde auf europäischer Ebene erlassen. So sieht etwa die Gruppenfreistellungsverordnung für Forschung und Entwicklung (Verordnung (EU) 2023/1066 vom 01. Juni 2023) vor, dass Forschungsvereinbarungen zwischen Unternehmen bei Vorliegen der darin geregelten Voraussetzungen von dem Verbot der wettbewerbswidrigen Vereinbarung befreit sind. Dies hat den Hintergrund, dass Forschung und Entwicklung Innovation fördert, was wiederum dem Verbraucher durch neue und verbesserte Produktangebote zugutekommt. Demgegenüber treten die durch Forschungs- und Entwicklungskooperationen drohenden negativen Effekte, wie zum Beispiel verminderter Wettbewerbsdruck, zurück. Maßgebliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Gruppenfreistellungsverordnungen ist allerdings in jedem Fall, dass die beteiligten Unternehmen bestimmte darin geregelte Marktanteile nicht überschreiten. Ansonsten kann nicht von der allgemein gültigen Vermutung der Unschädlichkeit solcher Vereinbarungen für den Wettbewerb ausgegangen werden.

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2. Missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung (Missbrauchsaufsicht)


a) Verhältnis zwischen nationalem und europäischem Recht

Die zweite Säule des Kartellrechts betrifft die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Auf nationaler Ebene ist dies im GWB geregelt. Die Europäische Vorschrift findet sich in Art. 102 AEUV.

Ein weiterer Unterschied zur ersten Säule rührt aus der Anwendung mitgliedstaatlicher Vorschriften bei gleichzeitiger Eröffnung des EU-Anwendungsbereiches. Anders als bei wettbewerbswidrigen Vereinbarungen ist bei der Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung strengeres mitgliedstaatliches Recht auch bei Eröffnung des Anwendungsbereiches von Artikel 102 AEUV gleichzeitig anwendbar (siehe hierzu Art. 3 Absatz 2 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003). So sehen etwa die deutschen Vorschriften einen erweiterten persönlichen Anwendungsbereich vor, in dem auch Unternehmen als “marktbeherrschend” behandelt werden, die nach Artikel 102 AEUV unterhalb dieser Schwelle liegen würden.


b) Sachlicher Anwendungsbereich

Im Gegensatz zur ersten Säule der wettbewerbswidrigen Vereinbarungen liegt der Schwerpunkt des Vorwurfs hier auf einem einseitigen Verhalten. Verboten ist danach die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung.

Hervorzuheben ist, dass der Anwendungsbereich von Art. 102 AEUV gegenwärtig im EU-Rechtsraum besondere Relevanz erfährt, nachdem der EU-Gesetzgeber verschiedene Instrumente eingeführt hat, um gezielt die Ausnutzung von Marktmacht durch Big Tech Unternehmen wie Apple, Amazon und Co. zu stoppen. Hierzu zählt beispielsweise die Einführung des Gesetzes über digitale Märkte (Digital Markets Act, oder DMA) im November 2022. Dieses ermöglicht insbesondere die Einstufung großer Online-Plattformen als sogenannte Gatekeeper, ungeachtet des Vorliegens eines Kartellverstoßes. Die Einstufung hat wiederum zur Folge, dass Gatekeeper als marktbeherrschende Unternehmen besondere Pflichten erfüllen müssen und bestimmte Verhaltensweisen für sie verboten sind. Die Europäische Kommission hat bereits Tech-Giganten wie Alphabet, Amazon, Apple, Meta und Microsoft im Rahmen des DMA als Gatekeeper benannt.

Im März 2024 verhängte die Kommission dann auf eine Beschwerde von Spotify gegen Apple eine 1,8 Milliarden-Euro Strafe, weil Apple seine marktbeherrschende Stellung für den Vertrieb von Musikstreaming-Apps im eigenen App Store missbraucht habe. Insbesondere habe Apple App-Entwickler daran gehindert, Apple-Nutzer:innen über günstigere Anbieter von Musikabo-Diensten zu informieren, um die eigenen Dienste zu bevorzugen.

3. Fusionskontrolle


a) Verhältnis zwischen nationalem- und europäischem Recht

Die Fusionskontrolle als dritte Säule des Kartellrechts verfolgt das Ziel, die Entstehung marktbeherrschender Unternehmen durch Zusammenschlüsse präventiv zu verhindern, wenn von dem Zusammenschluss die Gefahr einer Wettbewerbsverfälschung ausgeht.
Die deutsche Zusammenschlusskontrolle ist im GWB geregelt, wohingegen sich die europäische Fusionskontrolle nach Verordnung (EG) Nr. 139/2004 (Fusionskontrollverordnung) bestimmt. 

Anders als im Rahmen der ersten beiden Säulen gibt es keine parallele Anwendung von nationalen- und europäischen Fusionskontrollvorschriften. Vielmehr gilt hier das Ausschließlichkeits- bzw. Exklusivitätsprinzip. 

Ob nationale Wettbewerbsbehörden oder die Europäische Kommission zuständig sind, bestimmt sich demnach durch die Fusionskontrollverordnung. Diese ist auf “Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung” anwendbar. In der Praxis richtet sich diese Voraussetzung nach der Größe des Zusammenschlusses, welche anhand darin bestimmter Umsatzschwellen der beteiligten Unternehmen bestimmt wird. Geht die Europäische Kommission nach diesen Umsatzschwellen daher von einem Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung aus, ist sie ausschließlich nach der Fusionskontrollverordnung zuständig.

Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, kann das Bundeskartellamt seine Zuständigkeit annehmen. Allerdings besteht zwischen der Kommission und den mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden auch die Möglichkeit, ungeachtet der Umsatzgrenzen Fälle zu verwiesen. So kann die Kommission beispielsweise Fälle unter bestimmten Bedingungen an eine mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden (zurück)verweisen oder umgekehrt.


b) Sachlicher Anwendungsbereich

Die Fusionskontrolle ist sowohl nach deutschem als auch nach europäischem Recht ein ex ante Instrument, um die Auswirkungen geplanter Unternehmenszusammenschlüsse auf den Wettbewerb zu überprüfen. Um das Bundeskartellamt oder die Europäische Kommission in die Lage zu versetzen, eine solche Untersuchung durchzuführen, sind Fusionen entsprechend vorher anzumelden.

Eine Untersuchung erfolgt sowohl nach der Fusionskontrollverordnung als auch nach dem GWB grundsätzlich nur, wenn bestimmte Umsatzschwellen erreicht sind, welche in beiden Gesetzestexten entsprechend geregelt sind.

Kommt das Bundeskartellamt oder die EU-Kommission aufgrund seiner/ ihrer Prognoseentscheidung zu dem Ergebnis, dass sich der Zusammenschluss negativ auf den Wettbewerb im deutschen Markt – beziehungsweise im europäischen Binnenmarkt – auswirken wird, so kann die jeweilige Behörde den Zusammenschluss verbieten. Häufig erlegen das Bundeskartellamt oder die Europäische Kommission den betroffenen Unternehmen Auflagen auf, unter Einhaltung derer der Zusammenschluss genehmigt wird.

So hat das Bundeskartellamt zum Beispiel die Fusionsfreigabe der Kinoketten CinemaxX und Cinestar unter der Auflage erteilt, dass zuvor Kinos der Kinobetreiber an sechs verschiedenen Standorten an andere Betreiber veräußert werden. Das Bundeskartellamt hat so verhindern wollen, dass die Fusion einen zu hohen Marktanteil in diesen sechs Regionen bewirkt, welche den wirksamen Wettbewerb behindern würde.

Hervorzuheben ist, dass der Anwendungsbereich von Art. 102 AEUV gegenwärtig im EU-Rechtsraum besondere Relevanz erfährt, nachdem der EU-Gesetzgeber verschiedene Instrumente eingeführt hat, um gezielt die Ausnutzung von Marktmacht durch Big Tech Unternehmen wie Apple, Amazon und Co. zu stoppen.

Mögliche Tätigkeitsfelder für Jurist:innen 

Wenn dieser Artikel deine Begeisterung für das Kartellrecht wecken konnte, kannst du dich auf gute Neuigkeiten freuen: Denn der juristische Arbeitsmarkt bietet vielseitige Möglichkeiten, einer Tätigkeit mit kartellrechtlichem Schwerpunkt nachzugehen.

Zum einen bietet das Bundeskartellamt mit Sitz in Bonn spannende Aufgabenfelder mit unmittelbarem Praxisbezug und Gestaltungsmöglichkeiten. Das Bundeskartellamt schreibt regelmäßig Stellen für Volljurist:innen aus, sodass sich ein Blick auf das Stellenportal in jedem Fall lohnt. 

Wenn du dich für eine Tätigkeit bei der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission interessierst, kannst du zum Beispiel über ein bezahltes Praktikum einen ersten Einblick gewinnen. Auch bieten grundsätzlich alle EU-Institutionen die Möglichkeit an, eine Referendarstation zu absolvieren. 

Was den Anwaltsberuf angeht, gibt es zwar keine Fachanwaltsausbildung im Wettbewerbs- und Kartellrecht. Allerdings betreibt so gut wie jede Wirtschaftskanzlei gleich welcher Größe eine Fachabteilung für Kartellrecht. Die Tätigkeitsschwerpunkte hängen in diesem Fall natürlich von der Ausrichtung und Größe der jeweiligen Kanzlei ab. Grundsätzlich kannst du aber davon ausgehen, im Rahmen dieser Tätigkeit zu Transaktionen und Kooperationen, vor allem im Tech-, Pharma-, und Telekommunikationsbereich zu beraten.

Ein weiteres spannendes Tätigkeitsfeld mit Bezug zum Kartellrecht eröffnet sich für Volljurist:innen in Rechtsabteilungen. Insbesondere in Tech- und Pharmakonzernen ist ein fundiertes Wissen im Kartellrecht essenziell. Dies gilt vor allem in der Beratung zu Lizenzverträgen und Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Wer sich für Kartellrecht in der Unternehmenspraxis interessiert und noch keine Vorkenntnisse in diesem Rechtsgebiet hat, dem sei diese Lektüre sehr ans Herz gelegt: “Kartellrecht in der Unternehmenspraxis - Was Management, Compliance und Rechtsberater wissen müssen”, von Thomas Kapp, Sebastian Janka und Guido Jansen, 4. Auflage 2021, Springer Gabler Verlag.

Die Gehaltsaussichten für Anwält:innen im Kartellrecht sind auch nicht zu verachten: Da im Kartellrecht oft mit sehr hohen Beträgen gehandelt oder gestritten wird – beispielsweise wurde eine Strafe gegen den LKW-Hersteller Scania in Höhe von etwa 880,5 Millionen Euro verhängt – ist auch das Honorar beratender Jurist:innen entsprechend hoch. Auch große Fusionen können einen hohen Stundensatz mit sich bringen – aber auch ein hohes Arbeitspensum, insbesondere in brenzligen Situationen.

Bei einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn ist die Arbeit in einer Kontrollinstanz – bei Gericht oder dem Bundeskartellamt  – für dich wahrscheinlich zufriedenstellender. Im Kartellrecht erlebt man, wie Wirtschaftstrends, Marktmacht und Geld zusammenspielen.



Wie dieser Ausblick zeigt, bietet das Kartellrecht Jurist:innen spannende Aufgabenbereiche mit ausgeprägtem internationalem Bezug. Durch die Schnittstelle zu ökonomischen Fragestellungen eröffnet dir dieses Rechtsgebiet einen neuen Blickwinkel auf wirtschaftliche Sachverhalte, etwa im Rahmen von Marktabgrenzungen und der Bewertung von Auswirkungen unternehmerischen Handelns auf den Wettbewerb. Wenn du also gerne über den juristischen Tellerrand hinausschaust, könnte das Kartellrecht genau die richtige Disziplin für dich sein.