Neue Karrieremodelle für Anwält:innen: Karriere ohne Partnerstatus?
Viele Jurist:innen fragen sich heute: Was bringt mir der Partnerstatus eigentlich noch?
Die Vorteile sind nicht von der Hand zu weisen, aber sie kommen zu einem Preis, den viele Jurist:innen nicht mehr bereit sind, zu zahlen. Partner:innen tragen wirtschaftliches Risiko, müssen Mandate akquirieren und stehen unter permanentem Erfolgsdruck. Gleichzeitig verschieben sich die Lebensvorstellungen vieler Berufsträger:innen mit der Zeit. Der Aufbau einer eigenen Familie, Pflege von Angehörigen oder der Wunsch nach persönlicher Entfaltung treten dabei stärker in den Vordergrund.
Alternative Karrieremodelle, die wir Dir im Folgenden gerne zeigen wollen, eröffnen erfahrenen Jurist:innen neue Perspektiven jenseits des traditionellen Partnertracks.
Sog. „Fixed-Share Partnerships“ bieten eine unternehmerische Teilhabe am Erfolg der Kanzlei, ohne die volle wirtschaftliche Verantwortung übernehmen zu müssen. Ein solches Modell ist besonders für Jurist:innen attraktiv, die zwar strategisch mitgestalten wollen, aber nicht das unternehmerische Risiko einer Equity-Partnerschaft tragen möchten. Daneben gewinnt die Rolle des Legal Directors an wesentlicher Bedeutung. Hier steht die fachliche Exzellenz im Mittelpunkt, was ein hohes Maß an Einfluss auf die inhaltliche Arbeit und Mandatsstrategie bietet, jedoch ohne Verpflichtungen im Bereich Business Development oder Personalführung übernehmen zu müssen.
In vielen internationalen Kanzleien hat sich außerdem der sogenannte „Professional Attorney“-Track etabliert, der eine juristische Karriere mit hoher fachlicher Anerkennung ermöglicht, ohne dabei wirtschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Dieses Modell kommt vor allem Spezialist:innen entgegen, die sich auf die Tiefe statt die Breite ihrer Expertise konzentrieren wollen.
Ergänzt werden diese Ansätze durch sog. „Switch on/Switch off-Modelle“, die erfahrenen Rechtsanwält:innen die Möglichkeit geben, ihre Arbeitszeit temporär zu reduzieren und zu einem späteren Zeitpunkt wieder in Vollzeit zurückzukehren. Für Eltern kleiner Kinder oder Jurist:innen, die gezielt Auszeiten für persönliche Projekte oder Erholung einplanen wollen, stellt dies eine optimale Alternative zum klassischen Vollzeitmodell dar.
Zusammen zeigen diese Modelle, dass eine erfolgreiche Kanzlei-Karriere heute nicht zwingend an den klassischen Partnerstatus gekoppelt sein muss. Vielmehr bieten sich teilweise flexible Wege, um beruflichen Erfolg mit individueller Lebens- und Zukunftsplanung, Entwicklungsfreiräumen und mentaler Gesundheit in Einklang zu bringen.
Aufstieg ohne Burnout: Arbeitszeitmodelle in der Transformation
Auch der klassischen „Billable Hour“ („abrechenbare Stunde“) steht man zunehmend skeptisch gegenüber. Kritiker:innen sind der Meinung, sie förderten Überstunden, belohnen ineffizientes Arbeiten und machen Innovation unattraktiv. Rund 60 % der Kanzleien in Europa erwarten laut einer Studie aus dem Jahr 2024, dass künftig weniger Stunden abgerechnet werden können, weswegen sie vermehrt auf alternative Abrechnungsmodelle setzen.
Dazu zählen beispielsweise:
- Pauschalhonorare für bestimmte Leistungen.
- Flatrates für wiederkehrende Mandate.
- Abonnementmodelle für Unternehmensmandanten.
- Ergebnisorientierte Honorierung bei klaren Zielvereinbarungen.
Parallel dazu entstehen neue Arbeitszeitmodelle, die von reduzierten Zielstunden (z.B. 1.600 statt 1.900 Stunden pro Jahr) bis hin zu Blockfreizeiten und Jahresarbeitszeitkonten reichen. Besonders spannend: Auch auf Partnerebene werden diese Modelle vermehrt genutzt. So können erfahrene Rechtsanwält:innen in Spitzenzeiten hochfahren, während sie sich in ruhigeren Phasen Freiräume nehmen können. Ein effektives Mittel also für die mentale Gesundheit und ein starkes Signal an die Belegschaft, dass Work-Life-Balance nicht nur auf dem Papier existiert.
Leadership ohne Partnerstatus: Wer führt eigentlich wen?
Früher galt der klassische Grundsatz: Wer Partner:in ist, führt. Doch diese Gleichung geht immer seltener auf. Führung wird zunehmend als Kompetenz verstanden und weniger als Status. Und so entstehen in vielen modernen Kanzleien inzwischen Rollen, die klassische Führung neu definieren und vom Partnerstatus entkoppeln.
Beispielsweise übernehmen Team Leads operative Verantwortung im Tagesgeschäft und koordinieren die Abläufe innerhalb einzelner Teams oder Projekte. Parallel dazu gibt es sogenannte Practice Group Heads, die für die fachliche Entwicklung innerhalb bestimmter Rechtsgebiete verantwortlich sind. Sie sorgen dafür, dass Know-how aufgebaut, weitergegeben und strategisch eingesetzt wird, unabhängig von wirtschaftlicher Beteiligung. Auf der nächsthöheren Ebene treten zunehmend Funktionen wie Chief Operating Officer (COO) oder Chief Innovation Officer (CINO) in Erscheinung. Diese Positionen sind meist strategisch angelegt und kümmern sich um die Weiterentwicklung der Kanzlei durch Digitalisierung, Prozessoptimierung oder neue Mandatsmodelle.
Diese Positionen sind oft besetzt mit Persönlichkeiten, die nicht zwingend Partner:innen sind, aber dennoch entscheidende Führungsaufgaben übernehmen. Das erhöht die Vielfalt im Bereich Legal Leadership und ermöglicht es, die besten Köpfe für die jeweiligen Aufgaben zu gewinnen, unabhängig vom juristischen Status oder wirtschaftlicher Beteiligung.