1 Jahr Ausland als Jurist - Paris Frankreich - Karriere Magazin TalentRocket

Verfasst von Sebastian M. Klingenberg

Mein Auslandsjahr in Paris

Erfahrungsbericht einer Juristin mit Doppeldiplomabschluss im Ausland...

Christine Beneke (31) berichtet über ihre Auslandserfahrungen. Sie absolvierte im Rahmen ihres Jurastudiums an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz ein Auslandsjahr in Frankreich. Vor dem Referendariat war sie nochmals für drei weitere Jahre in Frankreich, um dort an der Ecole Nationale d’Administration zu studieren. Sie hat nun im Kapitalmarkt- und Deliktsrecht promoviert und arbeitet seit 2017 in Köln als Rechtsanwältin bei einer deutsch-französischen Kanzlei.
 

Wann und wo hast du dein Auslandsjahr absolviert?

Ich war von 2006 bis 2007 in Paris an der Universität Paris XII.

Wieso hast du dich für Paris entschieden?

Irgendwann einmal für eine gewisse Zeit in Paris zu leben, das war schon immer ein Traum von mir: Ich war als Kind auf einer Urlaubsreise dort und habe mich in die Stadt und das Land verliebt. Seit ich Französisch in der Schule gelernt habe, bin ich allgemein sehr „frankophil“.

Daher habe ich auch erst überlegt, Französisch zu studieren. Schließlich habe ich mich dann aber gegen ein klassisches Sprachenstudium, sondern für ein Jurastudium mit internationaler Ausrichtung auf Frankreich entschieden.

Ich habe aus meiner heutigen Sicht schon damals für mich richtig eingeschätzt, dass so meine Berufsperspektiven weitreichender und interessanter sind.

Die Kombination aus Sprache und Jura ist besonders reizvoll, weil sich das Recht von Land zu Land ändert und die Sprache das Hauptarbeitsmittel von Juristen ist: In einer international immer stärker zusammenwachsenden Welt ist eine Kombination aus Sprach- und Rechtskenntnissen deshalb sehr wertvoll.

„Einfach nur deutsches Recht“ hätte ich dagegen gar nicht unbedingt studieren wollen, so dass ich fast sagen muss, dass der Auslandsbezug für meine Studienentscheidung vorrangig war gegenüber der juristischen Ausrichtung.

 

Wurdest du für das Auslandsjahr besonders gefördert?

Ich wurde durch die Studienstiftung, aus ERASMUS-Mitteln sowie von der Deutsch-Französischen Hochschule gefördert. Bei letzterer handelt es sich um einen Verbund von Partnerhochschulen aus Deutschland und Frankreich, der binationale Studiengänge und Abschlüsse in Deutschland und Frankreich organisiert, und zwar an vielen Universitäten in Deutschland und Frankreich und für die unterschiedlichsten Fachrichtungen, nicht nur für Jura.

Wer sich hingegen für einen Auslandsaufenthalt in anderen (europäischen) Ländern interessiert, sollte sich über ERASMUS-Förderung sowie Programme des DAAD und der Studienstiftung informieren, da gibt es viele interessante Möglichkeiten.

Wie sieht das Studium in Frankreich aus?

Das Studium in Frankreich ist nach Studienjahren aufgebaut, an deren Ende man einen Abschluss erhalten kann. Ich habe die gleichen Veranstaltungen besucht und die gleichen Prüfungen gehabt wie die französischen Studenten, so dass ich am Ende einen Master-Abschluss bekommen habe.

Insofern ist es gerade auch in Frankreich sinnvoll, den Auslandsaufenthalt nicht nur für ein Semester, sondern für ein ganzes Jahr zu planen und im Rahmen eines organisierten Doppeldiplomstudiengangs zu absolvieren: Ein Abschluss wertet einen Auslandsaufenthalt ganz erheblich auf!

Inhaltlich ist das französische Recht trotz mancher Überschneidungen in vielerlei Hinsicht ganz anders als das deutsche. Das macht den Auslandsaufenthalt zu einer besonderen Erfahrung. Besonders gewöhnungsbedürftig waren allerdings die Vorlesungen.

Die Professoren sind in Frankreich oft ziemlich „unnahbar“ und eine Vorlesung besteht tatsächlich darin, dass der Professor aus seinem Manuskript oder seinem Buch „vorliest“. Die Veranstaltung ist in der Regel nicht interaktiv, Fragen werden meistens keine gestellt.

Das Hauptproblem war deshalb das Mitschreiben: Gerade am Anfang, wenn viele Vokabeln noch nicht geläufig sind, fällt das sehr schwer. Das genaue Mitschreiben ist allerdings im Hinblick auf die Klausuren sehr wichtig: Es werden in Frankreich viel weniger juristische Fälle gelöst als in Deutschland und die erwartete Transferleistung ist weitaus geringer.

Es wird dafür aber erwartet, dass die in der Vorlesung präsentierten Inhalte im Grunde wortgenau wiedergegeben werden. So müssen etwa die Gliederungen der Vorträge oder Definitionen im Grunde Wort für Wort auswendig gelernt werden.

 

Konntest du dir dein Auslandsjahr anrechnen lassen?

Ich konnte mir das Auslandsjahr komplett als Schwerpunktstudium anrechnen lassen, ohne in Deutschland nochmals eine schriftliche oder mündliche Prüfung ablegen zu müssen.

Darüber hinaus konnte ich durch den Doppeldiplomstudiengang der Deutsch-Französischen Hochschule den französischen Master und zusätzlich noch einen deutsch-französischen Magister iuris in Rechtsvergleichung machen. Dafür muss man allerdings noch eine Magisterarbeit schreiben.

Mein Tipp ist außerdem, für mindestens ein Jahr ins Ausland zu gehen, damit man die Sprache besser lernen und wirklich im Gastland „ankommen“ kann.
Christine Beneke

Was waren deine besten Erfahrungen im Rahmen der Uni? Welche Erfahrungen waren vielleicht weniger gut?

Aufgrund der guten Organisation durch die Deutsch-Französische Hochschule verlief das Studium in Frankreich ohne Probleme: Es war immer ein Ansprechpartner für uns ausländische Studenten vorhanden, das Austauschprogramm war allseits bekannt und man war nicht als Einzelkämpfer völlig auf sich allein gestellt, was beispielsweise administrative Angelegenheiten anging.

Auch das ist ein großer Vorteil eines organisierten Austauschprogramms gegenüber einem Auslandsaufenthalt „auf eigene Faust“. Eine sehr schöne Erfahrung in Bezug auf das Jurastudium an sich war die Erkenntnis, dass rechtliche Inhalte nicht vom Himmel fallen oder als vorausgesetzt angesehen werden können, sondern vielmehr geschichtlich, politisch und kulturell geprägt sind. Deswegen sind sie von Land zu Land unterschiedlich.

Etwas unangenehm gerade für ausländische Studenten sind wahrscheinlich die mündlichen Prüfungen: Es war für mich schon eine Stresssituation, dass ein Professor mich zehn Minuten lang stumm fixierte und sich wortwörtlich irgendein Kapitel seiner Vorlesung von mir nacherzählen ließ.

 

Und was waren deine schönsten bzw. weniger schönen Erfahrungen außerhalb der Uni?

An der Universität habe ich leider den Eindruck gewonnen, dass in Paris die französischen Studenten nicht sonderlich offen gegenüber ausländischen Kommilitonen sind. Die meisten ausländischen Studenten bleiben, auch deshalb, unter sich. Dabei ist es so wichtig, sich auch außerhalb der Uni in Frankreich zu vernetzen und Freunde zu finden.  

Es gibt in Paris einen internationalen Jugendclub, den Club International des Jeunes de Paris, eine auf privater Initiative beruhende Organisation, die Stadtführungen, Partys, Exkursionen, kleine Sprachkurse, Länderabende und vieles mehr veranstaltet.

Ich habe dort viele Freunde kennengelernt, nicht nur Franzosen, sondern junge Leute aus ganz Europa, mit denen ich auch noch heute, zehn Jahre später, sehr engen Kontakt habe. Das war für mich sicherlich der schönste Aspekt meines Auslandsjahres.

 

Hat dich dein Auslandsaufenthalt in irgendeiner Form verändert?

Auf jeden Fall. Ich würde sagen, durch das Auslandsjahr bin ich erst wirklich „erwachsen“ geworden. Das Erlebnis, in einem vergleichsweise „fremden“ Land gänzlich auf sich selbst gestellt zu sein und doch zurechtzukommen, stärkt das Selbstbewusstsein enorm.

Außerdem lernt man dabei, wer man wirklich ist und wie man leben möchte. Für meine Persönlichkeitsbildung war mein Jahr in Paris deshalb einer der entscheidendsten Momente. Auch mein beruflicher Werdegang ist hiervon ganz eindeutig geprägt worden. Ich kann also jedem nur empfehlen, ein Auslandsjahr im Studium einzuplanen.

Hat sich dein Auslandsaufenthalt auf deine Berufschancen und / oder auf deine spätere Berufswahl ausgewirkt?

Ein Auslandsaufenthalt ist auf jeden Fall ein toller Punkt im Lebenslauf, und ein Auslandsaufenthalt mit Abschluss umso mehr. Zwar muss ich sagen, dass je nach Berufswunsch die möglichen Arbeitgeber, wie etwa Großkanzleien, sehr stark auf Auslandserfahrung in Großbritannien und vor allem den USA schauen.

Ein im englischsprachigen Ausland erworbener LL.M. ist da manchmal so wertvoll wie ein Doktortitel. Mit Auslandserfahrung in anderen Ländern gilt man da vergleichsweise als Exot, auch weil die alltägliche Arbeit in Großkanzleien weitgehend in englischer Sprache abläuft.

Trotzdem sollte man sich meiner Meinung nach nicht ausschließlich nach seinen Karrierechancen orientieren oder daran, wo sich vielleicht das meiste Geld verdienen lässt. Es war schon immer mein Herzenswunsch, nach Frankreich zu gehen.

Und wenn man dem folgt, was man gerne tut, setzt das ungeahnte Energien frei und macht glücklich. Für mich hat sich der Auslandsaufenthalt in Frankreich tatsächlich auf meine Berufschancen ausgewirkt, da ich nun in einer Kanzlei arbeite, die auf deutsch-französische Rechtsberatung spezialisiert ist.

Ein solches zweisprachiges Arbeitsumfeld möchte ich nicht mehr missen. Schließlich verbringt man einen großen Teil seines Lebens bei der Arbeit. Insofern war mein Auslandsstudium die Eintrittskarte für meinen Traumberuf.  

 

Welche Tipps würdest du Interessierten geben?

Wenn es sich zeitlich und finanziell ermöglichen lässt, kann ich einen Auslandsaufenthalt jedem nur wärmstens empfehlen. Eine solide Finanzierung ist dabei ganz wichtig, etwa durch Stipendien, Erspartes oder Elternunterstützung. Gerade ein Jahr in Paris ist auch ohne Luxusansprüche eine sehr teure Angelegenheit: Die Mieten sind teuer und die sonstigen Lebenshaltungskosten auch.

Mein Tipp ist außerdem, für mindestens ein Jahr ins Ausland zu gehen, damit man die Sprache besser lernen und wirklich im Gastland „ankommen“ kann. Außerdem ist es aus meiner Sicht wichtig, wenn möglich an einem existierenden Doppeldiplomstudiengang teilzunehmen, weil dadurch ein großer Teil der Organisation erleichtert wird.

Ist man einmal im Ausland, sollte man auch das Beste daraus machen, also nicht nur Zeit mit deutschen Kommilitonen zu verbringen, sondern sich wirklich darum bemühen, Freunde vor Ort zu finden und an der Kultur des Gastlandes teilzuhaben.

Vielen Dank, Christine Beneke!

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