Was versteht man überhaupt unter "Lateral Hiring"?
Im Kanzleikontext beschreibt der Begriff Lateral Hiring (bekannt als Quereinsteiger-Rekrutierung) das gezielte Einstellen und Abwerben erfahrener Rechtsanwält:innen, die bereits bei einer anderen Kanzlei tätig sind. Diese sogenannten Laterals bringen spezialisierte Expertise, oftmals bedingt durch langjährige Berufserfahrung, und in vielen Fällen auch einen bestehenden Mandantenstamm mit. Insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels ist diese Form der Personalgewinnung für viele Kanzleien von wichtiger, strategischer Bedeutung. Im Folgenden zeigen wir Dir, wieso dies der Fall ist und welche Arten von Laterals es gibt:
Typische Laterals-Varianten:
Laterals kann es auf jeder Berufsstufe bzw. jedem beruflichen Rank geben. Die 3 relevantesten Kategorien sind:
- Lateral Partner: Ein:e etablierte:r Partner:in wechselt samt eigenem Mandantenstamm zu einer anderen Kanzlei. Dies geschieht häufig, um dort einen strategischen Bereich auszubauen oder neu zu etablieren.
- Lateral Counsel oder Senior Associate: Jurist:innen auf hoher Erfahrungsstufe, die mit der Perspektive auf Partnerschaft oder inhaltliche Leitungsverantwortung wechseln. Bei ihrem neuen Arbeitgeber werden sie dann auf Counsel- oder Senior Associate-Level eingestellt.
- Lateral Associate: Associates mit fundierter Berufserfahrung, die aufgrund besserer Entwicklungschancen das Haus wechseln. Diese Variante ist weniger verbreitet, aber ebenfalls denkbar und möglich.
Im Gegensatz zu klassischen Karriereschritten, bei denen man sich intern "hocharbeitet", steigen Laterals meist auf Augenhöhe ein. Sie verhandeln eigenständige Rollen, Honorarmodelle und Zuständigkeiten. Gerade Großkanzleien nutzen diese Strategie gezielt, um sich in stark nachgefragten Rechtsgebieten zu verstärken oder neue Mandate zu erschließen. Welche Fachrichtungen dabei besonders im Fokus stehen, lässt sich anhand aktueller Entwicklungen im juristischen Stellenmarkt erkennen.
Zudem zeigt sich, dass der Lateral Entry für viele Kanzleien auch ein Mittel ist, sich mittels externem Know-how fortzubilden und partiell zu erneuern. Wer Expertise von außen einkauft, gewinnt neue Perspektiven, etwa bei der zunehmend wichtigen Digitalisierung, dem Business Development oder der Internationalisierung von Mandaten.
Warum Lateral Hiring gerade jetzt boomt
Der deutsche Rechtsmarkt befindet sich im Umbruch. Die Zahl der Rechtsanwält:innen mit Einzelzulassung ist nach jüngster Statistik (2025) erneut gesunken. Währenddessen sind gleichzeitig mehr Berufsausübungsgesellschaften (u.a. anwaltliche PartGmbB oder GmbH & Co. KG) registriert worden. Immer mehr Jurist:innen verlassen den anfangs gewählten und hart erlernten Beruf vorzeitig. Besonders auffällig ist dabei die Zahl derer, die vor dem 40. Lebensjahr ihre Zulassung zurückgeben. Diese ist innerhalb von 20 Jahren um mehr als 50 % gestiegen. Laut Bundesrechtsanwaltskammer sind derzeit rund 167.000 Personen zur Anwaltschaft zugelassen – davon über 62.000 weibliche Rechtsanwältinnen. Doch vor allem junge Jurist:innen verlassen die klassische Anwaltskarriere häufig schon nach wenigen Jahren. Die Gründe reichen von unattraktiven Arbeitszeiten über mangelnde Aufstiegschancen bis hin zur Konkurrenz durch Justiz und Verwaltung, die geregeltere Arbeitsbedingungen versprechen. Darin zeigt sich auch die wachsende Bedeutung von Karriere und Familie, statt sich zwischen den beiden Optionen entscheiden zu müssen.
Kanzleien sehen sich mittlerweile gezwungen, auf diese Entwicklungen zu reagieren. Die gezielte Gewinnung erfahrener Rechtsanwält:innen aus anderen Kanzleien, also sogenannte Lateral Hires, ist eine Antwort auf den Mangel an gut qualifiziertem Nachwuchs. Hieran mangelt es auf dem juristischen Arbeitsmarkt auch nicht, denn insgesamt zeigen die Zahlen, dass es 2025 mehr zugelassene Rechtsanwält:innen gibt als je zuvor seit Aufzeichnungsbeginn. Vor 20 Jahren waren es beispielsweise mit knapp 75.000 zugelassenen Rechtsanwält:innen noch etwas mehr als die Hälfte.
Neben der Abwerbung von hochqualifizierten und spezialisierten Einzelpersonen lassen sich gleichzeitig auch gezielte Teamwechsel immer häufiger beobachten. Die Rekrutierung kleiner Einheiten, etwa eines eingespielten Arbeitsrechtsteams oder eines M&A-Kernteams, erlaubt es Kanzleien, sich auf einen Schlag neu aufzustellen.
Best-Practice-Beispiele wie der Wechsel eines renommierten Arbeitsrechtsteams zu Luther1 oder der Aufbau eines neuen M&A-Teams bei Noerr durch Übernahme aus einer anderen renommierten Großkanzlei2 zeigen, dass Lateral Hiring kein Randphänomen mehr ist, sondern vielmehr ein fester Bestandteil moderner Personalstrategie.
1 Luther Lawfirm, 2021
2 Juve.de, 2020