Selbstbewusste Anwältin steht in modernem Büro

Veröffentlicht am 11.12.2025

Tipps für Frauen in der Gehaltsverhandlung

Von der Gender-Pay-Gap zum Durchbruch: Etabliere deinen Marktwert und verhandle das Gehalt, das dir zusteht.

Die allgegenwärtige Gender-Pay-Gap stellt auch Juristinnen heute noch vor die Herausforderung, eine angemessene Vergütung auf Basis ihrer Leistungen durchzusetzen, während eine systemsiche Lohnlücke bestehen bleibt.

Dieser strategische Leitfaden soll dazu beitragen, ein veraltetes Narrativ zu korrigieren und einen 3-Phasen-Plan für den Gehaltsdurchbruch zu liefern. Lerne, wie du deinen Anspruch auf Gleichheit mit einer überlegenen, datenbasierten Verhandlungsstrategie untermauerst. Wir zeigen dir, wie du deinen Mehrwert quantifizierbar machst und Verhandlungen auch bei Widerstand auf den nächsten Erfolg ausrichtest.

Der Anspruch: Gleichheit als Verhandlungsbasis

Als hochqualifizierte Juristin bringst du spezifisches Fachwissen und strategischen Mehrwert in deine Kanzlei oder dein Unternehmen ein.

Im Jahr 2025 sollte die Gehaltsverhandlung für Juristinnen nur von zwei Faktoren abhängen: deiner Qualifikation und deinem Impact auf den Unternehmenserfolg.

Dennoch ist es entscheidend, die Kluft zwischen diesem Ideal und der aktuellen Arbeitsmarktrealität zu verstehen. Deine Strategie muss diese Differenz gezielt überbrücken.

Der Grundsatz

Die Realität

Gleichwertigkeit der Leistung: Dein Gehalt sollte sich ausschließlich nach deiner Rolle und den objektiven Marktwerten richten. Die statistische Lohnlücke (Gender Pay Gap): Frauen verdienen in der Rechtsbranche (wie in vielen anderen) strukturell weniger. Konkret verdienen angestelle Anwältinnen im Schnitt 18,2 % weniger als ihre männlichen Kollegen.*
Neutrale Bewertung: Dein Vorgesetzter bewertet deine Performance objektiv anhand von Unternehmenskennzahlen. Unbewusste Vorurteile: Studien zeigen, dass assertive Selbstpräsentation bei Frauen tendenziell negativer bewertet wird ("Double Bind"). Deine Argumentation muss daher noch präziser und datenbasierter sein.
Transparenz: Die Vergütungsstrukturen sind klar und nachvollziehbar. Intransparenz: Gerade in mittelständischen oder Boutique-Kanzleien ist die Vergütung oft nicht transparent. Du musst diese Informationen durch gezielte Recherche und Netzwerkarbeit aktiv selbst beschaffen.

* Quelle: STAR-Erhebung 2020 der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK)

 

Der Shift im Mindset

Deine Gehaltsverhandlung ist kein Gespräch über Wertschätzung deiner Person oder ein emotionales Bittgesuch um Anerkennung. Es ist ein rein professioneller, datengestützter Geschäftsvorgang.

  1. Entpersonalisiere den Prozess: Betrachte die Verhandlung als neutralen, kalkulatorischen Akt. Das hilft dir, den Prozess emotional losgelöst zu betrachten und eine mögliche Ablehnung nicht als Kritik an deiner Leistung oder Person zu interpretieren.
  2. Nimm Rolle der Geschäftsfrau ein: Deine Forderung basiert auf einer kalkulierten Investitionsrechnung (deine dokumentierte Leistung + dein Marktwert) und dem ROI (Return on Investment), den du der Kanzlei lieferst. Du lieferst die Fakten, der Vorgesetzte trifft eine geschäftliche Entscheidung.
  3. Fokusiere dich auf Argumente: Konzentriere dich im Gespräch ausschließlich auf Daten, Zahlen und den nachweisbaren Mehrwert. Jede Ablenkung durch Emotionen oder Rechtfertigungen untergräbt die Stärke deiner sachlichen Position.
Merke: Du forderst nicht, was du verdienst, sondern kalkulierst, welchen Wert deine Position hat.

Phase I: Analytische Vorbereitung

In diesem Schritt geht es darum, eine objektive Datengrundlage zu schaffen, die deine Forderung untermauert. Du argumentierst nicht aus dem Bauch heraus, sondern lieferst dem Verhandlungspartner eine kalkulierte und marktgerechte Geschäftsgrundlage.
 

1. Kennzahlen-Audit: Dein Performance-Portfolio quantifizieren

Deine Gehaltsforderung ist ein Preis für den Mehrwert, den du lieferst. Statt Aufgaben aufzuzählen, musst du deinen Impact quantifizieren.

  • Vom Aufgaben- zum Impact-Reporting: Definiere dich nicht über Tätigkeiten ("Ich habe Mandanten betreut"), sondern wechsle zur Ergebniswirkung ("Ich habe durch [spezifische Maßnahme] die Außenstände um 25% reduziert" oder "Ich habe Mandate mit einem Gesamtvolumen von X Euro erfolgreich abgeschlossen").
  • KPI-Liste erstellen: Sammle über das letzte Jahr hinweg alle quantifizierbaren Erfolge. Dazu gehören: Eingespartes Geld oder Umsatzgenerierung (direkter ROI), übernommene Verantwortung oder besondere Mandatserfolge, die die Reputation der Kanzlei steigern.
Wichtig: Bereite eine kurze, schlagkräftige Zusammenfassung deines Portfolios vor, die du im Gespräch nutzen kannst.

 

2. Benchmark und Zielsetzung: Am Top-Segment orientieren

Nur wer den Markt kennt, kann sich korrekt positionieren. Um die Lohnlücke zu schließen, musst du dich am oberen Ende der realistischen Spanne orientieren.

  • Strategische Forderungshöhe: Setze deine Forderung als präzisen Anker (z.B. 132.800 € statt 130.000 €). Orientiere dich nicht am Durchschnitt, sondern am höchsten realistischen Wert für deine Qualifikation, deinen Standort und deine Kanzleikategorie.
  • Hebel Transparenz: Nutze alle zugänglichen Quellen (z.B. EntgTransG, Fachstudien, Netzwerke), um deine Recherche zu validieren.
     

3. Total Compensation: Verhandle das Gesamtpaket

Dein Gehalt besteht aus mehr als nur zwölf Monatsgehältern. Ein zeitgemäßer Ansatz verhandelt die Total Compensation (Gesamtvergütung).

  • Variable Vergütung: Verhandle klare Boni-Ziele oder die Höhe der Erfolgsbeteiligung.
  • Flexibilität und Entwicklung: Setze neben dem Basisgehalt auf Benefits wie garantierte Home-Office-Tage, flexible Arbeitszeitmodelle, oder Budgets für zusätzliche Weiterbildungen (Fachanwalt, LL.M.).
     
Merke: Wenn die Obergrenze des Basisgehalts erreicht ist, liegt dein nächster Hebel immer in der Verhandlung von variablen Komponenten und Benefits.

Phase II: Selbstführung und Kommunikation

In dieser Phase geht es darum, die gesammelten Daten und Fakten mit der richtigen kommunikativen Souveränität zu präsentieren. Gerade hier müssen Juristinnen darauf achten, dass ihre Forderung nicht durch stereotype Vorurteile neutralisiert wird.
 

1. Das Narrativ der Leistung etablieren

Um das Risiko des „Double Bind“ (Bestrafung für selbstbewusste Kommunikation) zu minimieren, musst du deine Leistung proaktiv und sachlich kommunizieren, bevor das Gehaltsgespräch überhaupt beginnt.

  • Sichtbarkeit als Routine: Mache es zur Routine, Erfolge und positive Rückmeldungen (z.B. von Mandanten) nicht nur intern zu archivieren, sondern gezielt mit Kolleg:innen und Vorgesetzten zu teilen.
  • Fakten sprechen lassen: u verhandelst nicht, weil du Geld brauchst, sondern weil die von dir erbrachten Kennzahlen (Punkt II) eine Neubewertung deines Wertes erfordern.
     

2. Souveränität in der Gesprächsführung

Die Forderung muss präzise, klar und unmissverständlich sein. Nutze deine analytische Vorbereitung als juristisches „Beweismittel“.

  • Der klare Start: Beginne das Gespräch mit einer eindeutigen Nennung deiner Forderung (Anker), untermauert durch die wichtigsten Erfolgs-KPIs. Vermeide Umschweife oder einleitende Entschuldigungen.
  • Die Zuhör-Strategie: Lass nach Nennung deiner Forderung eine Pause. Frauen (wie auch Männer) neigen dazu, Stille aus Höflichkeit mit Rechtfertigungen zu füllen – widerstehe diesem Impuls. Die Stille verschiebt den psychologischen Druck zum Verhandlungspartner.
  • Die Frage als Werkzeug: Sollte dein:e Vorgesetzte:r versuchen, das Thema abzulenken oder die Forderung vage abzulehnen, nutze offene, sachliche Fragen, um das Gespräch auf die Fakten zurückzuführen:
Beispiel: „Ich habe in den letzten 12 Monaten das Volumen X erbracht. Welchen konkreten Einfluss auf diesen Wert hätten Sie sich gewünscht, um die volle Gehaltssumme zu bewilligen?“


3. Körpersprache und Selbstführung

Deine nonverbale Kommunikation muss deine verbale Professionalität unterstützen.

  • Die Haltung: Halte während des gesamten Gesprächs eine aufrechte, entspannte Haltung bei direktem Blickkontakt. Dies signalisiert Vertrauen in deine vorbereiteten Fakten.
  • Klarheit im Ton: Wähle einen Tonfall, der sachlich und bestimmt ist – vermeide sowohl aggressives Fordern als auch übertriebene Sanftheit. Der Ton sollte den professionellen Kalkulator (dein Mindset-Shift) widerspiegeln.
  • Konsequenz zeigen: Bleibe bei deiner präzisen Forderung. Ein Herunterhandeln ist Teil des Spiels, aber weiche nicht ohne klare Gegenleistung (z.B. zusätzliche Benefits) von deinen Minimalzielen ab.

Phase III: Umgang mit potentieller Ablehnung

Der professionelle Umgang mit einem „Nein“ ist der stärkste Beleg für deine Management-Qualitäten. Historisch gesehen wurde Frauen oft geraten, Ablehnung nicht persönlich zu nehmen. Wir gehen einen Schritt weiter: Nutze die Ablehnung als Hebel zur Überwindung der strukturellen Hindernisse.
 

1. Ablehnung als geschäftliche Grundlage - nicht als Urteil

Die emotionale Distanz, die der o.g. Mindset-Shift mit sich bringt ist nun entscheidend. Ein „Nein“ bedeutet nicht, dass deine Leistung keinen Wert hat, sondern dass die Kanzlei aktuell nicht bereit ist, diesen Wert zu bezahlen.

  • Professionelles Reframing: Reagiere auf die Ablehnung nicht mit Enttäuschung, sondern mit analytischer Neugier. Das demonstriert souveränes, geschäftliches Denken.
  • Gezielte Rückfrage: Statt dich zu verteidigen, frage präzise nach den betriebswirtschaftlichen oder strategischen Gründen für die Entscheidung. Dies zwingt den Vorgesetzten, die Ablehnung sachlich zu begründen und liefert dir die notwendigen Kennzahlen für die nächste Verhandlung.
Formulierungshilfe: „Ich verstehe, dass im aktuellen Quartal das Budget limitiert ist. Welche konkreten, messbaren Kriterien fehlen Ihnen aus Kanzleisicht noch, um die Forderung in sechs Monaten vollumfänglich zu genehmigen?“

 

2. Die strategische Entkräftung des „Double Bind“

Da Frauen tatsächlich auch heute noch Gefahr laufen, für zu forderndes Verhalten kritisiert zu werden, musst du durch deine Reaktion Souveränität beweisen, die über die Erwartung hinausgeht.

  • Dokumentiere Lücken: Nutze die vom Chef genannten Gründe, um die in deinem o.g. Performance-Portfolio identifizierten Schwachstellen zu beheben. Dies signalisiert dem Management, dass du lösungsorientiert und nicht konfrontativ bist.
  • Teilzeit und Karriere: Falls die Ablehnung indirekt mit Teilzeit oder Auszeiten (z.B. eine Schwangerschaft) begründet wird, fordere eine schriftliche, messbare Zielvereinbarung, die explizit beweist, dass du die nächste Gehaltsstufe auch in deinem aktuellen Arbeitszeitmodell erreichen kannst. Dies untergräbt die gängige Annahme, dass Teilzeit automatisch das Karriere-Aus bedeutet.

 

3. Der nächste Termin ist fixiert

Der wichtigste strategische Schritt nach einer Ablehnung ist die sofortige Planung des nächsten Erfolgs.

  • SMART-Ziele vereinbaren: Definiere klare, messbare, erreichbare, relevante und terminierte (SMART) Ziele, deren Erfüllung die Gehaltserhöhung garantiert (und nicht nur in Aussicht stellt).
  • Follow-up fixieren: Verlasse das Gespräch niemals ohne ein fest im Kalender eingetragenes Datum für das nächste Gehaltsgespräch. Das signalisiert deinem Vorgesetzten und dem Unternehmen, dass das Thema nicht ad acta gelegt ist, sondern Teil deines strukturierten Karriereplans.
     
Erinnere dich: Du verlässt das Gespräch mit einem Plan, einem Datum und der klaren Richtung, wie die Barrieren bis zur nächsten Runde beseitigt werden.

Fazit und häufige Fragen

Gehaltsverhandlung ist für Juristinnen im Jahr 2025 kein Ausgleich von Defiziten, sondern ein analytisch geführter Management-Prozess. Um die hartnäckige Gender-Pay-Gap zu schließen, ist es unerlässlich, die Verhandlung emotional zu entpersonalisieren, den eigenen Marktwert am Top-Segment zu benchmarken und die Leistung durch messbare KPIs zu belegen. Nur wer die Realität der Ungleichheit kennt und ihr mit einer überlegenen Strategie begegnet, setzt sich durch und sichert sich die verdiente Total Compensation.


Häufige Fragen rund um Gehaltsverhandlungen für Frauen

Wie reagiere ich, wenn meine Forderung mit meinem Teilzeitwunsch in Verbindung gebracht wird?

Akzeptiere diesen Zusammenhang nicht als gegebenes Karriere-Limit. Verweise auf deine dokumentierte Leistung pro Arbeitsstunde. Frage sofort nach messbaren Zielen, die auch in Teilzeit zu erreichen sind. Ziel ist eine schriftliche Zielvereinbarung, die explizit belegt, dass die Erfüllung dieser KPIs trotz Teilzeit zur Gehaltserhöhung führt. Du entkräftest damit die stereotype Annahme, dass Workload immer Anwesenheitszeit bedeuten muss.


Was mache ich, wenn mein Chef lediglich auf „allgemeine Wertschätzung“ verweist?

Dein Chef versucht, das Gespräch von der Faktenlage auf die emotionale Ebene zu lenken, was Frauen häufiger erleben als Männer. Lenke das Gespräch sofort zurück auf die Fakten. Akzeptiere die Wertschätzung, aber kläre den geschäftlichen Zusammenhang. Frage: „Ich freue mich über die Wertschätzung. Bezogen auf die Entwicklung des Mandatsvolumens, welche finanzielle Kennzahl müsste ich im nächsten Quartal erreichen, damit wir die volle Summe erzielen?“ Bleibe sachlich und vermeide emotionale Reaktionen.


Soll ich das Gehalt von männlichen Kollegen ansprechen, um die Lücke zu belegen?

Nur indirekt. Verweise im Gespräch niemals auf das individuelle Gehalt eines Kollegen, da dies unprofessionell wirken kann. Nutze stattdessen die statistischen Marktdaten und Branchen-Benchmarks (z.B. die BRAK-Erhebung) als neutrale Quelle, um deine Forderung zu untermauern. Deine Argumentation muss auf deinem Wert, basierend auf unpersönlichen Marktzahlen, fußen.


Kann ich Benefits (wie z.B. Home-Office) verhandeln, wenn das Basisgehalt abgelehnt wurde?

Ja, dies ist sogar eine sehr erprobte Taktik. Flexibilität und Entwicklung sind für Juristinnen oft noch wichtiger als für ihre männlichen Kollegen (Stichwort Vereinbarkeit). Wenn die Kanzlei die finanzielle Obergrenze des Basisgehalts nicht überschreiten kann, frage nach immateriellen oder variablen Leistungen (z.B. ein bezahltes Fachanwaltszertifikat oder garantierte Flexibilität). Dies erhöht deine Total Compensation und unterstützt deinen langfristigen Karriereweg, ohne das Gehaltsgefüge der Kanzlei zu sprengen.