Juristin in ihrem Büro führt einen Video Call über ihr Handy

Veröffentlicht am 05.09.2025

Wiedereinstieg als Jurist:in

Elternzeit als Teil der Karriere

Die Geburt eines Kindes verändert alles. Neue Bedürfnisse, Routinen und Emotionen stehen plötzlich im Mittelpunkt. Die Elternzeit unterbricht deinen gewohnten beruflichen Rhythmus ganz bewusst und schenkt dir Raum für diese besondere Lebensphase. Nach der intensiven Zeit mit deinem Kind kommt der Moment, in dem du dich fragst: Wie finde ich meinen Weg zurück in den juristischen Alltag – mit all seinen Herausforderungen, aber auch neuen Chancen?

Die Rückkehr ins Berufsleben ist dabei selten ein einfacher „Reset“, denn deine neuen privaten Prioritäten werden auch deine beruflichen Rahmenbedingungen verändern: Teamstrukturen haben sich möglicherweise gewandelt, Mandate wurden neu verteilt, fachliche Anforderungen sind gestiegen und nicht zuletzt werden sich auch deine persönlichen Vorstellungen von Karriere, Arbeitszeit und Verantwortung verändert haben.

Arbeitszeitmodelle: Vollzeit oder Teilzeit?

Eine der zentralen Entscheidungen beim Wiedereinstieg nach der Elternzeit betrifft die Wahl des passenden Arbeitszeitmodells. Für dich stellt sich dabei die Frage: Zurück in die Vollzeit oder ist Teilzeit aktuell die bessere Option?

Während der Vollzeit-Einstieg eine schnellere Rückkehr in bestehende Strukturen und Karrierelaufbahnen ermöglicht, setzen viele Rückkehrende zunächst bewusst auf eine reduzierte Stundenzahl. Ob Inhouse oder (Groß-)Kanzlei, Teilzeit bietet dir zeitliche Flexibilität und schafft Raum für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gerade in der Übergangsphase. Wichtig ist dabei jedoch: Teilzeit bedeutet keineswegs den Verzicht auf inhaltlich anspruchsvolle Aufgaben oder Mandate. Vielmehr kommt es auf eine klare Kommunikation mit dem Arbeitgeber an, um Erwartungen, Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten von Anfang an transparent zu gestalten.

Zudem solltest du bei deiner Rückkehr frühzeitig intern ausloten, wie sich die Arbeitszeit konkret auf die Arbeitsorganisation auswirkt – etwa in Bezug auf Erreichbarkeiten, Terminabstimmungen mit Mandanten oder Teamabsprachen. Hier können hybride Modelle, also eine Kombination aus Präsenz- und Home-Office-Tagen, für dich zusätzliche Entlastung schaffen.

Kanzleien und Unternehmen sind zunehmend bereit, flexible Modelle zu ermöglichen. Voraussetzung ist allerdings, dass sowohl Arbeitnehmer:innen als auch die Arbeitgeber ein gemeinsames Verständnis von realistischen Anforderungen und gegenseitigem Vertrauen entwickeln. Die Vor- und Nachteile hast du hier im Überblick:

 
Kategorie Vollzeit Teilzeit
Vorteile
  • Schnellerer Wiedereinstieg in bestehende Mandate und Abläufe
  • Bessere Sichtbarkeit im Team und bei Mandanten
  • Klare Karriereperspektive, z. B. auf dem Weg zur Partnerschaft
  • Höheres Einkommen im Vergleich zur Teilzeit
  • Vollständige Integration in Meetings, Projekte und Entscheidungsprozesse
  • Mehr zeitliche Flexibilität für Familie, Betreuung, eigene Erholung
  • Sanfter Wiedereinstieg nach längerer Auszeit
  • Möglichkeit zur Fokussierung auf bestimmte Aufgaben (z. B. Fachprojekte)
  • Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben
  • Raum für individuelle Arbeitsmodelle (z. B. 3,5-Tage-Woche, projektbasierte Arbeit)
Nachteile
  • Weniger Flexibilität im Tagesablauf (z. B. bei Kinderbetreuung)
  • Höhere Belastung, insbesondere bei gleichzeitigem Familienmanagement
  • Erhöhter Abstimmungsbedarf im privaten Umfeld (z. B. Partner:in, Betreuung)
  • Risiko von Überforderung oder Vereinbarkeitskonflikten
  • Weniger Sichtbarkeit im Kanzleialltag oder bei Mandanten
  • Reduzierte Karrierechancen, wenn Teilzeit als z. B. Rechtsanwält:in mit geringerer Verantwortung gekoppelt wird
  • Verkürzte Reaktionszeiten, z. B. bei kurzfristigen Mandatsanfragen
  • Gefahr der „Vollzeit in Teilzeit“-Falle: gleiches Arbeitspensum bei reduzierter Zeit

Du suchst eine juristische Karriere nach deinen Vorstellungen?

Veränderungen im juristischen Alltag

Neue Teamstrukturen können bedeuten, dass frühere Kolleg:innen nicht mehr im Unternehmen sind oder neue Rollen übernommen haben. Auch die eigene Position innerhalb des Teams kann sich durch Umstrukturierungen oder personelle Verschiebungen verändert haben. Wenn du hier offen kommunizierst und dich proaktiv einarbeitest, gewinnst du rasch Zugang zum Team und vermeidest Missverständnisse.

Auch auf Mandantenseite kann es zu Veränderungen im Portfolio gekommen sein – etwa durch Neumandate, veränderte Anforderungen oder eine Verschiebung des Fokusses auf andere Rechtsgebiete. Als Rückkehrer:in solltest offen für fachliche Anpassungen sein und gleichzeitig aktiv deine bisherigen Erfahrungen einbringen. Dabei hilft dir ein strukturierter Wiedereinstieg, idealerweise unterstützt durch regelmäßige Austauschformate mit Vorgesetzten und Kolleg:innen, z. B. in Form von Onboarding-Gesprächen, fachlichen Updates oder internen Fortbildungen.

Neue Softwarelösungen, digitale Tools oder organisatorische Prozesse verändern oft auch Arbeitsweisen und technische Abläufe. Eine gezielte Einarbeitung oder das Einplanen kurzer Schulungen wird dir hier helfen, um schnell wieder produktiv zu sein.

Setzt du dich bewusst mit dem veränderten Umfeld auseinander und suchst aktiv den Dialog mit dem Team, wirst du deine Rückkehr nicht nur gut meistern, sondern auch neue Impulse setzen.

Unterstützung durch die Kanzlei

Natürlich ist ein gelungener Wiedereinstieg keine Einbahnstraße. Auch die Arbeitgeberseite trägt entscheidend dazu bei, dass du nach der Elternzeit gut in den Berufsalltag zurückfindest. Immer mehr Kanzleien und Rechtsabteilungen erkennen diesen Bedarf und bieten gezielte Unterstützung an, die über das klassische „Zurück am Schreibtisch“ hinausgeht.

Ein zentraler Baustein kann beispielsweise Maternity Coaching (oder auch Parental Coaching) sein – also ein begleitendes Angebot für werdende Eltern beim Übergang in die Elternschaft und bei der Rückkehr ins Berufsleben. Dabei steht im Fokus, Eltern dabei zu unterstützen, Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren sowie ihre berufliche Laufbahn zu sichern und gezielt weiterzuentwickeln. Ziel ist ein inklusiver, familienfreundlicher Ansatz, der das Wohl der Eltern und eine unterstützende Unternehmenskultur fördert.

Ebenso hilfreich sind flexible Arbeitsmodelle, etwa die Möglichkeit, bestimmte Tage im Home Office oder Remote zu arbeiten. Besonders in der sensiblen Phase nach der Elternzeit können solche Optionen oft ausschlaggebend für deine organisatorische Entlastung im Familienalltag sein. Einige Kanzleien bieten darüber hinaus individuelle Wiedereinstiegspläne, die z. B. eine schrittweise Erhöhung der Stundenanzahl, ein Mentoring oder gezielte Weiterbildungen vorsehen.

Ein weiteres wichtiges Signal der Unterstützung ist die kulturelle Offenheit gegenüber unterschiedlichen Lebensmodellen. Dazu gehört nicht nur die rein organisatorische Flexibilität, sondern auch eine Haltung, die den Wiedereinstieg nicht als Schwächung der Karriere wahrnimmt, sondern als Chance für langfristige Bindung und Weiterentwicklung.

Arbeitgeber:innen, die mit konkreten Angeboten und einer offenen Haltung auf Rückkehrer:innen zugehen, investieren nicht nur in deren Zufriedenheit, sondern auch in ihre eigene Zukunftsfähigkeit als moderne, familienfreundliche Kanzlei oder Rechtsabteilung.
 

Eigene Prioritäten und Verantwortungsbewusstsein

Der Wiedereinstieg nach der Elternzeit ist nicht nur ein organisatorischer, sondern auch ein persönlicher Prozess. Jurist:innen sollten die Rückkehr als Gelegenheit nutzen, die eigenen beruflichen Prioritäten bewusst zu überdenken: Was ist mir wichtig? Wo sehe ich mich fachlich? Wie viel Verantwortung möchte – und kann – ich derzeit übernehmen?

Während einige Rückkehrer:innen zügig wieder in Führungs- oder Mandatsverantwortung einsteigen wollen, bevorzugen andere eine Phase der Orientierung – etwa durch projektbezogene Aufgaben, fachliche Mitarbeit ohne unmittelbaren Mandantenkontakt oder zeitlich klar abgegrenzte Tätigkeiten. Beides ist legitim – entscheidend ist, dass die Erwartungen klar kommuniziert werden, sowohl gegenüber Vorgesetzten als auch dem Team.

Zudem lohnt es sich, die eigene berufliche Identität nicht als statisch zu verstehen: Die Elternzeit kann für dich eine Phase der persönlichen Reifung und Perspektiverweiterung sein – und damit neue Impulse für deine eigene Rolle im juristischen Kontext geben. Wenn du deine fachlichen Stärken, Interessen und Lebensrealitäten ehrlich reflektierst, kannst du eine Position wählen, die nicht nur zu deiner aktuellen Lebensphase passt, sondern auch langfristig tragfähig ist.

Ein weiterer Aspekt: Verantwortung übernehmen heißt nicht zwangsläufig, dass du rund um die Uhr verfügbar sein musst. Vielmehr geht es darum, innerhalb der gewählten Rolle verbindlich, zuverlässig und engagiert zu agieren, sei es als Jurist:in in Teilzeit, als Führungsperson oder als Spezialist:in für ein bestimmtes Rechtsgebiet.

Der Schlüssel zum erfolgreichen Wiedereinstieg liegt in deiner Selbstklärung. Weißt du, was du leisten willst und ebenso, wo deine Grenzen liegen, kannst du die Rückkehr aktiv und auf Augenhöhe mitgestalten.
 

Kanzlei vs. Inhouse – unterschiedliche Rahmenbedingungen

Nicht jede:r Jurist:in plant nach der Elternzeit eine Rückkehr an den vorherigen Arbeitsplatz – und nicht jede Rückkehr muss zwangsläufig in derselben Rolle erfolgen. Ein Blick auf die Unterschiede zwischen Kanzlei- und Inhouse-Positionen kann dir dabei helfen, die individuell passende berufliche Umgebung für deine neue Lebenssituation zu finden.

Insbesondere in Großkanzleien ist der Arbeitsalltag geprägt von hoher Taktung, engen Deadlines und direktem Mandantenkontakt. Der Zeitdruck und die Erwartungen an Verfügbarkeit sind oft hoch, was mit kleinen Kindern nur schwer zu vereinbaren sein kann, wenn keine Flexibilität geboten wird.

Inzwischen öffnen sich zunehmend Kanzleien für hybride Modelle und flexible Arbeitszeitregelungen. So hat die internationale Kanzlei Mayer Brown hat das Programm „Capitalizing Gender Equality“ ins Leben gerufen, um die Karrieren junger Eltern während und nach der Elternzeit gezielt zu unterstützen. Kern des Programms ist der freiwillige „Career Assistance Plan“ (CAP), der individuell mit Anwält:innen in Elternzeit entwickelt wird. Ziel ist es, den Kontakt zur Kanzlei und zu Mandanten zu erhalten, damit die Elternzeit die Karriereambitionen nicht ausbremst. Es sind flexible Teilzeitlösungen möglich, bei denen die Betroffenen selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang eine Rückkehr in Teilzeit während der Elternzeit erfolgt. Zur finanziellen Unterstützung erhöht Mayer Brown das Teilzeitgehalt um 10 % im Rahmen eines „Career Assistance Plan“ (CAP). Die Kanzlei bietet außerdem ein „Return-to-Work Coaching“ nach längerer Elternzeit an und schafft familienfreundliche Rahmenbedingungen: In Frankfurt gibt es u. a. ein Spielzimmer, ein Elternbüro und Ruhemöglichkeiten mit Still- und Wickelraum. Dies ist aber längst noch nicht überall Standard.

Im Vergleich dazu bieten Inhouse-Jobs, etwa in Rechtsabteilungen von Unternehmen, oft strukturiertere Arbeitszeiten, eine geringere Reiseintensität und mehr Planbarkeit im Tagesablauf. Auch projektbezogenes Arbeiten, etwa im Rahmen von Compliance- oder Datenschutzprojekten, ermöglichen dir oft eine klare Abgrenzung und damit eine bessere Vereinbarkeit mit familiären Verpflichtungen.

Strebst du als Rückkehrer:innen (vorerst) keine Vollzeitstelle an, kann auch eine projektbasierte Tätigkeit eine attraktive Lösung für dich sein – sei es im Rahmen eines befristeten Mandats, als Legal Interim Counsel oder in beratender Funktion. Solche Modelle ermöglichen es dir, fachlich aktiv zu bleiben, ohne sich sofort langfristig an ein festes Arbeitsverhältnis zu binden.

Verstehst du den Wiedereinstieg nicht nur als Rückkehr, sondern als bewusste Neujustierung, solltest du offen für unterschiedliche Arbeitsmodelle sein. Ein Wechsel deiner juristischen Umgebung kann neue Perspektiven eröffnen und dir eine bessere Balance zwischen Beruf und Familie ermöglichen.

Netzwerke und fachliche Anbindung aufrechterhalten

Ein erfolgreicher Wiedereinstieg beginnt idealerweise nicht erst mit dem ersten Arbeitstag, sondern bereits während der Elternzeit. Dies gilt vor allem dann, wenn du im juristischen Umfeld fachlich und beruflich am Ball bleiben möchtest. Der Kontakt zu Kolleg:innen, Mandanten und fachlichen Themen ist ein wichtiger Anker, der dir den Übergang erleichtert.

Viele Jurist:innen unterschätzen, wie hilfreich es ist, berufliche Netzwerke während der Elternzeit aktiv zu pflegen – sei es durch gelegentliche Teilnahme an Teammeetings, interne Newsletter, digitale Kaffeepausen oder auch den informellen Austausch mit Kolleg:innen. Selbst sporadischer Kontakt signalisiert: Ich bleibe Teil des Teams!
 

Was sollte ich beim juristischen Wiedereinstieg fachlich auffrischen?

Neben dem sozialen Netzwerk spielt auch deine fachliche Anbindung eine zentrale Rolle. Gesetzesänderungen, neue Rechtsprechung, sich wandelnde Anforderungen in bestimmten Mandatsbereichen – all das verändert sich auch während deiner mehrmonatigen oder -jährigen Auszeit. Damit du hier den Anschluss nicht verlierst, bieten sich digitale Weiterbildungsformate an, die sich flexibel in deinen Alltag integrieren lassen.


Welche Weiterbildungen eignen sich für Jurist:innen nach der Elternzeit?

Ein gutes Beispiel dafür sind die Online-Seminare des Deutschen Anwaltsinstituts (DAI) oder des Deutschen Anwaltsvereins. Dort findest du live Onlinevorträge aber auch Aufzeichnungen und andere Lerninhalte, die dir größtmögliche Flexibilität bieten und ermöglichen, auch mit eingeschränkter Verfügbarkeit fachlich auf dem Laufenden zu bleiben. Auch kurze Fachartikel, Podcasts oder juristische Newsletter können dir dabei helfen, dein Wissen aktuell zu halten und das ganz ohne formellen Weiterbildungsdruck. Regelmäßiger fachlicher Input und persönliche Vernetzung zahlen sich aus, sie machen deinen Wiedereinstieg sicherer und selbstbestimmter.

Der Wiedereinstieg - so individuell wie jede Lebenssituation

Ob Kanzlei oder Inhouse, Teilzeit oder Vollzeit, Führungsrolle oder fachliche Mitarbeit: Die Rückkehr aus der Elternzeit als Anwält:in kann mehr als nur ein organisatorischer Schritt sein – sie kann ein bewusster Neubeginn werden, der Chancen, Herausforderungen und Gestaltungsspielräume mit sich bringt.

Unabhängig davon, ob du deine Rückkehr als Widereinstieg oder Neubeginn siehst, entscheidend für einen gelungenen Übergang sind drei Dinge: Klarheit über deine eigenen Prioritäten, Transparenz in der Kommunikation mit deinem Arbeitgeber und ein realistischer Blick auf die aktuellen Anforderungen im juristischen Umfeld.

Wenn du den Kontakt zu deinem beruflichen Umfeld hältst, fachlich am Ball bleibst und offen für neue Arbeitsmodelle bist – sei es durch flexible Arbeitszeiten, projektbasiertes Arbeiten oder gezielte Weiterbildungen –, dann schaffst du nicht nur den Wiedereinstieg, sondern gestaltest deinen nächsten Karriereschritt bewusst und passend zu deinem Leben. Programme wie „Perspektive Wiedereinstieg“ des Bundesfamilienministeriums und der Bundesagentur für Arbeit helfen zusätzlich, den Übergang zurück ins Berufsleben zu erleichtern.

 

Eine praktische Unterstützung bietet auch unsere Checkliste für den gelungenen Wiedereinstieg, die alle wichtigen Punkte kompakt zusammenfasst.