Ein Pakt mit dem Teufel oder ein ganz normaler Job? - Lobbyismus erklärt im TalentRocket Karrieremagazin

Verfasst von Finn Holzky

Berufswunsch Lobbyist:in – wie da Jura Studium hilft

Interessenvertretung als Jurist:in

Wenn es in den Medien mal wieder um Großkonzerne, Steuersparmodelle oder die Paradise Papers geht, dauert es nicht lange, bis auch von Lobbyisten die Rede ist. In TV und den Printmedien sowie vielen Dokumentationen werden sie gerne als Schattengestalten dargestellt, die hinterrücks Regierungen und Machthaber beeinflussen, um Steuerersparnisse oder Gesetzeslücken zu sichern. Doch es gibt auch andere Darstellungen - durchsucht man vor allem das Internet, werben Lobbyorganisationen und kanzleien ganz offen für den Beruf des Lobbyisten bzw. der Lobbyistin. Wie also passt das zusammen und warum ist eine Karriere im Lobbyismus für Jurist:innen vielleicht sogar spannend? 
 

Was ist Lobbyismus? Ist das legal?

Lobbyarbeit ist ein aus dem Englischen übernommener Begriff, der eine Form der Interessenvertretung beschreibt, bei der für eine bestimmte Gruppierung, eine Organisation oder ein Unternehmen Einfluss auf Politik, Gesellschaft und Wirtschaft genommen wird. Diese Interessenvertretung kann dabei in vielen verschiedenen Formen, zum Beispiel über persönliche Verbindungen aber auch über die Medien erfolgen. Der Begriff des Lobbyismus ist also nicht ganz einfach eindeutig zu definieren oder klar abzugrenzen, umfasst aber grundsätzlich alle Formen der gewollten Interessenvertretung durch eine Person oder Personengruppe, dem oder den Lobbyist:innen.

Zudem ist der Begriff – zumindest im öffentlichen Meinungsbild – stark negativ konnotiert, weshalb er von entsprechenden Verbänden oder Personen häufig vermieden wird. Gängige Synonyme sind dann „Public Affairs“, „Betreuung der Kommunikation“ oder „Politische Beratung“.

Möglicherweise etwas überspitzt wird Lobbyarbeit immer wieder als die fünfte Gewalt im demokratischen Staat bezeichnet, wenn die Medien die vierte Gewalt nach Exekutive, Legislative und Judikative sind. Doch eines wird auch klar: Interessenvertretung ist etwas, das jederzeit und überall stattfindet und damit auch nicht illegal sein kann. Der Grundgedanke und auch die Ausübung von Lobbyarbeit an sich ist damit ebenfalls nicht illegal sondern rechtlich zulässig.

Warum steht Lobbyismus so in der Kritik?

Mit der Frage nach der Legalität bzw. der Illegalität von Lobbyarbeit geht der Grundgedanke einher, dass im Rahmen von Lobbyismus auch verbotene Handlungen, Bestechungen oder Schmiergeldzahlungen einhergehen. Ganz von der Hand zu weisen sind solche Vorwürfe zumindest in bestimmten Fällen natürlich nicht. In der Vergangenheit gab es immer wieder Fälle, in denen nachweislich verbotene Handlungen getätigt wurden oder wo zumindest fragwürdige Folgen entstanden sind. Ein häufig genanntes Beispiel für solche unerwünschten Einflüsse ist zum Beispiel die Spendenaffäre der FDP rund um einige Hotelketten, mit einer anschließenden Steuererleichterung für eben diesen Hotelbetrieb.

Einen nicht weniger umstrittenen Einfluss gibt es auf Europäischer Ebene durch Lobbyisten und Lobbyistinnen für Agrarwirtschaft und die Automobilindustrie. Richtlinien, die in der Praxis völlig versagen, Grenzwerte bzw. Messeinrichtungen die nichts mit der Realität zu tun haben und jeder sinnvollen Umsetzung entbehren, werden immer wieder als Folge erfolgreichen Lobbyismus durch die Automobilbranche gewertet. Auch die Regulierung der Finanzwirtschaft gilt als vom Lobbyismus durchwachsen, sind doch ein Großteil der Expert:innen und Entscheidungsträger:innen zumindest indirekt entweder großen Anzahlen von Lobbyist:innen ausgesetzt oder aber sogar selbst Mitglied in einer entsprechenden Organisation.

In einem Gremium der Europäischen Union für die Regulierung der Finanzmärkte sitzen aktuell 40 Personen, von denen zwei Verbraucherschützern und eine Person Gewerkschaften zugeordnet werden können. Der Rest der 40 Personen sind Expert:innen oder Interessenvertreter:innen, die aus der Finanzwirtschaft von Banken und Versicherungen entsandt werden.

Eine Affäre um den ehemaligen Gesundsheitskomissar der Europäischen Union John Dalli hat deutlich gemacht, wie groß auch der Einfluss der Tabakindustrie auf EU Ebene ist. Rund 60 Millionen Euro Schmiergeld sollen geflossen sein, bevor der Kommissar sein Amt verlassen musste.

Der Verein „LobbyControl“ der 2005 gegründet wurde, setzt sich seit seiner Gründung für die Bekämpfung von Lobbyismus, vor allem aber der Offenlegung von Lobbyarbeit und deren Folgen ein. Laut LobbyControl sind allein im Zentrum von Brüssel und damit in nächster Nähe zu allen wichtigen europäischen Institutionen mindestens 40 größere Organisationen nur mit Lobbyarbeit beschäftigt. Zu deren Auftraggebern gehören unter anderem Großkanzleien, DAX Konzerne und viele weitere global operierende Unternehmen.

Lobbyarbeit gibt es überall und das ist gut so!

Eine nach den voran genannten Informationen durchaus steile These. Doch die Realität hat wie so oft mehrere Facetten und trotz der Tatsache, dass auch Unternehmen und ganze Branchen Einfluss und das teilweise auch auf fragwürdige Art und Weise, nehmen, hat Lobbyarbeit auch ihren Sinn und Zweck.

Denn Interessenvertretung gibt es natürlich auch von anderen Seiten. Umweltverbände, Arbeitnehmerorganisationen oder eben Organisationen wie LobbyControl haben natürlich ebenfalls einen direkten Einfluss auf Politik, Gesellschaft und Wirtschaft.

Gerade auch die bereits zitierten Medien nehmen auf beiden Seiten Einfluss und stellen somit desöfteren, und entgegen häufig gebrachter Kritik, ihrem Auftrag entsprechend beiden Seiten ein Sprachrohr zur Verfügung. Wie Interessenvertretung beim Startup-Verband funktioniert, berichtet auch Christoph Stresing in einer unserer New Lawyers Folgen.

Der Hauptgrund, weshalb Lobbyarbeit aber ihre Berechtigung hat, ist der Bedarf an Beratung von Politiker:innen und anderen Entscheidungsträger:innen. Nicht jeder Politiker ist Experte auf seinem Gebiet und das ist grundsätzlich nicht einmal ein Problem. Minister und Kommissare sind eher die Manager ihrer Behörde oder ihres Ressorts, nicht aber die Fachkräfte.

Sie brauchen daher Beratung und sollten daher auch allen Seiten Gehör verschaffen. Was dabei am Ende herauskommt, bleibt schließlich immer noch Sache der entsprechenden Entscheidungsträger.

Natürlich gibt es viele Fälle, in denen Lobbyarbeit über die Grenzen der Legalität hinaus gegangen ist. Aufgrund von Whistleblowern, Organisationen wie LobbyControl und den Medien werden solche Fälle aber immer häufiger Publik und sorgen für große Imageschäden und Rücktritte.

Das Problem ist also nicht die Interessenvertretung an sich, sondern die teils fragwürdigen Auswirkungen oder die gewählten Mittel in einigen Einzelfällen.

Es gibt Kanzleien die sich ausdrücklich auf Lobbyarbeit spezialisieren, es gibt Schulungen von erfahrenen Lobbyisten und Organisationen.

Wie wird man als Jurist:in Lobbyist:in?

Aufgrund der Berichterstattung und dem zweifelhaften Ruf von Lobbyist:innen könnte man meinen, Lobbyist:in zu werden ist ähnlich wie der Werdegang eines Geheimagenten oder Spions: Nicht klar vorhersehbar, bleibt stets im Unklaren und geschieht eher im Schatten.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Es gibt Kanzleien die sich ausdrücklich auf Lobbyarbeit spezialisieren, es gibt Schulungen von erfahrenen Lobbyisten und Organisationen. Zugegebenermaßen finden die zu einem überdurchschnittlich großen Anteil nicht in Deutschland statt, man findet sie jedoch auch hier unproblematisch nach einiger Recherche. Spätestens allerdings, wenn die Synonyme wie „Public Affairs“ in das Suchfeld eingegeben werden, wird erkannt:

Lobbyismus findet nicht im Schatten, sondern in der ersten Liga von Unternehmen, Beratungsfirmen und Kanzleien statt. Das Studium der Rechtswissenschaften ist dabei ein besonders häufiger und daher wohl auch empfehlenswerter erster Schritt in die Lobbyarbeit.

Das Verständnis von demokratischen Strukturen, der Gesetzesgebung aber auch der Ausformulierung von Verträgen ist für dich als Jurist:in naturgemäß von Vorteil für die Tätigkeit als Lobbyist:in. Zudem wird auch der Nachwuchs in diesem Umfeld gezielt gesucht und natürlich auch ausgebildet.

Neben fachlichen Stärken, die bei Lobbyist:innen natürlich ebenfalls vorhanden sein müssen aber vielleicht nicht ganz so schwer ins Gewicht fallen, kommt es vor allem auf gute Kommunikationsfähigkeit, Charisma, Überzeugungsstärke und natürlich Kontakte an.

Die Welt der Lobbyisten ist also kein typisch juristische Umgebung, wohl aber für diese zugänglich.

Das macht ein Lobbyist in seinem Alltag

Ein beruflicher Alltag mit Schreibtischroutine und Co. droht den durchschnittlichen Lobbyist:innen nicht. Anders als viele ihrer juristischen Kolleg:innen, verbringen sie nicht den Großteil ihrer Zeit über Gesetzen und Schriftsätzen, sondern haben viele Meetings, gehen mit verschiedenen Leuten essen, sammeln Informationen, tauschen sich aus und wirken natürlich entsprechend ihres Auftrags auf Entscheidungsträger:innen und deren Umfeld ein. Sie argumentieren für die Sache deren Interessen sie vertreten, zeigen Vorteile aber auch mögliche Konsequenzen bestimmter Entscheidungen auf. Das bedeutet, dass sie zum Beispiel für Umweltverbände die Konsequenzen für Natur, Klima und Tierwelt in den Vordergrund bringen und dahingehend alternative Vorschläge liefern oder einfordern. Treten Lobbyist hingegen für bestimmte Branchen ein, zeigen sie zum Beispiel die Gefahren für Arbeitsplätze oder einen bestimmten Wirtschaftsstandort auf.

Die Frage ist also zum einen wie gut der Lobbyist ist und zum anderen wie der Entscheidungsträger diesen auf sich wirken lässt, vor allem aber wie die Sachlage wirklich ist. Denn die Inhaber:innen politischer Ämter werden natürlich aus allen Richtungen angesprochen und es wird versucht auf sie Einfluss zu nehmen. Der Lobbyist ist in der Realität häufig vor allem ein Teilnehmer an Kompromissen auf politischer Ebene.
 

Nach wie vor genießt Lobbyismus in Deutschland und in Europa kein gutes Ansehen. Das ist zum Teil berechtigt und selbst Lobbyiste:innen beklagen, dass die Voraussetzungen für einen transparenten und damit rechtsstaatlich nicht zu beanstandenden Lobbyismus vom Gesetzesgeber nicht geschaffen werden. Immer wieder setzen sich schwarze Schafe durch und können längere Zeit unerkannt agieren und beeinflussen. Insgesamt ist die Institution Lobbyismus jedoch weder etwas verbotenes, noch etwas Anrüchiges, sondern vielmehr etwas sehr Natürliches. Interessenvertretung gehört zur Politik wie Wahlen oder das freie Mandat. Wichtig ist nur, dass sich auch Lobbyarbeit im Rahmen der Gesetze bewegt.