Mann mit Baby im Arm

Veröffentlicht am 08.11.2023

Wie wichtig ist die Kinderbetreuung für männliche Juristen?

Ergebnisse unserer Umfrage – Part 1: Männer und ihre Einstellung zur Elternzeit

Das Thema Kinderbetreuung ist durch die Diskussion um die Kürzung des Elterngeldes Mitte diesen Jahres wieder in den medialen Fokus gerückt. Das Elterngeld wird heute nahezu von allen frisch gewordenen Eltern (und auch zunehmend mehr Männern) beantragt. Dennoch hat sich die Erwerbstätigkeit von Vätern nicht nachhaltig verändert: Während Frauen im Schnitt 14,6 Monate Elternzeit beantragen und der Kinderbetreuung auch danach mehr Zeit einräumen, sind es bei Männern nur 3,6 Monate – danach arbeiten sie wieder in Vollzeit.*

Bei der Kinderbetreuung gibt es nach wie vor eine Kluft zwischen Männern und Frauen. Blickt man auf die Arbeitsmoral und Arbeitszeiten im Rechtsbereich, erscheint die Vereinbarkeit von Karriere und Familie zudem häufig schwierig. Der Verdacht, dass die Elternzeit sowie Kinderbetreuung bei männlichen Juristen deshalb eher kurz ausfällt, liegt nahe. Fakt oder Vorurteil? Wir haben nachgefragt:

Wie viel Zeit verbringen Väter nach der Geburt tatsächlich mit ihrem Nachwuchs? Welcher Anteil an Männern ist bereit, in Elternzeit zu gehen? Und wer reduziert die Arbeitszeit nach der Geburt des Kindes? Wir haben die Insights unserer Online Umfrage mit 175 Talenten im Folgenden aufbereitet.**

Die wichtigsten Insights im Überblick: 

  • Männer, die noch keine Kinder, aber einen Kinderwunsch haben, möchten mehr Elternzeit nehmen, als die männlichen Befragten, die bereits Elternzeit genommen haben
  • Die Mehrheit der befragten Väter und Männer mit Kinderwunsch möchte nach der Elternzeit ihre reguläre Arbeitszeit zugunsten der Kinderbetreuung nicht reduzieren
  • Männer, die nicht in Elternzeit gehen bzw. gegangen sind, nennen v.a. finanzielle Gründe für ihre Entscheidung
  • Es ist eine Korrelation zwischen Elternzeit und anschließender Reduktion der Arbeitszeit festzustellen. Juristen, die keine Elternzeit nehmen, reduzieren auch seltener die Arbeitszeit

1. Warum nehmen Männer die Elternzeit in Anspruch?

Wie eingangs schon erwähnt, liegt der Fokus unserer Auswertung auf dem männlichen Geschlecht. 55 % der befragten Männer gaben an, bereits ein Kind oder Kinder zu haben. Von den teilnehmenden Männern, die aktuell noch kein:e Kind:er haben, gaben 97 % an, in der Zukunft eine Familie zu planen und ein Kind zu haben. Es wird deutlich: Die Familienplanung ist beinahe für alle Teilnehmer ein wichtiges Thema. Doch wie stehen diese beiden Gruppen zum Thema Elternzeit? Unterscheiden sich Väter und Männer mit Kinderwunsch in ihren Einstellungen zur Auszeit?


Anteil und Dauer der Elternzeit

1. Männer mit Kindern

Auf die Frage hin, ob sie in den ersten Jahren nach der Geburt ihres Kindes/ihrer Kinder in Elternzeit gegangen sind, antworten über die Hälfte der Männer, die bereits ein Kind haben, mit Ja. (49 % "Ja", 11% "Ja, bei mindestens einem"). 40 % der Befragten Männer nahmen keine Elternzeit in Anspruch.

Über die Hälfte der befragten Männer sind in Elternzeit gegangen – das mag erst einmal nach einer soliden Quote klingen. Sehen wir uns nun einmal genauer an, wie lange sie sich diese Auszeit genommen haben:

  • Die Mehrzahl der befragten Väter (62 %), haben die Elternzeit für 2-4 Monate beantragt
  • Nur 17 % der Väter nahmen 9-12 Monate Elternzeit

 

Wie lange bist du in Elternzeit gegangen?

Mit diesen Zahlen bewegt sich die juristische Zielgruppe also ziemlich genau im landesweiten Durchschnitt der Männer (3,6 Monate).

 

2. Männer mit Kinderwunsch

Wie eingangs schon erwähnt, hegt die große Mehrheit (97 %) der befragten Männer, die bisher kein:e Kind:er haben, den Wunsch, dies in Zukunft zu ändern. Wie den Männern mit Kind:ern haben wir auch ihnen die Frage gestellt, ob sie in den ersten Jahren nach der Geburt in Elternzeit gehen möchten – mit eindeutigem Ergebnis: Ganze 78% der Männer mit Kinderwunsch planen, Elternzeit zu nehmen. Das ist ein deutlich höherer Anteil als unter den Männern, die die Entscheidung für oder gegen die Elternzeit in der Vergangenheit schon getroffen haben (60 %).

Betrachten wir nun die Antworten auf die Frage, wie lange die Elternzeit dauern soll:

  • Der größte Anteil (45 %) gab an, 5-8 Monate Elternzeit nehmen zu wollen
  • Nur 31 % wollen für 2-4 Monate in Elternzeit gehen
  • Ähnlich sieht das Bild bei der Dauer von 9-12 Monaten aus – nur 17 % der Männer mit Kinderwunsch planen mit diesem Zeitfenster

 

Wie lange wirst du in Elternzeit gehen?

An dieser Stelle wird deutlich, dass Männer, die künftig eine Familie planen, mehr Elternzeit nehmen wollen, als die männlichen Talente, die bereits Elternzeit genommen haben.

78% der Männer mit Kinderwunsch planen, Elternzeit zu nehmen. Unter den Männern, die die Elternzeit-Entscheidung in der Vergangenheit bereits getroffen haben, liegt der Anteil bei 60 %.

Gründe für die Elternzeit

1. Männer mit Kindern

Es gibt verschiedene Gründe, warum Eltern sich für die Elternzeit entscheiden. Was sagen unsere befragten Juristen – genauer gesagt Väter – dazu?

  • 82 % der Männer gaben an, dass sie mehr Zeit mit dem Kind verbringen und bei der Betreuung unterstützen wollten
  • Nur 32 % der Väter wollten dadurch der Mutter/dem anderen Elternteil ermöglichen, wieder arbeiten zu gehen

 

Warum bist du in Elterzeit gegangen?

(Im Rahmen der Umfrage war eine Mehrfachnennung möglich)

 

2. Männer mit Kinderwunsch

Auch bei den Männern, die Väter werden möchten, steht das Argument, mehr Zeit mit dem Kind verbringen zu wollen, ganz oben auf der Liste der Gründe für die Elternzeit:

  • 90 % gaben an, die Elternzeit zu nutzen, um mehr Zeit mit dem Kind zu verbringen
  • 79 % möchten bei der Betreuung unterstützen
  • Nur 24 % möchten die Zeit nutzen, um mit der Familie zu reisen bzw. eine Auszeit zu nehmen. Bei Vätern, die die Elternzeit bereits in Anspruch genommen haben, lag diese Antwort noch etwas weiter vorne.

 

Warum wirst du in Elternzeit gehen?

(Im Rahmen der Umfrage war eine Mehrfachnennung möglich)

36 % der Männer, die Elternzeit genommen haben, taten dies, um mit der Familie zu reisen oder eine Auszeit zu nehmen. Nur 24 % der Männer mit Kinderwunsch möchte die Elternzeit aus diesem Grund nehmen.

Arbeitszeitreduzierung nach der Elternzeit

Um nachhaltig bei der Kinderbetreuung zu unterstützen, gibt es neben der Elternzeit auch die Möglichkeit, die reguläre Arbeitszeit nach der Geburt zu reduzieren – theoretisch. Unsere Umfrage zeigt, dass diese Option bisher eher von wenigen Juristen wahrgenommen wird.

1. Männer mit Kindern

Nur knapp ein Drittel (32 %) der befragten Väter haben ihre Arbeitszeit nach der Geburt herabgesetzt. Damit sind 68 % direkt zu ihrer regulären Arbeitszeit zurückgekehrt.

Hast du nach der Geburt deines Kindes/deiner Kinder deine reguläre Arbeitszeit reduziert, um bei der Betreuung zu unterstützen?

Die Gründe in der Übersicht:

  • 47 % der Befragten kehrten aus finanziellen Gründen wieder zu ihrer regulären Arbeitszeit zurück
  • 21 % gaben an, dass die Mutter/das andere Elternteil die Betreuung übernommen hat
  • 16 % nannten die fehlende Unterstützung des Arbeitgebers als Grund, die Zeit nicht zu reduzieren

 

Warum wirst du deine Arbeitszeit nach der Geburt deines Kindes nicht reduzieren?

(Share of respondents)

2. Männer mit Kinderwunsch

Auch bei den befragten Männern mit Kinderwunsch zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Hier plant zwar ein etwas größerer Anteil, die Arbeitszeit nach der Geburt zu reduzieren – jedoch möchte ein Großteil der Befragten wieder zu den regulären Arbeitszeiten zurückkehren.

Planst du nach der Geburt deines Kindes deine reguläre Arbeitszeit zu reduzieren, um bei der Betreuung zu unterstützen?

Der finanzielle Faktor wird hier nicht als alleiniger Grund an der Spitze genannt:

  • 33 % nannten sowohl finanzielle Gründe als auch die Tatsache, dass die Mutter/das andere Elternteil die Betreuung übernimmt
  • 8 % begründen die Entscheidung mit ihrer wichtigen Position im Unternehmen

 

Warum wirst du deine Arbeitszeit nach der Geburt deines Kindes nicht reduzieren?

(Share of respondents)

Was bei dieser Auswertung auffällt, ist, dass keiner der Befragten mit Kinderwunsch die fehlende Unterstützung des Arbeitgebers als Grund nennt. Eine abschließende Bewertung können wir an dieser Stelle sicher nicht geben – das Ergebnis könnte jedoch ein Indiz dafür sein, dass juristische Arbeitgeber die flexiblere Gestaltung von Arbeitszeitmodellen immer mehr unterstützen. (→ Hier findest du mehr Insights zur Unterstützung der Arbeitgeber bei der Kinderbetreuung)


2. Warum nehmen Männer die Elternzeit nicht in Anspruch?

Mindestens genauso spannend wie die Gründe, Elternzeit zu nehmen, sind die Gründe, die für unsere Befragten dagegen sprechen. Werfen wir nun einen Blick auf die befragten Väter und Männer, die zwar Kinder oder einen Kinderwunsch haben, sich aber dennoch gegen die Elternzeit entschieden haben bzw. entscheiden würden. Was sind ihre Beweggründe und ergibt sich zwischen den Vätern und werdenden Vätern ein differenziertes Bild?

 

Gründe gegen die Elternzeit

1. Männer mit Kindern

Blickt man auf die Antworten der Väter auf die Frage, warum sie sich gegen die Elternzeit entschieden haben, wird ein eindeutiges Ergebnis sichtbar:

  • Finanzielle Gründe sind für 63 % der befragten Männer der ausschlaggebende Faktor, nicht in Elternzeit zu gehen
  • An zweiter Stelle liegt mit 58 % die Tatsache, dass die Mutter bzw. das andere Elternteil die gesamte Elternzeit nehmen wollte

 

Warum bist du nicht in Elternzeit gegangen?

(Im Rahmen der Umfrage war eine Mehrfachnennung möglich.)

Diese Antworten erscheinen wenig überraschend – und sind eng miteinander verknüpft. In den meisten Familien ist es auch heute noch so, dass der Mann das höhere Einkommen hat und die Entscheidung häufig so getroffen wird, dass der/die Partner:in mit dem geringeren Einkommen die Betreuung übernimmt (→ Mehr Infos zur Gender Pay Gap in der Rechtsbranche).

 

2. Männer mit Kinderwunsch

Kommen wir nun zu dem Anteil der Männer, der zwar Kinder haben möchte, jedoch nicht in Elternzeit gehen will. Die Ursachen für diese Planung sehen wie folgt aus:

 

Warum wirst du nicht in Elternzeit gehen?

(Im Rahmen der Umfrage war eine Mehrfachnennung möglich.)

Finanzielle Gründe liegen mit 38 % auch hier an erster Stelle - jedoch fällt der Anteil geringer aus als bei den Vätern. Die Wichtigkeit der eigenen Position rückt als Grund gegen die Elternzeit etwas nach vorne.

Der finanzielle Faktor ist sowohl für Väter als auch Männer mit Kinderwunsch der Hauptgrund gegen die Elternzeit.

Gründe gegen die Arbeitszeitreduzierung trotz fehlender Elternzeit

1. Männer mit Kindern

Eine gewisse Zeit in Elternzeit zu gehen, um bei der Betreuung zu unterstützen, ist eine Sache. Nach der Geburt der Kinder die Arbeitszeit anzupassen, um auch nach dem Ausnahmezustand der Elternzeit mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können, eine andere. Wie viele männliche Talente entscheiden sich hierfür?

Es wird sehr deutlich, dass diese Option bisher nur von wenigen männlichen Juristen angenommen wird:

  • Nur 11 % der Befragten gaben an, die Arbeitszeit nach der Geburt reduziert zu haben – ein deutlich geringerer Anteil als unter den Juristen, die auch Elternzeit in Anspruch nahmen
  • Damit kehrten also ganze 89 % nach der Elternzeit wieder zu ihrer vorherigen Wochenarbeitszeit zurück.

Die Gründe dafür liegen auch hier insbesondere im Finanziellen:

  • 41 % gaben den finanziellen Faktor als Grund gegen die Arbeitszeitreduzierung an
  • Jeweils 12 % gaben an, dass die Mutter/das andere Elternteil die Betreuung übernommen hat und eine zusätzliche Unterstützung nicht nötig war
  • Nur 6 % der Juristen begründeten ihre Entscheidung mit ihrer wichtigen Position im Unternehmen
  • Niemand nannte die fehlende Unterstützung des Arbeitgebers

 

Warum hast du deine Arbeitszeit nicht reduziert?

(Im Rahmen der Umfrage war eine Mehrfachnennung möglich.)

 

2. Männer mit Kinderwunsch

Unter den Männern mit Kinderwunsch möchten 50 % der Befragten nach der Elternzeit auch die eigene Arbeitszeit reduzieren. Die andere Hälfte möchte wieder zu ihrer regulären Arbeitszeit zurückkehren.

Auch in dieser Gruppe zeichnet sich ab, das finanzielle Gründe das stärkste Argument gegen die Reduzierung der Arbeitszeit sind. Da die Stichprobe diesem Segment jedoch gering ausfiel und die Repräsentativität nicht ausreichend gegeben ist (n=8), beleuchten wir die Gründe für diese Entscheidung an dieser Stelle nicht im Detail.

Nur 11 % der befragten Männer ohne Elternzeit gaben an, die Arbeitszeit nach der Geburt reduziert zu haben – ein deutlich geringerer Anteil als unter den Juristen, die Elternzeit in Anspruch nahmen.

3. Elternzeit in verschiedenen Altersgruppen

Unsere Gesellschaft ist im stetigen Wandel und auch Familienmodelle und -organisationen unterliegen Veränderungen: Während früher die Kinderbetreuung ganz klar den Frauen zugeordnet wurde, stellen wir heute zumindest eine höhere Beteiligung der Männer fest. Ist der väterliche Wunsch, nach der Geburt eines Kindes in Elternzeit zu gehen, demnach auch eine Generationenfrage? In unserer Umfrage haben wir uns das angesehen.

Betrachtet man die Väter, die bereits Kinder haben, lässt sich erkennen, dass die Elternzeit insbesondere durch jüngere Väter in Anspruch genommen wurde:

 

Bist du in den ersten Jahren nach der Geburt deines Kindes/deiner Kinder in Elternzeit gegangen?

Blicken wir nun auf die Männer, die einen Kinderwunsch haben, zeigt sich ein Ähnliches Bild:

 

Wirst du in den ersten Jahren nach der Geburt deines Kindes/deiner Kinder in Elternzeit gehen?

Es wird deutlich, dass die Elternzeit in der jüngeren Zielgruppe deutlich besser angenommen wird, als es beim älteren Teil der Befragten der Fall ist. Für das Segment mit Kindern bedeutet dies, dass die jüngere Altersgruppe häufiger in Elternzeit gegangen ist als die ältere, was auch auf gesellschaftlichen Veränderungen sowie die steigenden Akzeptanz der Elternzeit bei Männern zurückzuführen sein könnte. Der Wunsch nach Kindern besteht in der zweiten Gruppe insbesondere bis zu einem Alter von 40 Jahren.

5. Fazit & Ausblick

Die wichtigsten Insights unserer Umfrage haben wir schon zu Beginn gesammelt. An dieser Stelle möchten wir jedoch noch einmal gesondert auf weitere Punkte eingehen.

In unserer Auswertung wurde deutlich, dass sich das Betreuungsverhalten und insbesondere die Inanspruchnahme der Elternzeit nicht wesentlich von der restlichen Bevölkerung unterscheidet – und auch die Gründe sind vermeintlich die gleichen: Männliche Juristen, die sich gegen eine Elternzeit oder die Reduzierung ihrer Wochenarbeitszeit nach der Geburt entscheiden, tun dies meist aus finanziellen Gründen. Betrachtet man, dass Juristen vergleichsweise sehr gut entlohnt werden, lässt sich erahnen, dass dieses Problem in vielen Branchen noch stärker ins Gewicht fällt.

Die fehlende Unterstützung des Arbeitgebers bei der Inanspruchnahme der Elternzeit nennen zwar nur wenige Talente – dennoch können Arbeitgeber sicherlich dazu beitragen, männlichen Juristen die Elternzeit noch "schmackhafter" zu machen. Mehr männliche Role Models, die diesen Weg beschreiten, können dazu führen, das mehr geschlechtliche Gleichberechtigung in das Thema der Kinderbetreuung Einzug erhält.


Entdecke weitere Insights unserer Umfrage


* Quelle: Statistisches Bundesamt

** Infos zur Stichprobe: 

Im September 2023 wurde eine anonyme Online Umfrage mit 175 Talenten durchgeführt. (Geschlechterverteilung: 51% weiblich, 49% männlich, 1% divers; Verteilung auf Arbeitgebertypen: 25% Unternehmen, 23% Großkanzlei, 20% mittelständische Kanzlei, 18% öffentlicher Dienst, 14 % Boutique Kanzlei).