Dr. Thomas Hoffmann (o.l.) leitet gemeinsam mit einem Partner die Noerr-Praxisgruppe Restrukturierung & Insolvenz, die in Unternehmenskrisen berät. Zu den Mandanten zählen Gläubiger, die um ihre Forderungen fürchten, die Investoren, die neues Kapital einbringen, und oft auch Unternehmen selbst. Es ist, so Hoffmann, wie bei einem Unfallchirurgen: Immer geht es um Soforthilfe, die das Überleben sichert.
Sarah Wolf (o.m.) ist seit April 2020 Partnerin bei Anchor Rechtsanwälte. Als erfahrene Insolvenzverwalterin leitet sie den Standort Duisburg, einen von 13 Standorten bundesweit. Für die drohende Insolvenzwelle sieht
Frau Wolf sich und ihre Kanzlei gut gerüstet.
Dr. Diana Schoch (o.r.) ist seit drei Jahren als Rechtsanwältin im Restrukturierungs- und Insolvenzrecht im Frankfurter Büro von Clifford Chance tätig. Sie schätzt insbesondere die Vielfalt dieses Rechtsgebiets – “von Gesellschafts- über Schuld- und Sachenrecht bis hin zu spezifischen insolvenzrechtlichen Fragen machen wir sehr viel klassisches Jura" – und die mit ihm einhergehenden wirtschaftlichen Überlegungen, die für Krisenunternehmen besonders wichtig sind.
Herr Dr. Hoffmann, die derzeitige Situation ist mit Sicherheit einzigartig, selbst für Noerr. Lassen sich dennoch Parallelen zu vergangenen Krisen erkennen für Ihre Arbeit?
Thomas Hoffmann: Nein. Anders als in der Finanzkrise nach 2008 werden die betroffenen Unternehmen einerseits mit staatliche Krediten am Leben gehalten, andererseits sind aber auch die Insolvenzantragspflichten (inzwischen nur noch partiell) ausgesetzt. Da baut sich eine riesige Lawine auf, die der Gesetzgeber mit einem neuen Sanierungsgesetz, dem Restrukturierungsrahmen, auffangen will – auch ganz neu. Wir sind alle sehr gespannt, ob es funktionieren wird.
Frau Schoch, nicht selbstverschuldete Wirtschaftskrisen wie derzeit bilden tendenziell die Ausnahme. Wie stellt sich diese Situation für Sie am Anfang der Karriere dar und welche Erkenntnisse ziehen Clifford Chance und Sie für Ihre Arbeit und sich selbst hieraus?
Diana Schoch: Richtig, im regulären Marktumfeld sind die Krisen der Unternehmen in der Regel selbstverschuldet, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Ich konnte bis zu der Covid 19-Pandemie schon ca. zwei Jahre lang erste Erfahrungen als Anwältin mit Unternehmenskrisen sammeln; dies war sicherlich hilfreich, um die nun doch außergewöhnliche Situation besser einordnen zu können. Anders als unter regulären Umständen sind nun einige Unternehmen in eine kritische Situation geraten, die nicht schon seit längerer Zeit operativen und finanziellen Problemen ausgesetzt waren, sondern die von der eigenen Krise mit einer besonderen Intensität ohne Vorbereitung getroffen wurden. Liquidität war hier das Gebot der Stunde.
Hier galt es vor allem, schnelle Finanzierungsmöglichkeiten über staatliche Hilfsprogramme zu ermöglichen und entweder die Unternehmen selbst oder Finanzgläubiger in dieser für alle Beteiligten außergewöhnlichen Zeit, effektiv und zügig mit unserer Beratung zu unterstützen.
Frau Wolf, eine Insolvenz bedeutet für Unternehmen und Private oft das Ende des souveränen Wirtschaftens. Wie ist dies bei der coronabedingten Krise? Erkennen Sie Parallelen zu ähnlichen Situationen in der Vergangenheit und wie geht das Team bei Anchor damit um?
Sarah Wolf: Die Insolvenz ist häufig eine Entscheidung nach einem langen und schweren Weg. Oftmals bedeutet diese Entscheidung dann auch eine Erleichterung für die Unternehmer, weil sie ab diesem Moment nicht mehr alleine verantwortlich sind. Sie haben nun Berater, Sachwalter, Insolvenzverwalter an ihrer Seite, die sich um die Einhaltung von unterschiedlichsten Regeln kümmern. Bei Unternehmen, die derzeit coronabedingt in die Krise geraten sind, ist der Weg in die Insolvenz oft sehr kurz. Häufig haben Umstände außerhalb des Unternehmens zur Krise geführt. Auf Unternehmensseite ist die Situation aber vermutlich gleich belastend. Bei coronabedingten Krisenursachen ist es derzeit wesentlich herausfordernder Betriebe zu retten, denn niemand weiß wie lange die Pandemie noch andauern wird.