Unterstützung durch die Kanzlei
Natürlich ist ein gelungener Wiedereinstieg keine Einbahnstraße. Auch die Arbeitgeberseite trägt entscheidend dazu bei, dass du nach der Elternzeit gut in den Berufsalltag zurückfindest. Immer mehr Kanzleien und Rechtsabteilungen erkennen diesen Bedarf und bieten gezielte Unterstützung an, die über das klassische „Zurück am Schreibtisch“ hinausgeht.
Ein zentraler Baustein kann beispielsweise Maternity Coaching (oder auch Parental Coaching) sein – also ein begleitendes Angebot für werdende Eltern beim Übergang in die Elternschaft und bei der Rückkehr ins Berufsleben. Dabei steht im Fokus, Eltern dabei zu unterstützen, Familie und Beruf besser miteinander zu vereinbaren sowie ihre berufliche Laufbahn zu sichern und gezielt weiterzuentwickeln. Ziel ist ein inklusiver, familienfreundlicher Ansatz, der das Wohl der Eltern und eine unterstützende Unternehmenskultur fördert.
Ebenso hilfreich sind flexible Arbeitsmodelle, etwa die Möglichkeit, bestimmte Tage im Home Office oder Remote zu arbeiten. Besonders in der sensiblen Phase nach der Elternzeit können solche Optionen oft ausschlaggebend für deine organisatorische Entlastung im Familienalltag sein. Einige Kanzleien bieten darüber hinaus individuelle Wiedereinstiegspläne, die z. B. eine schrittweise Erhöhung der Stundenanzahl, ein Mentoring oder gezielte Weiterbildungen vorsehen.
Ein weiteres wichtiges Signal der Unterstützung ist die kulturelle Offenheit gegenüber unterschiedlichen Lebensmodellen. Dazu gehört nicht nur die rein organisatorische Flexibilität, sondern auch eine Haltung, die den Wiedereinstieg nicht als Schwächung der Karriere wahrnimmt, sondern als Chance für langfristige Bindung und Weiterentwicklung.
Arbeitgeber:innen, die mit konkreten Angeboten und einer offenen Haltung auf Rückkehrer:innen zugehen, investieren nicht nur in deren Zufriedenheit, sondern auch in ihre eigene Zukunftsfähigkeit als moderne, familienfreundliche Kanzlei oder Rechtsabteilung.
Eigene Prioritäten und Verantwortungsbewusstsein
Der Wiedereinstieg nach der Elternzeit ist nicht nur ein organisatorischer, sondern auch ein persönlicher Prozess. Jurist:innen sollten die Rückkehr als Gelegenheit nutzen, die eigenen beruflichen Prioritäten bewusst zu überdenken: Was ist mir wichtig? Wo sehe ich mich fachlich? Wie viel Verantwortung möchte – und kann – ich derzeit übernehmen?
Während einige Rückkehrer:innen zügig wieder in Führungs- oder Mandatsverantwortung einsteigen wollen, bevorzugen andere eine Phase der Orientierung – etwa durch projektbezogene Aufgaben, fachliche Mitarbeit ohne unmittelbaren Mandantenkontakt oder zeitlich klar abgegrenzte Tätigkeiten. Beides ist legitim – entscheidend ist, dass die Erwartungen klar kommuniziert werden, sowohl gegenüber Vorgesetzten als auch dem Team.
Zudem lohnt es sich, die eigene berufliche Identität nicht als statisch zu verstehen: Die Elternzeit kann für dich eine Phase der persönlichen Reifung und Perspektiverweiterung sein – und damit neue Impulse für deine eigene Rolle im juristischen Kontext geben. Wenn du deine fachlichen Stärken, Interessen und Lebensrealitäten ehrlich reflektierst, kannst du eine Position wählen, die nicht nur zu deiner aktuellen Lebensphase passt, sondern auch langfristig tragfähig ist.
Ein weiterer Aspekt: Verantwortung übernehmen heißt nicht zwangsläufig, dass du rund um die Uhr verfügbar sein musst. Vielmehr geht es darum, innerhalb der gewählten Rolle verbindlich, zuverlässig und engagiert zu agieren, sei es als Jurist:in in Teilzeit, als Führungsperson oder als Spezialist:in für ein bestimmtes Rechtsgebiet.
Der Schlüssel zum erfolgreichen Wiedereinstieg liegt in deiner Selbstklärung. Weißt du, was du leisten willst und ebenso, wo deine Grenzen liegen, kannst du die Rückkehr aktiv und auf Augenhöhe mitgestalten.
Kanzlei vs. Inhouse – unterschiedliche Rahmenbedingungen
Nicht jede:r Jurist:in plant nach der Elternzeit eine Rückkehr an den vorherigen Arbeitsplatz – und nicht jede Rückkehr muss zwangsläufig in derselben Rolle erfolgen. Ein Blick auf die Unterschiede zwischen Kanzlei- und Inhouse-Positionen kann dir dabei helfen, die individuell passende berufliche Umgebung für deine neue Lebenssituation zu finden.
Insbesondere in Großkanzleien ist der Arbeitsalltag geprägt von hoher Taktung, engen Deadlines und direktem Mandantenkontakt. Der Zeitdruck und die Erwartungen an Verfügbarkeit sind oft hoch, was mit kleinen Kindern nur schwer zu vereinbaren sein kann, wenn keine Flexibilität geboten wird.
Inzwischen öffnen sich zunehmend Kanzleien für hybride Modelle und flexible Arbeitszeitregelungen. So hat die internationale Kanzlei Mayer Brown hat das Programm „Capitalizing Gender Equality“ ins Leben gerufen, um die Karrieren junger Eltern während und nach der Elternzeit gezielt zu unterstützen. Kern des Programms ist der freiwillige „Career Assistance Plan“ (CAP), der individuell mit Anwält:innen in Elternzeit entwickelt wird. Ziel ist es, den Kontakt zur Kanzlei und zu Mandanten zu erhalten, damit die Elternzeit die Karriereambitionen nicht ausbremst. Es sind flexible Teilzeitlösungen möglich, bei denen die Betroffenen selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang eine Rückkehr in Teilzeit während der Elternzeit erfolgt. Zur finanziellen Unterstützung erhöht Mayer Brown das Teilzeitgehalt um 10 % im Rahmen eines „Career Assistance Plan“ (CAP). Die Kanzlei bietet außerdem ein „Return-to-Work Coaching“ nach längerer Elternzeit an und schafft familienfreundliche Rahmenbedingungen: In Frankfurt gibt es u. a. ein Spielzimmer, ein Elternbüro und Ruhemöglichkeiten mit Still- und Wickelraum. Dies ist aber längst noch nicht überall Standard.
Im Vergleich dazu bieten Inhouse-Jobs, etwa in Rechtsabteilungen von Unternehmen, oft strukturiertere Arbeitszeiten, eine geringere Reiseintensität und mehr Planbarkeit im Tagesablauf. Auch projektbezogenes Arbeiten, etwa im Rahmen von Compliance- oder Datenschutzprojekten, ermöglichen dir oft eine klare Abgrenzung und damit eine bessere Vereinbarkeit mit familiären Verpflichtungen.
Strebst du als Rückkehrer:innen (vorerst) keine Vollzeitstelle an, kann auch eine projektbasierte Tätigkeit eine attraktive Lösung für dich sein – sei es im Rahmen eines befristeten Mandats, als Legal Interim Counsel oder in beratender Funktion. Solche Modelle ermöglichen es dir, fachlich aktiv zu bleiben, ohne sich sofort langfristig an ein festes Arbeitsverhältnis zu binden.
Verstehst du den Wiedereinstieg nicht nur als Rückkehr, sondern als bewusste Neujustierung, solltest du offen für unterschiedliche Arbeitsmodelle sein. Ein Wechsel deiner juristischen Umgebung kann neue Perspektiven eröffnen und dir eine bessere Balance zwischen Beruf und Familie ermöglichen.