Einmal Kirkland und wieder zurück

Veröffentlicht am 14.08.2023

Einmal Kirkland und wieder zurück

Dr. Johannes Lappe im Interview

Kirkland & Ellis ist eine amerikanische Anwaltskanzlei, die mit rund 3.500 Jurist:innen an 19 Standorten in Nordamerika, Asien und Europa vertreten ist. Das Münchner Team ist auf Transaktionsberatung spezialisiert – sei es für private oder public M&A Deals, Finanzierungen oder auch die finanzielle Restrukturierung von internationalen Unternehmen, einschließlich der jeweiligen steuerrechtlichen Begleitung. Dr. Johannes Lappe arbeitet als Associate im Restrukturierungsteam von Kirkland, wobei sein Fokus auch auf Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit finanziellen Restrukturierungen liegt.

Dr. Johannes Lappe
Dr. Johannes Lappe

Herr Dr. Lappe, Sie sind im Bereich der Restrukturierungen, Insolvenzen sowie (Ver-)Käufen notleidender Unternehmen tätig. Hatten Sie bereits in Ihrem Jurastudium Kontakt mit diesem Tätigkeitsschwerpunkt? 

Nicht unmittelbar. Ich habe zwar im Schwerpunkt Unternehmensrecht gewählt und Insolvenzrecht gehört, aber die Verknüpfung dieser Rechtsgebiete zu der „Querschnittsrechtsmaterie“ finanzielle Restrukturierung, die mich nun täglich beschäftigt, konnte an der Uni noch nicht stattfinden.

Nichtsdestoweniger brauche ich alltägliches Wissen aus dem Studium, was sich nicht nur auf das Wissen aus dem Schwerpunktbereich beschränkt: IPR, Kreditsicherungsrecht, ZPO. Dabei werden alle diese Rechtsbereiche hier vor allem „wirtschaftlich“ gedacht, sprich:  "Was ist der beste Weg zum kommerziellen Ziel des Mandanten?". Das war mir im Studium so schlicht noch fremd.      
 

Sie waren bereits von 2018 bis 2021 bei Kirkland & Ellis tätig. Wie hat sich Ihr Berufseinstieg als Anwalt – insbesondere der Übergang vom Referendar zum Berufsträger – gestaltet?

Der spürbare Unterschied für mich war die selbst geführte Kommunikation direkt mit dem Mandanten. Bei Kirkland treten auch Berufsanfänger:innen bereits nach den ersten Monaten nach außen auf und verschicken beispielsweise ihre eigenständig entworfenen E-Mails und Dokumente (nach Durchsicht der erfahreneren Kolleg:innen) selbst. Dann passiert es gelegentlich, dass der/die Empfänger:in der E-Mail direkt anruft, um weitere Fragen zu klären.

Und schon muss man als junge:r Anwalt:in die Fragen richtig aufnehmen, kommunizieren und die Beantwortung mit dem Team koordinieren (und ggf. dann auch wieder ein:e Referendar:in einbinden). Das musste ich erstmal lernen und dabei vor allem auch die Souveränität entwickeln, zu sagen, „Das schauen wir uns an, wir melden uns.“    
 

Welche Herausforderungen sind Ihnen in den ersten Wochen in Ihrem Fachbereich und dem Büroalltag begegnet?

In meinen ersten Wochen musste ich mich an die Schnelligkeit des Arbeitsalltags gewöhnen. Restrukturierung ist ein hochdynamisches Umfeld, in dem oft die Liquidität im Unternehmen und die Fälligkeiten der Finanzierungen die Timeline diktieren. Das erfordert mitunter sehr schnelles Handeln. Auf einem meiner ersten Mandate wurde binnen einer Woche eine Notfallfinanzierung im zweistelligen Millionenbereich verhandelt und dokumentiert. Das erfordert natürlich, dass das gesamte Team schnell analysiert und agiert – viel schneller als ich es mir vor dem Berufseinstieg vorstellen konnte.  

Werde Teil des Teams!

Nach zweieinhalb Jahren bei Kirkland & Ellis sind Sie zu einer anderen internationalen Sozietät gewechselt. Was war ausschlaggebend für diese Entscheidung?

Für mich ging es insbesondere darum, meinen inhaltlichen Fokus noch einmal zu verändern. Während meiner ersten Berufsjahre im Restrukturierungsteam bei Kirkland habe ich Rechtsstreitigkeiten vor staatlichen Gerichten im Restrukturierungskontext mitbegleitet, was mir großen Spaß gemacht hat. Litigation konnte ich mir daher zunehmend auch als inhaltlichen Schwerpunkt meiner Tätigkeit vorstellen. Bis dahin war der Schwerpunkt transaktionsgeprägt. Nach zweieinhalb Jahren war dann für mich der Zeitpunkt gekommen, mich in Zukunft eher als reinen Prozessanwalt zu sehen – und wie man sieht, scheint es so, als wäre ich doch kein reiner Prozessanwalt. 
 

Wann ist Ihrer Ansicht nach der richtige Zeitpunkt, den Job bzw. Arbeitgeber zu wechseln? 

Auf diese Frage gibt es keine global richtige oder falsche Antwort. Ich denke, wenn man sich inhaltlich verändern will, sollte man das in den ersten Berufsjahren machen, um langfristig genügend relevante Erfahrung für die eigene Karriere sammeln zu können. Sollte man sich perspektivisch nicht jedenfalls mittelfristig dort sehen, wo man gerade ist und auch nicht sehen, wie sich dies ändern könnte, dann ist sicherlich der frühestmögliche Zeitpunkt zum Wechsel der richtige.
 

Seit Mitte 2022 sind Sie wieder als Associate bei Kirkland & Ellis tätig. Was hat Sie zu der „Rückkehr” bewegt?

Wie gesagt war die Motivation für meinen Wechsel mein Wunsch, als reiner Prozessanwalt weiterzuarbeiten. Zunehmend habe ich dann aber gemerkt, dass mir die Dynamik und zum Teil auch die Hektik des Transaktionsgeschäfts fehlte, auch wenn ich mir das vor dem Wechsel zur reinen Litigation nie vorstellen konnte.

Für mich erwies sich also (wieder einmal) die Schnittmenge, sprich die Mischung aus Transaktion und Litigation als das richtige Tätigkeitsfeld – und genau das konnte mir mein voriges beziehungsweise jetziges Team anbieten. Und so habe ich mich gefreut, mit dem Wissen und dem Erlernten aus der Zeit als reiner Prozessanwalt nun im Restrukturierungskontext beraten zu können. Sei es in Gerichtsverfahren oder auch „nur“ bei der Optionsanalyse für Litigation(-risiken) als Teil der Gesamtstrategie einer Transaktion.

Welche großen Veränderungen haben Sie bei Ihrem Wiedereinstieg wahrgenommen?

Die Kanzlei ist in der Zwischenzeit noch einmal stark gewachsen. Die Abläufe sind entsprechend institutionalisierter geworden. Das betrifft nicht zuletzt unser Recruiting.  
 

Kirkland & Ellis legt großen Wert auf eine offene Kultur und flache Hierarchien. Wie gestaltet sich Ihrer Auffassung nach die interne Kommunikation sowie die Zusammenarbeit?

Die Kommunikation und Zusammenarbeit ist sehr direkt auf und zwischen allen Ebenen im Team. Das schließt auch unser Legal-Staff-Team mit ein. So bezeichnen wir unsere Nachwuchsjurist:innen, von den Praktikant:innen bis hin zu den Law Assessoren. Jede Tür ist buchstäblich offen und jede Frage kann gestellt werden.

Bei kleineren Projekten arbeiten im Restructuring Team oft Partner:innen und Junior Associates direkt zusammen, ohne dass ein erfahrener Associate „zwischengeschaltet“ ist. In der Folge arbeitet man auch schon als Berufsanfänger:in „am Puls des Projekts“ und bekommt direktes Feedback von den Partner:innen zu den eigenen Arbeitsprodukten.
 

Welche Karrierechancen und Weiterbildungsmöglichkeiten bietet Ihre Kanzlei sowohl Berufseinsteiger:innen als auch langjährigen Mitarbeiter:innen?

Bei Kirkland & Ellis bietet überdurchschnittlich gute Karriereaussichten. Sowohl als Berufseinsteiger:in als auch als langjährige:r Mitarbeitende:r erhält man die Möglichkeit, sich fachlich und persönlich zu entwickeln und kann grundsätzlich nach ca. sechs Jahren Partner:in werden.

Als Associate stehen uns zwei unserer Partner:innen als Mentor:innen zur Seite, die mit uns individuelle Fördermöglichkeiten finden und umsetzen.

In unserem kanzleiinternen Kirkland Institute durchlaufe ich gemeinsam mit den anderen Associates ein Trainingsprogramm aus drei Modulen. Die ersten zwei Module behandeln fachliche Themen (praxisgruppenspezifische sowie fachübergreifende Fortbildung).

Das dritte Modul widmet sich dem Ausbau der eigenen persönlichen Fähigkeiten und Soft Skills (u.a. individuelles Coaching mit Expert:innen). Daneben finden (auch in Zusammenarbeit mit unseren Kolleg:innen im Ausland) regelmäßige Fortbildungen und Retreats statt.

Typisch für den Arbeitsalltag ist, dass etwas Unerwartetes passiert und man dann schnell und lösungsorientiert handeln muss.
Dr. Johannes Lappe

Wie gestaltet sich ein typischer Arbeitsalltag in Ihrem Fachbereich? Gibt es ein Projekt, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist, Herr Dr. Lappe?

Typisch für den Arbeitsalltag ist, dass etwas Unerwartetes passiert und man dann schnell und lösungsorientiert handeln muss. Der/die Restrukturierungsanwält:in ist häufig nicht (nur) gefragt, Risiken zu identifizieren und zu gewichten, sondern vor allem eine Lösung für ein wirtschaftliches Problem aus juristischer Perspektive zu entwickeln. Dazu gehört, dass man Lösungsmöglichkeiten intensiv mit anderen Berater:innen, insbesondere von Investmentbanken und den jeweiligen Mandanten abstimmt, mit dem Ziel, in kurzer Zeit eine wirtschaftlich wie juristisch tragfähige Lösung für ein Unternehmen zu entwickeln.

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein Projekt, bei dem das Unerwartete eine besonders persönliche Komponente hatte: Der ehemalige Eigentümer eines Unternehmens wollte zwingend auf dem Betriebsgrundstück, das im Rahmen der Transaktion mit an die Gläubiger übergehen und als Sicherheit für neue Darlehen dienen sollte, weiter Bagger fahren dürfen – das hätte so sicherlich niemand erwartet. Da aber seine Zustimmung zur Transaktion faktisch davon abzuhängen schien, hat es mehrere Tage und viele Gespräche gebraucht, bis dieses Problem eingefangen und die Transaktion erfolgreich beendet werden konnte. 
 

Welche Qualifikationen sollten Jurist:innen mitbringen, um im Bereich Restructuring tätig zu sein? Nehmen Soft Skills einen hohen Stellenwert beim Recruiting ein?

Neben hervorragenden juristischen Fähigkeiten geht es vor allem darum, schnell wirtschaftliche Sachverhalte erfassen und für seine juristische Arbeit reflektieren zu können. Man sollte lösungsorientiert sein und seine Lösungen auch überzeugend darstellen können. Klare Sprache, sicheres Auftreten und Teamfähigkeit sind die Soft Skills, die man daneben zwingend braucht.

Kirkland & Ellis stellt sich vor!

Haben Sie sich bewusst für die Kanzleiform „Großkanzlei” entschieden? Was reizt Sie vor allem daran – verglichen mit Boutique-Kanzleien und Mittelständischen Kanzleien?

Diese Frage stellt sich bei Kirkland in München so nicht. International ist Kirkland eine „große“ Großkanzlei. In München hat das Büro noch Boutique-Größe. Man bekommt also das Beste aus beiden Welten: Infrastruktur, Mandate und Plattform einer internationalen Großkanzlei, mit der persönlichen Struktur einer Boutique. Man kennt nicht nur das eigene Team, sondern alle Münchner Kolleg:innen. Das ist bei großen Standorten anderer Großkanzleien nicht mehr unbedingt möglich.
 

Ist der heutzutage häufige Wechsel des Arbeitgebers auf dem juristischen Arbeitsmarkt ein großes Problem? Was wünschen Sie sich diesbezüglich für die Zukunft?

Soweit ich das beurteilen kann, ist dies nur ein Problem, wenn die jeweilige kurze Verweildauer bei den Arbeitgebern den Schluss zulässt, dass bisher bei mehreren Stationen „nie“ die richtige Wahl getroffen wurde – sei es der falsche Arbeitgeber oder der falsche Arbeitnehmer. Das denke ich wird sich – zurecht – auch in Zukunft nicht ändern.
 

Worauf sollten junge Jurist:innen bei der Wahl des Arbeitgebers besonders achten? 

Entscheidend ist, dass man sich mit dem künftigen Team menschlich wohl fühlt und man sich bei der Wahl des Rechtsbereichs vorstellen kann, die jeweilige Tätigkeit auch dann noch gerne zu machen, wenn man mehrere Jahre dabei ist oder es abends spät wird. Kanzleikultur und Karriereperspektive kommen dann an zweiter Stelle, um eine begründete Wahl zu treffen. Aber wie nicht zuletzt mein bisheriger Karriereweg zeigt: Man darf bei aller Sorgfalt für diese Entscheidung nicht vergessen, dass keine berufliche Entscheidung irreversibel ist.

Was möchten Sie Jurist:innen mit auf den Weg geben, die zögern, den Arbeitgeber oder Job zu wechseln?

Wenn man das Bedürfnis nach Veränderung hat und dieses Bedürfnis nicht nur kurzfristig besteht, sollte man nach Alternativen suchen. Hierbei ist aber meines Erachtens wichtig, dass es mehr „Pull“-Faktoren als „Push“-Faktoren gibt. Will heißen, dass man im Regelfall erst dann eine Entscheidung treffen sollte, wenn die neue Herausforderung die Hauptmotivation ist und nicht das möglichst kurzfristige Verlassen des derzeitigen Arbeitsverhältnisses.

In jedem Fall sollte man mit dem derzeitigen Arbeitgeber ein offenes und transparentes Gespräch über die Wechselmotivation führen und sicherstellen, dass das Team auch während des Wechselprozesses möglichst gute Unterstützung von einem selbst bekommt.   
 

Ihr Fazit?

Karrierewege müssen nicht immer ganz gerade sein, sondern vor allem erlauben, sich persönlich wie fachlich bestmöglich zu entwickeln. Dazu kann, muss aber nicht, auch mal ein Arbeitgeber- oder Fachgebietswechsel gehören – denn häufig bringt der Wechsel der Perspektive oder das Kennen einer anderen Perspektive auch Vorteile für den neuen (oder „neuen alten“) Job.
 

Vielen Dank, Herr Dr. Lappe!

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