Lydia Benecke und Alisha Andert | New Lawyers

Veröffentlicht am 21.07.2021

Wie kann Rückfallprävention aussehen?

Lydia Benecke bei New Lawyers

Lydia Benecke ist eine der bekanntesten Kriminalpsychologinnen Deutschlands. Zwei ihrer Schwerpunkte liegt unter anderem in Persönlichkeitsstörungen und Psychopathie. Sie ist außerdem Autorin diverser Sachbücher, unter anderem schrieb sie ein Buch über Psychopathinnen und in ihrem neuen Buch widmet sie sich Hochstaplern und der Psychologie der Manipulation. Mit Alisha Andert spricht sie über Rückfallprävention, wie Straftäter funktionieren und zu Tätern werden und die perfekte Lüge.


Als Kriminalpsychologin hat sich Lydia Benecke auf Sexual- und Gewaltstraftäter spezialisiert und ist unter anderem in einer sozialtherapeutischen Einrichtung tätig, wo sie die Gewaltstraftäter-Gruppe leitet. Zudem arbeitet sie in einer ambulanten therapeutischen Einrichtung mit Sexualstraftätern, deren Bewährungsauflagen derartige Maßnahmen beinhalten.
 

Wie sieht die Arbeit in einer sozialtherapeutischen Einrichtung aus?

Ein wichtiges Instrument in der Rückfallprävention, erklärt Lydia Benecke, sei die Biographiearbeit. Hier gilt es vor allem herauszufinden, warum Straftäter so gehandelt haben: Gibt es Muster und Strukturen, die sich durch die jeweiligen Biographien ziehen oder Ereignisse, die einen nachhaltigen negativen Effekt hatten?

“Es ist eine sehr analytische Arbeit und wie sezieren die Biographie regelrecht” sagt Lydia Benecke im Gespräch mit Alisha Andert. Bei ihrer Arbeit mit Sexualstraftätern – ja, es handelt sich hier fast ausschließlich um Männer, warum dies so ist, benennt Lydia Benecke im Gespräch – kommt zudem eine sogenannte Sexualanamese hinzu. 

Anhand zahlreicher Beispiele veranschaulicht Lydia Benecke welche Ereignisse gravierende Folgen gehabt haben können, worin die Unterschiede zwischen emotionaler und körperlicher Verwahrlosung liegen und inwiefern sich früh erlernte Muster auch in Hinblick auf die begangene Straftat erkennen lassen. 

Neben der Biografiearbeit steht in den Therapiestunden natürlich auch alles rund um die Straftat auf der Agenda: Was ging dem voraus? Wie war es konkret während der Tat? Wie war es danach? Bis in kleinste Detail müssen die Straftäter die Situation noch einmal durchleben und dies nicht nur in der Einzeltherapie, sondern auch in der Gruppentherapie.

“Es ist den meisten Tätern sehr unangenehm die Tat erneut Revue passieren zu lassen und darüber nachzudenken und noch unangenehmer ist es ihnen, vor anderen Menschen darüber zu sprechen. Aber das gehört dazu und es zeigt sich immer wieder, dass sich Muster wiederholen und die anderen in vergleichbaren Situationen waren.”

Es gehe auf keinen Fall darum, Mitleid für die Straftäter zu erwecken, sondern um zu verstehen, wie Menschen mit ihren Gefühlen und ihren Mitmenschen umgehen, welche Effekte beispielsweise kindheitliche Prägungen haben können und letztlich den Menschen das richtige Werkzeug an die Hand zu geben, um in zukünftigen Situationen anders zu reagieren.
 

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Was bringt Rückfallprävention?

“Bei der Rückfallprävention müssen diejenigen erst einmal verstehen, warum sie Grenzen überschritten haben, sonst hätten sie keine schweren Straftaten begangen, die die meisten anderen nicht begangen haben. Und sie haben diese Eigenschaften, die es ihnen ermöglicht haben, diese Grenzen zu überschreiten”, so Lydia Benecke und erklärt weiter “am Ende geht es darum, dass die Täter verstehen, dass sie über Eigenschaften verfügen, die sie Grenzen überschreiten lassen

Die in der Biografiearbeit herausgestellten Merkmale und Muster, die zu solchen Grenzüberschreitungen führen können, sind ein erster wichtiger Schritt. Ebenso gehört zum Gesamtpaket der Therapie neben der Reflexion der Tat auch der Aspekt der Opferempathie: “Die Straftäter müssen nicht nur die persönlichen Voraussetzungen und die Tat selbst verstehen, sondern sich auch in das Opfer hineinversetzen und verstehen, was sie anderen Menschen angetan haben.”

Vervollständigt wird das Paket durch das Auflösen kognitiver Verzerrungen, die als eine sehr eigene Rechtfertigung für die begangene Tat gesehen werden können (“Hätte mein Arbeitgeber mich nicht entlassen, dann hätte ich nicht …”), denn wenn diese erst einmal aufgelöst sind und die Täter ihre Straftaten unter weitestgehend rationalen Gesichtspunkten sehen, verstehen sie das Ausmaß ihres Handelns.

Kommt es dann soweit, dass sich jemand wieder in einer für ihn risikoreichen Situation befindet, hilft es nicht nur, die Situation zu erkennen, sondern auch zu kommunizieren. Idealerweise wird zum Beispiel auch das soziale Umfeld des Täters mit eingebunden und auf solche Situationen vorbereitet, aber auch die therapeutische Einrichtung ist, so Lydia Benecke, auch Jahre später noch für die Leute da, wenn sie nochmal ein Gespräch brauchen.


Wer sich nun fragt, wie genau das Verhalten eines Straftäters, der sich nicht an die Therapieauflagen hält, vorhersehen lässt und was das besondere an Hochstaplern, Betrügern und Blendern als Tätergruppe ist – Anleitung für die perfekte Lüge inlusive – hört am besten in die New Lawyers Folge mit Lydia Benecke rein.


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