Prof. Dr. Thomas Mayen, Dolde Mayen & Partner, ist ein gefragter Experte für Öffentliches Recht in der Rechtsberatung und in der Wissenschaft. Zu seinen Arbeitsgebieten gehört auch das Thema Künstliche Intelligenz (KI). Der Namenspartner der Sozietät in Bonn und Stuttgart legt dar, wie sich KI und Digitalisierung auf das Öffentliche Recht auswirken. Und er betont, wie wichtig es ist, den Berufsnachwuchs auf die anspruchsvollen Aufgaben unserer dynamischen Zeit vorzubereiten; unter anderem mit einem Training der persönlichen Stärken und kommunikativen Kompetenzen.
Vorhang auf, Spot an! Herr Professor Mayen, künstliche Intelligenz ist derzeit das Topthema in aller Munde. Inwieweit tangiert KI Sie in Ihren Arbeits- und Forschungsgruppen als gefragten Experten für Öffentliches Recht?
Künstliche Intelligenz wird einen Paradigmenwechsel im Verwaltungsrecht einläuten. Die ersten Vorboten erreichen schon die Verwaltungspraxis. Auch öffentliche Behörden und Einrichtungen der mittelbaren Staatsverwaltung erkennen zunehmend die Zeichen der Zeit.
Der vollständig automatisierte Erlass von Verwaltungsakten ist in der Finanz- und Sozialverwaltung schon Realität. Und die Entwicklung wird dort nicht stehenbleiben. Ich werde mittlerweile nicht nur eingeladen, in Forschungsprojekten zu diesen Themen mitzuwirken. Wir betreuen konkrete Mandate, in denen wir den Prozess der Implementierung von KI in die behördlichen Entscheidungsprozesse als anwaltliche Berater begleiten.
Digitalisierung und künstliche Intelligenz stellen nicht nur Unternehmen und Informatiker vor große Herausforderungen. Welche Kernfragen beschäftigen Sie und welche Anforderungen leiten Sie für den Gesetzgeber daraus ab?
Sie kennen die alte Geschichte vom Zauberlehrling. Er gewinnt keine Kontrolle mehr über den Besen, den er hervorgezaubert und zur Arbeit ertüchtigt hat. Im Grunde verhält es sich mit KI und Digitalisierung in verwaltungsrechtlichen Entscheidungsprozessen ähnlich.
Ein Beispiel: Dürfen Algorithmen Verwaltungsakte erlassen? § 35a Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) lässt dies grundsätzlich für die gebundene Verwaltung zu. Wie passt dies noch zu der Idee vom Letztentscheidungsrecht einer demokratisch legitimierten Person? Wie kann die Behörde Verantwortung übernehmen gegenüber Parlament und Regierung, wenn weder sie noch der Programmierer selbst in der Lage sind, die Algorithmen zu kontrollieren?
Und: Können wir KI auch bei komplexen Planungsentscheidungen einsetzen? Sicher „rechnet“ der Algorithmus die verschiedenen Planungsalternativen in ihren Konsequenzen fehlerfrei „aus“. Aber darf er auch die Abwägungsentscheidung treffen?
Dolde Mayen & Partner ist auf Öffentliches Recht spezialisiert. Wie wirken sich die Entwicklungen der letzten Jahre, wie zum Beispiel die DSGVO und intelligente Netzwerke, auf Ihre Beratertätigkeit aus?
Es läuft ab wie fast immer: Neue Technologien drängen auf den Markt; Betreiber und Anwender wollen sie einsetzen, müssen sich aber vorher rechtlich absichern. Sie schalten deshalb Anwälte ein. Diese sind es dann, die sie erstmals mit der rechtlichen Realität konfrontieren.
Das schlägt bei uns zunächst meist in Form von Gutachtenaufträgen auf und kann bis dahin gehen, dass wir Vorschläge für Rechtsvorschriften ausarbeiten. Unsere Verantwortung ist es dann, rechtliche Risiken zu identifizieren und Lösungen zu entwickeln.