Assessment Center Justiz Bewerber

Verfasst von Laura Hörner. Veröffentlicht am 08.11.2021.

Assessment Center Justiz: Vorbereitung auf das Auswahlverfahren

Bewerbungsverfahren für Richter und Staatsanwälte

Wer in der Justiz arbeiten möchte, der muss nicht nur gute Noten mitbringen, sondern auch mit seiner Persönlichkeit und den oft zitierten Soft Skills punkten. Dazu gehört zum Beispiel eine gute Ausdrucksweise und eine hervorragende Kommunikationsfähigkeit, aber auch ein souveräner Umgang mit Stresssituationen. Noch vor einiger Zeit wurde bei der Auswahl von Richtern und Staatsanwälten praktisch nur auf die Abschlussnote geschaut. Immer mehr Gerichte möchten nun allerdings ihre Kandidatinnen und Kandidaten näher kennenlernen und feststellen, ob diese wirklich für die zu besetzende Stelle geeignet sind. Hier kommen Assessment Center ins Spiel - und diese können ausschlaggebend dafür sein, ob die Karriere in der Justiz ins Rollen kommt oder ein Traum bleibt.

Was ist ein Assessment Center?

Assessment Center kennt man eigentlich eher aus der freien Wirtschaft, doch auch beim Staat gehören sie in einigen Behörden zum etablierten Auswahlverfahren. Besonders für höhere Positionen sind Assessment Center oftmals Teil des Bewerbungsprozesses und sorgen bei Bewerbern für schlaflose Nächte. Denn hier kommt es nicht auf deine akademischen Leistungen an, sondern darauf, dass du in unbekannten Situationen souverän reagierst und sowohl deine Motivation als auch deine Fähigkeiten unter praktischen Gegebenheiten unter Beweis stellst – und zwar unter der Beobachtung einer Auswahlkommission, in welcher hohe Beamte des jeweiligen Gerichts sitzen und dir genau auf die Finger schauen.

Ein Assessment Center besteht in der Regel aus mehreren Aufgaben, welche unterschiedliche Fähigkeiten der Bewerber testen sollen. Oftmals dauern diese dann auch entsprechend lang: Einen ganzen Tag oder gar zwei Tage solltest du für das Auswahlverfahren einplanen.

Assessment Center für die Justiz: Noch nicht besonders verbreitet

Nur an wenigen Gerichten in Deutschland wird wirklich ein „vollwertiges“ Assessment Center durchgeführt, wie man es aus der Wirtschaft kennt. Ein Vorreiter ist an dieser Stelle Nordrhein-Westfalen. Möchtest du hier in der Justiz arbeiten, musst du in einigen Städten wie am OLG Hamm, am OLG Köln oder am OLG Düsseldorf ein Assessment Center durchlaufen.

In anderen Bundesländern gibt es zwar kein Assessment Center, dennoch können klassische Aufgaben aus diesen im Bewerbungsgespräch genutzt werden, um die Eignung der Kandidaten besser zu bestimmen. Rollenspiele oder kurze Präsentationen können also auch an Gerichten vorkommen, welche kein klassisches Assessment Center durchführen. Am besten informierst du dich deshalb genau über den Ablauf der Bewerbung an deinem Wunschgericht.

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Unterschiedliche Aufgaben: So läuft ein Assessment Center in der Justiz ab

Wie genau das Assessment Center für deine Wunschstelle aufgebaut sein wird, lässt sich leider nicht beantworten. Die verschiedenen Gerichte haben unterschiedliche Verfahren und die gestellten Aufgaben können variieren. Dennoch gibt es typische Aufgaben, die Bewerberinnen und Bewerbern in Assessment Centern regelmäßig begegnen und auf welche du dich vorbereiten kannst und solltest. Meist sind allerdings nicht alle davon Teil des Verfahrens.

1. Gruppendiskussion

Bei einem Assessment Center bist du nicht der einzige Bewerber, der eingeladen ist – klar, sonst wäre die Entscheidung ja auch leicht zu fällen. Viele Arbeitgeber nutzen diese Tatsache, um die Bewerberinnen und Bewerber direkt zu vergleichen. Bei einer Gruppendiskussion müssen diese sich dann zu einem justiz- und rechtspolitischen oder juristischen Thema austauschen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, inhaltlich zu überzeugen und dein Wissen zu zur Schau zu stellen, sondern auch darauf, deine Kommunikationsfähigkeit und eine gewählte Ausdrucksweise unter Beweis zu stellen. Dein Ziel sollte es sein, dich bestmöglich zu präsentieren, nicht den anderen ins Wort zu fallen und der oder die Lauteste zu sein.

Oftmals werden den Diskussionsteilnehmern vor der Durchführung Informationen zur Verfügung gestellt, sodass diese sich inhaltlich zumindest kurz vorbereiten können. Du musst also nicht über jedes beliebige Thema auf Knopfdruck aus dem Nähkästchen plaudern können, solltest aber selbstverständlich ein gutes Grundwissen mitbringen.

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2. Vorträge

Vor anderen zu sprechen, vor allem in einer Drucksituation, kann sehr nervenaufreibend sein. Als Richter oder Staatsanwalt gehört das aber zum Berufsalltag. Aus diesem Grund sind auch Kurzvorträge ein beliebter Bestandteil des Assessment Centers in der Justiz. Dabei bekommst du ein bestimmtes Thema sowie eventuell relevante Informationen zugeteilt und kurz Zeit, dich damit zu beschäftigen. Im Anschluss musst du vor der Auswahlkommission und möglicherweise auch vor den anderen Bewerbern eine zehn bis fünfzehn minütige Präsentation halten. Wie die Themen für die Gruppendiskussion handelt es sich dabei um rechtliche Fragen oder mögliche Fälle aus dem Berufsalltag. Auf der Webseite der Justiz NRW kannst du dir Beispielaufgaben für Kurzvorträge ansehen.

3. Praktische Arbeitsprobe

Teil eines Assessment Centers für die Justiz kann eine praktische Arbeitsprobe sein. Dabei bekommst du Akten zur Verfügung gestellt, anhand derer du innerhalb von 45 Minuten bis zu einer Stunde deine Aufgabe bearbeiten musst.

4. Rollenspiele

Wie würdest du auf eine bestimmte Situation reagieren? Im Rollenspiel musst du Schlüsselmomente, welche so auch in deinem späteren Berufsalltag vorkommen könnten, mit einem Partner durchspielen. Oftmals handelt es sich dabei um Konfliktsituationen, in welchen du souverän agieren und die Gesetzeslage genau kennen musst. Ein Ein Beispiel für ein Rollenspiel wäre, dass jemand mit einem Anliegen zu Gericht kommt und eine bevorzugte Behandlung wünscht. Aber bei Gericht gibt es einen Geschäftsverteilungsplan.

5. Einzelgespräch

Zum Abschluss des Assessment Centers findet ein Einzelgespräch statt, welches einem klassischen Bewerbungsgespräch ähnelt. Dabei wirst du nach deiner Motivation und deinem bisherigen Werdegang gefragt, doch auch klassische Stressfragen, bei welchen du unter Druck schwierige oder unlösbare Aufgaben beantworten sollst, können Teil des Gesprächs sein. Gerne werden dafür strukturierte Interviews verwendet. Das bedeutet, dass sich keine natürliche Unterhaltung entwickelt, sondern dass aus Gründen der Vergleichbarkeit jedem Bewerber dieselben Fragen gestellt werden.

Vorbereitung auf Assessment Center in der Justiz: Improvisieren oder Kurse belegen?

Da du die konkreten Aufgaben noch nicht kennst, bevor du an dem Assessment Center teilnimmst – was ja auch Sinn der Sache ist – kannst du dich nur eingeschränkt auf das Auswahlverfahren vorbereiten. Die Auswahlkommission möchte schließlich sehen, wie du spontan auf neue Herausforderungen reagierst. Ganz ohne Vorbereitung zu dem Termin aufzutauchen, ist jedoch auch nicht zu empfehlen.

Zunächst einmal solltest du dich genau informieren, wie der Ablauf des Bewerbungsverfahrens an deinem Gericht ist. Dies bekommst du entweder in deiner Einladung mitgeteilt oder du kannst dich im Internet auf der entsprechenden Homepage darüber informieren. Weißt du über die Aufgaben Bescheid, die dich erwarten, lohnt es sich, ein paar Probeaufgaben zu bearbeiten. Schaue dich in Online-Foren um oder kaufe dir einen Bewerbungsguide speziell für die Vorbereitung von Richtern und Staatsanwälten auf Assessment Center. Hier findest du alte Fragen und Aufgabenstellungen, die du selbst durchgehen kannst – idealerweise mit einer oder mehreren Personen wie zum Beispiel ehemaligen Kommilitonen.

Für die Vorbereitung auf Assessment Center und Vorstellungsgespräche beim Staat werden sogar Kurse angeboten, welche du besuchen kannst. Ob du das für nötig hältst, musst du selbst entscheiden.

 

Die wenigsten Bewerber haben wirklich Lust auf ein Assessment Center – aber an manchen Gerichten ist dieser Schritt unumgänglich, um in den Staatsdienst aufgenommen zu werden. Auch wenn dich die Vorstellung nervös macht, solltest du dich vor deinem Termin nicht verrückt machen lassen. Zwar ist eine gewisse Vorbereitung in jedem Fall hilfreich, um dich mit der Art der Aufgabenstellung vertraut zu machen, sei dir aber bewusst, dass du unmöglich auf jede mögliche Frage oder Aufgabe vorbereitet sein kannst. Wichtig ist: Bleibe du selbst und versuche nicht, dich zu verstellen und eine Rolle zu spielen, die nicht zu dir passt. Ein natürliches und souveränes Verhalten bringt dich ans Ziel und wird auch die Kommission vor dir überzeugen.


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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.