„Legal Technology“: Für viele (angehende) Juristen bisher nur ein vager Begriff, der wohl irgendwie mit der Digitalisierung der juristischen Arbeitswelt in Verbindung steht. Manche möchten von Legal Tech sogar überhaupt nichts wissen, da denkbare technische Neuerungen als potenzielle Bedrohung für den klassischen Anwaltsberuf eingestuft werden und stattdessen lieber alles so bleiben soll, wie es schon immer war. Ob man mit dieser Einstellung berechtigterweise den klassischen Rechtsanwalt vor dem Aussterben schützt oder man sich selbst als Jurist die Chance nimmt, von innovativer Technologie langfristig zu profitieren - wie es in anderen Fachbereichen schon längst Realität ist - soll hier geklärt werden.
Legal Tech – was ist das eigentlich?
Zunächst stellt sich natürlich die Frage, was mit „Legal Tech“ genau gemeint ist und welche terminologischen Unterscheidungen notwendig sind, um die Bedeutung der unterschiedlichen Bereiche differenziert zu erfassen.
Unter Legal Technology im Allgemeinen versteht man Software, die dazu dient, Juristen in ihrem beruflichen Alltag zu unterstützen, indem sie Arbeitsabläufe effizienter gestaltet oder sogar vollständig automatisiert.
Dadurch soll Juristen der Arbeitsalltag erleichtert werden, um ihnen letztlich mehr Zeit für diejenigen Aufgaben zu verschaffen, bei denen ein Computer (bisher) nicht weiterhelfen kann. Will man terminologisch präzise differenzieren, so muss zwischen Legal Tech 1.0, 2.0 und 3.0 unterschieden werden.
Erstere bezeichnet vor allem Organisations- und Management-Software, die ihrem Anwender lediglich assistiert. Gemeint sind damit beispielsweise schon bereits relativ stark verbreitete IT-Systeme zur Verwaltung von Schriftsätzen, der Organisation von Terminen und Fristen sowie der Buchhaltung. Auch Datenbanken für die Urteilsrecherche gehören als Assistenzprogramme zu Legal Tech 1.0. Ebenso zählen Angebote von diversen deutschen Startups dazu, die auf ihren Plattformen kostenpflichtige Online-Rechtsberatungen anbieten oder versuchen, eine spezielle Art von Ansprüchen in Massenverfahren für ihre Mandanten durchzusetzen, wie zum Beispiel Entschädigungsansprüche bei Flugverspätungen.
Durch Legal Tech entstehen ganz neue juristische Berufsbilder!
Erfahre hier zum Beispiel, was ein Projekt- und Innovationsmanager in einer Kanzlei macht
Wo ist man beim Thema Legal Tech ganz vorn dabei?
Das sind die innovativsten Kanzleien in Deutschland!
Davon zu trennen ist Legal Tech 2.0 – hier stehen nämlich (teil-)automatisierte Dienstleistungen im Vordergrund.
Ziel der Technologie ist es, juristische Arbeitsschritte autonom durchzuführen – also gänzlich unabhängig von direkter menschlicher Einflussnahme.
Die Applikationsmöglichkeiten sind zahlreich: Sachverhaltsstrukturierung, Erzeugung von Klageschriften und standardisierten Verträgen sowie die Bewertung von Rechtslagen und die Unterbreitung strategischer Hinweise.
Im Kontrast dazu versteht man unter Legal 3.0 auf künstlicher Intelligenz basierende IT-Lösungen. Diesen wird das größte Potenzial zugesprochen – allerdings sind sie zum Teil bisher nur sehr beschränkt einsetzbar und noch weit von einer tatsächlichen Marktreife entfernt. Aus programmiertechnischer Sicht wird eine maschinenlesbare Sprache für juristische Dokumente wie Gesetzestexte und Verträge angestrebt. In der Tat mag es auch das langfristige Ziel einiger Unternehmen sein, einen virtuellen Ersatz für Anwälte zu erschaffen, der auf AI (= artificial intelligence) basierten Algorithmen fußt. Abzugrenzen ist Legal Tech im Übrigen von der Rechtsinformatik, die das zugehörige Forschungsfach ist und wissenschaftliche Ziele verfolgt.
Legal Tech in Deutschland
Während in anderen Fachbereichen wie beispielsweise den Wirtschaftswissenschaften und insbesondere der Wirtschaftsinformatik der Einsatz von Software - auch in Verbindung mit künstlicher Intelligenz - bereits eine Selbstverständlichkeit ist, gibt es bis heute viele Juristen, die von „Legal Tech“ noch nie etwas gehört haben oder sich damit auch nicht tiefergehend beschäftigen möchten. Schließlich „ging es ja bisher auch ohne“. Einerseits erscheint diese Blickweise verständlich, da sich die Einarbeitung in derartige Themenbereiche gerade für die ältere Generation an Juristen, die selbst keine „Digital Natives“ sind, mühsam gestalten könnte und gleichzeitig für deren Arbeit (noch) nicht von elementarer Bedeutung ist.
Andererseits erscheint es daher auch wenig verwunderlich, dass Arbeitsabläufe im juristischen Alltag im Hinblick auf den Einsatz von Technologie durchaus als rückständig und unzureichend optimiert gelten.
Das Innovativste, was es bisher breitflächig in den juristischen Arbeitsalltag geschafft hat, sind Urteilsdatenbanken, Online-Kommentare und Management- bzw. Organisationssoftware, also bestenfalls „Legal Tech 1.0“.
Dabei wird sich die Juristerei und der zugehörige Arbeitsmarkt in Zukunft wohl kaum vor Legal Tech und seinen Möglichkeiten in Sachen Effizienzsteigerung verstecken können.
Besonders wenn weitere große Unternehmen und Sozietäten die mit Legal Tech in Verbindung stehenden Chancen für Zeit- und Kostenersparnisse erkennen, wird Legal Technology weiter an Bedeutung gewinnen - dann natürlich auch für Nachwuchsjuristen. Dass bestimmte, besonders repetitive Arbeitsabläufe mithilfe von adäquater Software optimiert werden können, wird im Rahmen von universitären Lehrveranstaltungen zwar nur selten erwähnt, ist aber längst Realität, was auch an den zahlreichen deutschen Legal-Tech-Startups und dem inzwischen vereinzelt gesteigerten Interesse und Engagement von (privaten) Universitäten und Großkanzleien deutlich wird.
Du willst dabei sein, wenn die Rechtsbranche sich neu erfindet? Bewirb dich jetzt auf aktuelle Jobs, Praktika und Referendarstellen:
Was kann man als Student oder Referendar tun?
In der Ausbildung der Juristen von morgen spielt Legal Tech je nach Fakultät bisher nur eine geringe Rolle. Dass sich daran bisher wenig geändert hat, hängt wohl in erster Linie mit der Art und Weise zusammen, wie Jura-Studenten - also der eigene Nachwuchs - an der Universität und während des Referendariates im Hinblick auf Rechtsinformatik ausgebildet werden: nämlich zumeist überhaupt nicht.
In keiner Prüfung, geschweige denn in einem der beiden Staatsexamina, werden Informatikkenntnisse, Verständnis für Software oder Programmierfähigkeiten verlangt.
Das ist wahrscheinlich auch noch gar nicht notwendig – aber zumindest ein gesteigertes Angebot an Wahlfächern, der vermehrten Möglichkeit zu Zusatzqualifikationen oder eine Integrierung von Rechtsinformatik in einem zur Auswahl stehenden Schwerpunktbereich wäre sicherlich angemessen, um den Bedürfnissen von fächerübergreifend interessierten Studenten und den zukünftigen Anforderungen am Arbeitsmarkt gerecht zu werden.
Natürlich wird Legal Tech in den nächsten Jahren nicht für jeden Studenten und jeden Juristen zwingend eine so große unmittelbare Relevanz entfalten, dass plötzlich jeder tiefgehende Informatikkenntnisse benötigt, um am Rechtsdienstleistungsmarkt bestehen zu können. Das Berufsbild des Juristen wird sich jedoch nachhaltig verändern, je nach Rechtsgebiet und Branche unterschiedlich intensiv und schnell. Gerade die nachfolgende Generation an Juristen – besonders, wenn sie planen, in Unternehmen und größeren, international ausgerichteten Sozietäten zu bearbeiten – sollte daher das Potenzial und die zukünftige Signifikanz von Legal Tech beachten und sowohl private Weiterbildungsmöglichkeiten (z. B. auf englischsprachigen Fortbildungsplattformen) als auch erste universitäre Angebote in Anspruch nehmen, damit die juristische Arbeitswelt von morgen den digitalen Anschluss nicht gänzlich verpasst.
Das könnte dich auch interessieren: