Christoph Hebbecker zu Gast bei New Lawyers

Veröffentlicht am 05.05.2021

“Cybercrime ist ein Wachstumsmarkt”

Staatsanwalt Dr. Christoph Hebbecker zu Gast bei New Lawyers

Hasskommentare im Internet gehören zum Alltag von Christoph Hebbecker. Er gehört als Staatsanwalt zum Sonderdezernat “Hate Speech” der Zentral- und Ansprecheinheit Köln und stellt mit seinem Team sicher, dass entsprechende Kommentare nicht nur gelöscht, sondern auch strafrechtlich verfolgt werden. 

Wie beeinflusst die Digitalisierung die Strafverfolgung, was sind die Funktionen und Aufgaben der Staatsanwaltschaft innerhalb der Hasskriminalität und wie sich die Wahrnehmung von Hasskriminalität im Internet bei Justiz verändert hat, sind nur einige der Themen, über die Alisha Andert mit Christoph Hebbecker spricht.
 

 

Was ist Cyberkriminalität und was macht die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC)

Cybercrime, das klingt erst einmal nach Science Fiction, doch bereits seit April 2016 gibt es die ZAC in Köln. Zwar gebe es noch keine allgemeingültige Definition laut Hebbecker, es ließe sich dennoch zwischen Cybercrime im engeren Sinne (Angriffe gegen das Internet, Informationssysteme und Netzwerke) und Cybercrime im weiteren Sinne (hierunter fallen beispielsweise Hasskommentare, Erpressungen oder Betrüge, die das Internet als Tatmittel nutzen).

Hebbecker erörtert, was es mit der ZAC auf sich hat: Angesiedelt bei der Staatsanwaltschaft Köln, sind sie für herausgehobene Verfahren im Bereich der Cyberkriminalität zuständig, was nicht weniger bedeutet, als dass sie insbesondere mit neuen Deliktsphänomen konfrontiert sind oder auch mit Verfahren, die eine besondere technische Expertise voraussetzen. 

Ohne Zweifel, über ein gewisses technisches Grundverständnis sollte man bei der ZAC auf jeden Fall verfügen. Schließlich gilt es auch zu verstehen, was man letztlich juristisch beurteilen soll und inwieweit hier die strafrechtlichen Werkzeuge zum Einsatz kommen können. Aufgrund regelmäßiger interner und externer Schulungen wird auf dem bereits vorhandenen Fundament aufgebaut und mit der Zeit zusätzliche Expertise entwickelt. 

“Digitale Hasskriminalität macht Schule” – in mehr und mehr Zentralstellen Deutschlands finden sich Expertinnen und Experten für den Bereich Hasskriminalität. In den letzten Jahren habe sich auch die Wahrnehmung der Öffentlichkeit und der Justiz hinsichtlich des Themas verändert, wie öffentliche Diskussionen zeigen. Der Blick in Kommentarspalten und in die sozialen Netzwerke belegt es täglich aus Neue. 


Strafverfolgung im Internet

Zwar sollen online wie offline die gleichen Regeln gelten, dennoch agiert der Staat in der Strafverfolgung traditionell analog. Dies birgt für die ZAC einige zusätzliche Herausforderungen. Am Beispiel von Hasskommentaren verweist Hebbecker darauf, dass der Beschuldigte nicht immer eindeutig identifiziert werden könne. 

Dass nicht wenige jedoch unter ihrem Klarnamen aktiv sind, verwundert auf verschiedenen Ebenen: Sind die vermeintlichen Täter sich nicht im Klaren darüber, dass ihr Handeln Konsequenzen fordern kann oder nehmen sie die Justiz dahingehend nicht ernst? Aus eigener Erfahrung kennt Christoph Hebbecker die Argumente der Beschuldigten, die sich zum Teil doch überrascht zeigen, wenn sie erfahren, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist.

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"Verfolgen statt nur Löschen"

2017 trat das Netzwerkdurchsetzungsgesetz in Kraft, das – in aller Kürze – auch die Betreiber sozialer Plattformen hinsichtlich strafbarer Inhalte mit zur Verantwortung zog und diese dazu aufforderte entspreche Inhalte nach meldung binnen einer kurzen Frist zu löschen.

Unmittelbar daran knüpft die Initiative “Verfolgen statt nur Löschen an”: Wie es der Name schon verrät, ist hier nach dem Löschen eines strafrechtlich relevanten Posts nicht Schluss. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Medienhäusern in NRW und der Landesanstalt für Medien NRW arbeitet die ZAC daran, dieses Problem gemeinsam mit Medienschaffenden anzugehen. Konkrete Maßnahmen dieser interdisziplinären Zusammenarbeit bestehen beispielsweise darin, Medienschaffende hinsichtlich strafrechtlich relevanter Posts zu sensibilisieren und ihnen zu helfen, diese zu identifizieren, gleichzeitig – und hier war die Justiz gefragt – ist der Anzeigeprozess mit der aus der Initiative hervorgegangenen ZAC-Box (“Anzeige per drag and drop”) deutlich vereinfacht worden. Dass diese Initiative ein großer Erfolg war beziehungsweise ist, belegen nicht nur die Zahlen des erhöhten Anzeigeaufkommens, auch weitere Zentralstellen haben die Initiative übernommen. Zudem stehen bereits weitere Maßnahmen zur Vereinfachung der Anzeigenstellung in den Startlöchern.

 

Die Digitalisierung führt einerseits zu Mehrarbeit, gleichzeitig werden Prozesse standardisiert und optimiert. In Hinblick auf die fortschreitende Digitalisierung wird sich auch die Rolle der Staatsanwaltschaft ändern: Je digitaler die Verbrechen werden, desto digitaler muss die Justiz ebenfalls werden und sich anpassen. Um wirklich dauerhaft im Bereich Cybercrime erfolgreich zu werden, so Hebbecker, müsse natürlich auch die Justiz insgesamt digitaler werden – der Verweis auf die täglich genutzten Faxgeräte bleibt an dieser Stelle natürlich nicht aus. 

Nichtsdestotrotz: Hebbecker ist überzeugt, dass die Justiz viel besser sei als ihr Ruf. Warum und weshalb es für junge Juristinnen und Juristen durchaus attraktiv sei kann, in der Justiz tätig zu werden, hört ihr am besten selbst. Spoiler: Ein großes Plus ist womöglich, dass man nie mit einem Elevator Pitch konfrontiert ist.
 

Alle Themen in der Übersicht


→ Vorstellung und Begrüßung: Ab Min. 0:54
→ Die Einstiegsfrage: Ab Min. 1:50
→ Was ist Cybercrime und was ist die ZAC? Ab Min. 02:57
→ Strafverfolgung im Internet: Ab Min. 08:05
→ "Verfolgen statt nur Löschen": Ab Min. 15:07
→ Ist die Justiz für junge Juristinnen und Juristen ein attraktiver Arbeitgeber? Ab Min 27:20