Juristin in ihrem Büro am Laptop

Veröffentlicht am 05.12.2025

Als Jurist:in in Teilzeit? Alles über Vor- und Nachteile

Lohnt sich Teilzeit für Jurist:innen? Wir analysieren Risiken, Karriereaussichten und Modelle verschiedener Arbeitgeber.

Volle Präsenz und maximale Verfügbarkeit – das war lange Zeit die ungeschriebene Regel in der Rechtsberatung. Hohe Vergütungen und anspruchsvolle Positionen gingen oft Hand in Hand mit Arbeitswochen, die regelmäßig die 50-Stunden-Marke überschritten, und einem Privatleben, das notorisch zu kurz kam. Vor allem in Großkanzleien hat sich das Bild bis heute quasi nicht gewandelt. 

Es ist die ewige Kernfrage, die das juristische Berufsfeld begleitet: Wie lässt sich eine ambitionierte Karriere mit einer ausgewogenen Work-Life-Balance vereinbaren? Genau hier setzt das Modell Teilzeit für Jurist:innen an.

Zahlen & Daten zur Teilzeitarbeit von Jurist:innen

Das Teilzeit-Modell für Jurist:innen war lange primär ein Instrument, welches vor allem für den Wiedereinstieg nach der Elternzeit genutzt wurde.

Doch die oft zitierte Work-Life-Balance errreicht zunehmend auch Kanzleien und andere juristische Arbeitgeber, welche sich einer Generation von Jurist:innen gegenüber sieht, die Faktoren wie Lebensqualität und Selbstbestimmung in ihrer Arbeitgeberwahl berücksichtigen. Um weiterhin Top-Talente zu gewinnen, wird die Bereitstellung flexibler Modelle für einige Kanzleien zur absoluten Notwendigkeit.

Aber wie sieht die juristische Realität in Zahlen aus? Das ist entscheidend:

  • Der allgemeine Trend: Im gesamten deutschen Arbeitsmarkt arbeiten laut Statistischem Bundesamt aktuell über 40,1 % der Erwerbstätigen in Teilzeit (Stand Dez. 2025).
  • Die Juristen ziehen nach: Auch in der Anwaltschaft steigt die Teilzeitquote spürbar. Laut aktuellen Zahlen des Soldan Instituts waren es zuletzt rund 23 % aller Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die in Teilzeit tätig waren.
  • Die Diskrepanz: Bei genauerer Betrachtung ist die Teilzeit noch stark weiblich dominiert. Rund 42 % der Anwältinnen arbeiten in Teilzeit, wohingegen bei den Männern nur etwa 16 % dieses Modell nutzen. Dies zeigt, dass hier noch große Potenziale für eine gleichberechtigte Ausgestaltung bestehen.

 

Die hohe Arbeitslast in Vollzeit

Jurist:innen, insbesondere in der Anwaltschaft, gehören zu den Berufsgruppen mit den längsten Arbeitszeiten.

Aspekt Wert (ca.) Kontext
Ø Wochenarbeitszeit (Anwälte, Vollzeit) 51,1 Stunden Deutlich über dem Durchschnitt anderer Branchen.
Wochenarbeitszeit (Großkanzleien) 55 – 60 Stunden Hier sind die Belastungen am extremsten.

 

Effizienz als Argument für Teilzeit

Die Forschung zeigt, dass eine höhere Stundenzahl nicht zwingend zu einem proportional höheren Ertrag führt.

Der Umsatz pro gearbeiteter Stunde beginnt bei Anwälten ab ca. 59 Wochenstunden zu sinken.*

Das bedeutet: Die Notwendigkeit, die Arbeit in einer reduzierten Stundenzahl zu erledigen, zwingt Juristen zu höherer Effektivität, besserer Organisation und gezielter Priorisierung. Teilzeit kann die Produktivität pro Stunde steigern.

 

Teilzeitquoten und Geschlechtergefälle

Obwohl die Teilzeitquote im gesamten Berufsstand gestiegen ist, bleibt sie eine primär weibliche Option.

Gruppe Teilzeitquote (ca.) Kontext
Gesamte Anwaltschaft 23 % Kontinuierlicher Anstieg im juristischen Bereich.
Rechtsanwältinnen 42 % Stark dominante Nutzung durch Frauen, oft für Kinderbetreuung.
Rechtsanwälte 16 % Deutlich geringere Nutzung, was auf ein Ungleichgewicht hindeutet.
Ø Wochenarbeitszeit (Teilzeit) 25,2 Stunden Die angestrebte Reduzierung der Belastung.

 

Fazit: Teilzeit ist der direkte Weg, die Belastung von durchschnittlich über 51 Stunden pro Woche zu senken. Der Erfolg dieses Modells hängt aber maßgeblich davon ab, ob die reduzierte Arbeitszeit realistisch eingehalten werden kann und nicht zur "Unechten Teilzeit" (volle Arbeitslast bei weniger Gehalt) führt.

* Quelle: Soldan Institut

Als Anwält:in in Teilzeit: Pro & Contra

Die Entscheidung für oder gegen Teilzeit ist ein individueller Balanceakt für jede:n Jurist:in. Es geht darum, die idealen Vorteile gegen die realen Nachteile abzuwägen. Schauen wir uns die zentralen Argumente für dich als Jurist:in und für deine:n Arbeitgeber:in an.
 

Vorteile der Teilzeit

Zusammenfassend lassen sich die zentralen Gewinne unter mehr Lebensqualität und Effizienz zusammenfassen.

✅ Gesundheit & Schutz

✅ Lebensqualität & Balance

Teilzeit schafft notwendige Puffer und Erholungszeiten. Dies schützt die mentale und physische Gesundheit, die in einem 50+ Stunden-Job stark gefährdet ist. Dies ist eine direkte Maßnahme zur Burnout-Prävention.

Die reduzierte Arbeitsbelastung senkt den chronischen Stresspegel und ermöglicht es dem Körper und Geist, sich zu regenerieren. Du vermeidest die negativen Effekte der permanenten Überlastung, die in der Juristerei weit verbreitet sind.

Gewinn von Zeit für Familie, Freund:innen, Hobbys oder Ehrenämter. Höhere Zufriedenheit im Privatleben wirkt sich positiv auf die Berufsmotivation aus.

Das Modell ist ein Schlüssel zur Selbstbestimmung über die eigene Lebensgestaltung. Anstatt das Privatleben dem Job unterzuordnen, ermöglicht Teilzeit eine echte Vereinbarkeit. Dies führt zu einer erhöhten Lebensqualität abseits der Aktenordner.

✅ Leistung & Fokus

✅ Jobsicherheit & Bindung

Die Notwendigkeit der Priorisierung führt zu disziplinierterem und konzentrierterem Arbeiten. Dadurch steigt oft die Produktivität pro Stunde. Die empirischen Daten legen nahe, dass die Effektivität ab einem gewissen Punkt (ca. 59 Wochenstunden) sinkt.

Teilzeit zwingt dich zu einem gestrafften Zeitmanagement. Du lernst, unwichtige Aufgaben konsequent zu delegieren oder zu eliminieren, wodurch die Qualität deiner Kernarbeit hoch bleibt.

Teilzeit ermöglicht es, hochqualifiziert im Job zu bleiben, wenn private Verpflichtungen (z. B. Kinderbetreuung) eine Vollzeittätigkeit unmöglich machen.

Dies ist ein entscheidendes Argument für die Bindung von Top-Talenten, insbesondere Anwältinnen, die in Teilzeit bleiben wollen. Für Arbeitgeber:innen bedeutet das eine Reduzierung der Fluktuation. Für dich als Jurist:in sichert es den Erhalt der Karriere-Kontinuität in anspruchsvollen Phasen des Lebens.

 

 

Nachteile der Teilzeit

Die größten Herausforderungen und Fallstricke befinden sich in finanziellen und persönlichen Umständen

❌ Finanzielle Einbußen & Altersvorsorge

❌ Karriere & Aufstiegshürden

Der offensichtlichste Nachteil ist die Kürzung des Gehalts, die proportional zur reduzierten Stundenzahl erfolgt. Dies hat direkte Auswirkungen auf deinen aktuellen Lebensstandard und muss konsequent kompensiert werden.

Insbesondere die Altersvorsorge und spätere Rentenansprüche können bei längerer Teilzeit leiden, da die Beitragsbemessungsgrenze unter Umständen nicht mehr erreicht wird. Eine sorgfältige Finanzplanung ist hier unerlässlich, um langfristige Nachteile zu vermeiden.

 

In vielen traditionellen Kanzleien wird Teilzeit noch immer mit reduzierter Ambition gleichgesetzt, auch wenn die Leistung stimmt. Der Aufstieg zur:m Partner:in oder in leitende Führungspositionen wird oft verzögert oder gilt als de facto unmöglich.

Das liegt an der Präsenzkultur und der Erwartung, dass Führungskräfte "immer verfügbar" sein müssen. Du musst aktiv und transparent deine Karriereziele kommunizieren, um nicht ausgebremst zu werden.

 

❌ Gefahr der "Unechten Teilzeit"

❌ Verfügbarkeit & Koordinationsdruck

Dies ist das größte operative Risiko: Du reduzierst vertraglich deine Stunden und akzeptierst eine Gehaltskürzung, während die tatsächliche Arbeitslast nahezu unverändert bleibt. Die Erwartungshaltung des Arbeitgeber:in oder der Mandant:innen ändert sich oft nicht im gleichen Maße wie deine vertragliche Zeit.

Im schlimmsten Fall arbeitest du dann 90 % der Vollzeit für 70 % des Gehalts. Eine klare Abgrenzung und ein rigoroses Prioritäten-Management sind zwingend notwendig, um diese Falle zu vermeiden.

Du bist nicht immer präsent, was erhöhten Koordinationsaufwand für das Team bedeutet. Dein Ausfalltag muss perfekt durch Vertretungsregelungen abgedeckt sein. Mandant:innen und Vorgesetzte erwarten im Krisenfall oft sofortige Erreichbarkeit, was den Druck erhöht, die Abwesenheit zu managen.

Der mentale Stress, ständig sicherstellen zu müssen, dass keine Frist verpasst wird, ist hoch und kann die gewonnene Work-Life-Balance wieder beeinträchtigen.

 


Vor- und Nachteile der Teilzeit in der Übersicht
 

Kategorie Vorteile / Chancen Nachteile /Risiken
Persönliches Wohlbefinden Burnout-Prävention, verbesserte mentale und physische Gesundheit. Höherer Stress durch Zeitdruck, ständige Notwendigkeit der Abgrenzung.
Work-Life-Balance Mehr Zeit für Familie, Freizeit, Ehrenamt und persönliche Projekte. Gefahr der ständigen Erreichbarkeit (E-Mail-Druck, Telefonate an freien Tagen).
Effizienz/Leistung Höhere Konzentration und Produktivität pro Stunde (weniger Leerlauf). Reduzierte Kapazität für Großprojekte oder umfangreiche Mandate, Ausschluss von Schlüsselrollen.
Karriere/Gehalt Erhalt der Karriere trotz privater Verpflichtungen (z. B. nach Elternzeit). Deutliche Gehaltseinbußen und potenziell verlangsamter Aufstieg (insbes. Partner:innenstatus).
(Für Arbeitgeber:innen) Bindung hochqualifizierter Jurist:innen, attraktives Employer Branding. Erhöhter Koordinierungsaufwand im Team, komplexere Personalplanung.

Teilzeit in der Praxis: Große Unterschiede in Berufsfeldern

Die Theorie der Work-Life-Balance in der Rechtsbranche prallt oft auf die Realität des juristischen Alltags. Ein Teilzeitmodell, das in der Justiz hervorragend funktioniert, kann in einer internationalen Großkanzlei unhaltbar sein.

 

Öffentlicher Dienst & Justiz (Richter:innen, Verwaltung etc.)

  • Akzeptanz: Hoch. Teilzeit ist hier nicht nur etabliert, sondern oft ein gesetzlicher Anspruch (z. B. nach dem Bundesbeamtengesetz), der ohne Angabe von Gründen gewährt wird.
  • Arbeitslast: Kalkulierbar. Die Arbeitszeiten sind im Vergleich zur Anwaltschaft klarer geregelt. Überstunden sind seltener und der Ausgleich ist besser strukturiert.
  • Die Herausforderung: Karrierebremse. Obwohl Teilzeit akzeptiert wird, kann sie den Aufstieg in höhere Besoldungsstufen (z. B. A15/R3) verlangsamen, da diese oft eine hohe Präsenz und uneingeschränkte Verfügbarkeit erfordern.

 

Unternehmen (Syndikusanwält:innen, Rechtsabteilungen)

Inhouse-Jurist:innen genießen generell eine bessere Work-Life-Balance, was das Teilzeitmodell attraktiver macht.

  • Akzeptanz: Mittel bis Hoch. Die Akzeptanz steigt, da Unternehmen ihre Fachkräfte binden wollen. Im Gegensatz zur Kanzlei steht hier oft das Projektziel und nicht die abrechenbare Stunde im Vordergrund.
  • Arbeitslast: Besser steuerbar. Auch in privaten Unternehmen profitiertst du von geregelteren Arbeitszeiten als in der Kanzlei. Die Möglichkeit, Überstunden durch Freizeit auszugleichen, ist hier deutlich höher. Dies erleichtert die Planung von Teilzeit.
  • Die Herausforderung: Verfügbarkeit in Schlüsselpositionen. In Abteilungsleiter:innen- oder AT-Positionen (Außertariflich) kann auch in Teilzeit eine hohe Verfügbarkeit erwartet werden. Das Risiko der "Unechten Teilzeit" existiert auch hier.

 

Anwaltschaft (Kanzleien)

Hier herrscht die größte Bandbreite und das höchste Risiko. Die Bedingungen sind stark vom Kanzleityp abhängig:

  • Großkanzlei (Associate): Teilzeit wird oft nur geduldet, nicht gefördert. Die Gefahr der "Unechten Teilzeit" ist hier am größten, da die geforderte Stundenanzahl faktisch hoch bleibt.
  • Kleine/Mittlere Kanzlei (KMU): Die Bedingungen sind variabel und stark abhängig von der Kanzleikultur. Oft gibt es einen direkten Umsatzdruck, der die Flexibilität einschränken kann.
  • Boutiquen/Spezialkanzleien: Hier ist die Bereitschaft für flexible Modelle (z. B. Home-Office) oft höher, solange die hochspezialisierte Expertise geliefert wird.


 

Tabellarische Übersicht: Teilzeit nach Berufsfeld

Die Unterschiede in der Akzeptanz und der Flexibilität sind stark vom Tätigkeitsbereich abhängig:

Berufsfeld Akzeptanz Teilzeit Typische Herausforderung Eignung Teilzeit
Öffentlicher Dienst/Justiz Hoch (oft gesetzlicher Anspruch). Verlangsamter Aufstieg in höhere Besoldungsgruppen. Sehr Gut
Rechtsabteilung (Syndikus) Mittel bis Hoch (gute WLB-Kultur). Hohe Verfügbarkeit in AT-Positionen; Risiko der "Unechten Teilzeit". Gut
Großkanzlei Niedrig (hohe Präsenzerwartung). Gefahr der "Unechten Teilzeit", da Arbeitslast kaum sinkt. Schwierig
KMU/Kleine Kanzlei Variabel (abhängig von Partner:in). Direkter Umsatzdruck; mangelnde Vertretungsstruktur. Variabel

 

Du suchst einen Job, der deiner Work-Life-Balance gerecht wird?

Tipps für die Umsetzung von Teilzeit

Der Wechsel in die Teilzeit ist kein Selbstläufer, sondern erfordert strategische Planung, klare Kommunikation und rigoroses Selbstmanagement.

 

1. Die Verhandlung: So kommunizierst du deinen Wunsch

  • Der richtige Zeitpunkt: Wähle einen Zeitpunkt, in dem dein Wert für die Kanzlei oder das Unternehmen unbestritten ist (z. B. nach einem erfolgreichen Projekt oder kurz vor einer Leistungsbeurteilung).
  • Keine Rechtfertigung nötig: Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) hast du einen Anspruch auf Teilzeit. Du musst keinen Grund nennen.
  • Mach einen klaren Vorschlag: Präsentiere deinem/deiner Arbeitgeber:in nicht nur den Wunsch, sondern ein fertiges Modell (z. B. "Ich schlage die 4-Tage-Woche, Mo.-Do., 80 % vor"). Zeige auf, wie dein Workload organisatorisch aufgefangen wird (Delegation, Vertretung).
  • Betone den Mehrwert: Argumentiere mit der gesteigerten Effizienz pro Stunde und der Mitarbeiter:innenbindung. Dein Ziel ist es, als hochwertige, aber zeitlich reduzierte Kraft wahrgenommen zu werden.

 

2. Das Modell wählen: Qualität vor Quantität

Es gibt verschiedene Arten der Stundenreduzierung. Wähle das Modell, das am besten zu deinem Berufsfeld passt:

Modell Vorteile Geeignet für
4-Tage-Woche (z. B. 80 %) Ein klarer, ganzer Tag frei (z. B. Freitag) für Erholung, Familie oder private Projekte. Kanzleien (KMU), Öffentlicher Dienst, Inhouse-Bereich.
Tägliche Reduzierung Tägliches früheres Ende (z. B. um 15:00 Uhr). Gut für die Kinderbetreuung am Nachmittag. Inhouse-Bereich, Öffentlicher Dienst (wo klare Kernzeiten gelten).
Halbtagsblock (z. B. 50 %) Konzentrierte Arbeit am Vormittag. Selten im Anwaltsbereich praktikabel. Sehr spezialisierte Rollen, Forschung, Verwaltung.

 

 

3. Rigoroses Selbstmanagement: Die Grenze ziehen

Dies ist der wichtigste Schritt, um das Teilzeitmodell auch Ende auch faktisch zu "leben".

  • Grenzen setzen: Kommuniziere deine Abwesenheit konsequent intern und extern. Dein Kalender muss deinen freien Tag blockieren.
  • Perfekte Übergaben: Richte einen Vertretungsplan ein. Sorge dafür, dass Kolleg:innen die notwendigen Informationen und Zugriffe haben. Nichts kostet dich mehr Zeit und Nerven als eine schlechte Übergabe.
  • Priorität ist alles: In Teilzeit musst du gnadenlos priorisieren. Konzentriere dich auf die Aufgaben mit der höchsten Wertschöpfung. Lerne, Aufgaben zu delegieren, die nicht direkt deine Expertise erfordern.

 

4. Karrierepfad managen: Sichtbarkeit behalten

Teilzeit bedeutet nicht das Ende deiner Ambitionen, erfordert aber eine proaktive Pflege deines Karrierewegs.

  • Sichtbarkeit: Du musst in weniger Zeit genauso sichtbar sein wie Vollzeitkräfte. Nimm an entscheidenden Meetings teil und übernimm strategisch wichtige Projekte mit hoher Außenwirkung.
  • Regelmäßige Gespräche: Vereinbare regelmäßige (quartalsweise) Gespräche mit deinem/deiner Vorgesetzten, um deine Leistung zu bewerten und zu zeigen, dass du trotz Teilzeit weiterhin Führungspotenzial besitzt.
  • Weiterbildung: Investiere die gewonnene freie Zeit, um dich durch spezialisierte Fort- und Weiterbildungen bzw. hinzugewonnenes Fachwissen zu profilieren. Qualität deiner Leistung sticht am Ende die Stundenanzahl.

Welche Kanzleien ermöglichen Teilzeit?

Eine Vielzahl von Kanzleien hat inzwischen Arbeitszeit-Modelle integriert, die entweder eine Beschäftigung in Teilzeit zulassen oder auf andere Weise flexible Arbeitszeiten ermöglichen. Exemplarisch lassen sich die folgenden Kanzleien nennen:

Kanzlei

Modell & Beschreibung

Cleary Gottlieb

Flexible Arbeitszeitmodelle sind langfristig in allen Positionen möglich. Die Modelle können individuell als Stundenreduzierung oder Home-Office ausgestaltet werden.

Clifford Chance

Umfassende Unterstützung zur besseren Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Dazu gehört die Kinderkrippe "kids' Chance" in Frankfurt (für Kinder von zwei Monaten bis drei Jahren) mit großzügigen Öffnungszeiten.

Freshfields Bruckhaus Deringer

Individuelle Teilzeitmodelle und Freistellungen sind möglich, die auf die persönlichen Prioritäten abgestimmt werden ("Freshfields & Family"). Es werden flexible Arbeitszeitmodelle sowie 30 Tage Urlaub pro Jahr angeboten.

Gleiss Lutz 

"Flex-Time-Modell": Individuelle Teilzeitmodelle für Associates, Assoziierte Partner und Counsel. Die Kanzlei betont, dass die Partnerperspektive gewahrt bleibt und die Teilzeitchance für alle Geschlechter gilt. Sabbaticals sind nach 3 und 6 Jahren für einen Monat bei vollem Gehalt möglich.

Kirkland & Ellis 

Bietet flexible Arbeitszeitmodelle, 30 Tage Urlaub, sowie die Abwesenheit der sogenannten "Facetime" (keine Anwesenheitspflicht in ruhigen Phasen) und Home-Office. Das Flex-Time-Modell ist weltweit einheitlich geregelt und ermöglicht u.a. Elternzeit und Sabbaticals.

Linklaters 

"YourLink" (Alternatives Karrieremodell): Richtet sich an hochqualifizierte Jurist:innen, die sich besser planbare Arbeitszeiten bei gleichzeitig anspruchsvollem Arbeitsfeld wünschen. Zusätzlich sind individuelle Teilzeitmodelle, Remote Work und Sabbaticals möglich.

McDermott Will & Emery 

Alternatives Beschäftigungsmodell: Dieses Modell sieht fixe Wochenstunden vor (z.B. ab 85.000 EUR Jahresgehalt) und wird auf die Bedürfnisse der Associates abgestimmt, um Freizeit besser planbar zu machen. Es ermöglicht hybride Arbeitsplatzgestaltung und die Teilnahme an Veranstaltungen.

Noerr 

Flexible Arbeitszeitregelungen, Home-Office und Sabbaticals. Das Programm "Family Track" bietet Anwält:innen sechs Monate bezahlte Elternzeit (50 % des Gehalts) und einen subventionierten Teilzeit-Wiedereinstieg ohne Abrechnungsdruck für bis zu sechs Monate.

Pusch Wahlig Legal

"PWWL-Family" & "PWWL-Flex": Zwei spezifische Teilzeitmodelle. "Family" richtet sich an Eltern (planbare Arbeitszeiten), "Flex" an Anwält:innen mit freizeitlichem Engagement und garantiert an einigen Tagen ein sehr frühes, fest planbares Arbeitsende.

Taylor Wessing

Bietet individuelle Teilzeitmodelle und Home-Office-Regelungen an. Die Kanzlei beschäftigt sich allgemein intensiv mit flexiblen Arbeitsformen wie Telearbeit/Home-Office.

White & Case 

Bietet flexible Arbeitszeitmodelle, Home-Office und Elternzeit. Es gibt keine festen Arbeitszeiten, was die Selbstgestaltung des Tages ermöglicht.

Fazit & häufige Fragen

Teilzeit als Jurist:in ist heute kein Karrierehindernis, sondern ein strategisches Werkzeug zur Vermeidung von Burnout und zur Steigerung der langfristigen Effizienz. Es funktioniert am besten im Öffentlichen Dienst, ist im Inhouse-Bereich gut umsetzbar und erfordert in der Kanzlei die größte Disziplin und Abgrenzung. Die richtige Strategie und klare Kommunikation sind dein Schlüssel zum Erfolg.


Häufige Fragen zur Teilzeit bei Jurist:innen

Kann ich als Anwält:in in Teilzeit gehen?

Ja, das ist möglich, aber die Bedingungen variieren stark. Als angestellte:r Rechtsanwält:in hast du nach dem TzBfG den gesetzlichen Anspruch. Als niedergelassene:r Anwält:in oder Partner:in musst du die Teilzeit selbst organisieren und sicherstellen, dass die Mandatsbetreuung und die Abrechnungsziele weiterhin erreicht werden. In Großkanzleien ist die Umsetzung aufgrund der hohen Verfügbarkeitserwartung am schwierigsten.


Muss ich meinen Teilzeitwunsch begründen?

Nein. Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) hast du einen Rechtsanspruch auf Reduzierung der Arbeitszeit, sofern das Unternehmen mehr als 15 Mitarbeiter:innen beschäftigt und dein Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht. Du musst keinen Grund nennen.


Was bedeutet "Unechte Teilzeit"?

Unechte Teilzeit" liegt vor, wenn die vertraglich vereinbarte Reduzierung der Arbeitszeit und die damit verbundene Gehaltskürzung nicht mit einer proportionalen Reduzierung der tatsächlichen Arbeitslast einhergeht. Du arbeitest dann faktisch länger für weniger Geld.


Wie erkenne ich die Gefahr der "Unechten Teilzeit" frühzeitig?

Achte auf die Unternehmenskultur und spezifische Metriken. Gibt es keine offiziellen Überstundenregelungen oder wird die tatsächliche Arbeitslast primär nach Mandanten- oder Transaktionsvolumen und nicht nach der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit bemessen, besteht die Gefahr.


Ist Teilzeit ein Karriere-Killer?

Nicht zwingend, aber es verlangsamt oft den Aufstieg in Führungspositionen oder zur Partner:in in Großkanzleien, da diese Rollen traditionell uneingeschränkte Verfügbarkeit erfordern. Im Öffentlichen Dienst ist der Einfluss geringer.


Wo ist Teilzeitarbeit für Jurist:innen am besten etabliert?

Im Öffentlichen Dienst (Justiz, Verwaltung) ist Teilzeit am weitesten verbreitet und am besten durch klare gesetzliche Ansprüche geregelt.


Welches Teilzeitmodell ist am besten?

Oft wird die 4-Tage-Woche (z. B. 80 %) als am effektivsten empfunden, da sie einen vollen, klaren freien Tag für Regeneration und private Verpflichtungen schafft.