Der Streit um das Kopftuch ist ein Dauerbrenner, der sowohl die Politik als auch die Gerichte seit nunmehr Jahren beschäftigt. Den großen Anfang machte wohl die Frage, inwieweit muslimische Lehrerinnen im Unterricht ein Kopftuch tragen dürfen. Daraufhin entfachten auch Diskussionen darüber, ob muslimische Frauen in sonstigen öffentlichen Ämtern überhaupt ein Kopftuch tragen dürfen. Nun hat sich eine muslimische Juristin gegen ein Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen gewehrt.
Der Sachverhalt
Im Freistaat Bayern gilt seit einigen Jahren eine Auflage des Oberlandesgerichts München, wonach muslimische Juristinnen während ihres Referendariats im Gerichtssaal kein Kopftuch tragen dürfen. Dabei hat sich das OLG München an einer Verordnung des bayerischen Justizministeriums von 2008 orientiert, die ein entsprechendes Kopftuchverbot für Tätigkeiten mit Außenwirkung vorsieht. Die allgemeine Begründung liegt darin, dass
„Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale das Vertrauen in die religiös-weltanschauliche Neutralität der Dienstausübung beeinträchtigen können.“
Die muslimische Klägerin trägt Kopftuch und sieht sich deshalb von dieser Auflage diskriminiert und stigmatisiert. Aus diesem Anlass hat die seit 2014 im Oberlandesgerichtsbezirk München als Referendarin tätige Klägerin ordnungsgemäß Klage vor dem Verwaltungsgericht Augsburg gegen diese Auflage erhoben. Daneben hat sie außerdem eine Amtshaftungsklage beim zuständigen Landgericht eingereicht, die auf ein Schmerzensgeld i.H.v. 2.000 Euro gerichtet ist.
Die Entscheidung des VG Augsburg
Das VG Augsburg hat am 30.06.2016 (Az.: Au 2 K 15.457) mit Urteil entschieden, dass das in Bayern praktizierte Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen unzulässig sei. Dieses Kopftuchverbot stelle einen erheblichen Eingriff in die Religionsfreiheit sowie in die Berufsfreiheit (bzw. Ausbildungsfreiheit) dar, welcher zur Rechtfertigung einer entsprechenden Rechtsgrundlage bedarf. Eine solche Rechtsgrundlage sei jedoch nicht gegeben; die Verordnung des bayrischen Justizministeriums sei dafür nämlich nicht ausreichend. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bedürfe es vielmehr eines formellen Parlamentsgesetzes, um Rechtsreferendare zu einer weltanschaulich-religiösen Neutralität zu verpflichten (vgl. dazu sog. Kopftuchurteil, BVerfGE 108, 282, 294).
Das VG Augsburg hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München zugelassen. Der bayrische Justizminister Winfried Bausback (CSU) kündigte deshalb nach dem Urteil an, dass man das Rechtsmittel der Berufung einlegen werde, weil man „das Ergebnis so nicht stehen lassen“ könne, da sich „jede Partei, jeder Angeklagte und jeder sonstige Verfahrensbeteiligte, der der Dritten Gewalt im Gerichtssaal gegenüber steht“, auf „die Unabhängigkeit, die Neutralität und erkennbare Distanz der Richter und Staatsanwälte vertrauen können“ müsse und für Referendare im Gerichtsaal deshalb nichts anderes gelten könne.
Ein Termin für die Verhandlung in der Berufung besteht jedoch noch nicht.
Ist damit nun ein Ende des „ewigen Streits“ in Sicht?
Das Urteil des VG Augsburg umschifft das Kernproblem der Diskussion:
Auf der einen Seite steht die „Neutralität des Staates“, also die Trennung von Religion und Staat; auf der anderen Seite steht hingegen die Religionsfreiheit.
Der Knackpunkt dieser Entscheidung liegt jedoch auch an einer anderen Stelle, namentlich die fehlende Rechtsgrundlage. Das Berufungsgericht wird deshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Kernproblem der Diskussion ebenso unbeachtet lassen.
Die Tendenz geht jedoch Richtung „Pro Kopftuchverbot“. Nicht nur haben nach dem Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts viele Bundesländer sog. Neutralitätsgesetze erlassen, durch den aktuellen Fall ist der Streit außerdem in eine neue Runde gegangen:
Richter-Verbände sprechen sich für ein Kopftuchverbot für Richterinnen aus
Der Bund Deutscher Verwaltungsrichter sowie der Deutsche Richterbund sehen bei Richterinnen mit Kopftuch die Gefahr, dass das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Justiz erschüttert werden könnte, insbesondere wenn die Prozessparteien eine andere religiöse Überzeugung als den Islam haben. Sie rufen den Gesetzgeber auf, eine ausgleichende Lösung zu finden, der die staatliche Neutralität gewährt. Nach Angaben von Herrn Dr. Robert Seegmüller, Vorstand des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter, müsse eine damit verbundene Beschränkung der Religionsfreiheit in Gesetzesform erfolgen, möglicherweise sei dazu auch eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich. Der seit dem 28.04.2016 Vorsitzende des Deutschen Richterbundes Jens Gnisa erklärt ferner, dass sich solch eine Regelung dann allerdings auf alle vergleichbaren religiösen Kleidungsstücke oder Symbole beziehen müsse.
Damit geht der Streit um ein generelles Kopftuchverbot in eine neue Runde. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich diese Positionierung weiterentwickelt und wie der Gesetzgeber letztlich darauf reagiert.