Erfahrungsbericht Journalismus und Jura - berufliche Möglichkeiten in der Rechtsredaktion

Verfasst von Annika Lintz

Jura & Journalismus in Kombination!?

Mein Praktikum in der ARD-Rechtsredaktion – BGH Verhandlungen, Fernsehdreh und Radiobeiträge

Jura ist trockene Schreibtischarbeit, so ein verbreitetes Vorurteil. Angesichts des langen Studiums ist es gut, sich an die vielen beruflichen Möglichkeiten zu erinnern, die dieses Fach doch bietet. Eine davon ist die Laufbahn des Berufsjournalisten. Wie Jura und Journalismus zusammenpassen, zeigte mir ein Praktikum in der ARD-Rechtsredaktion in Karlsruhe.

 

Das Schreiben hat mir in der Schule schon Spaß gemacht, deshalb habe ich nach einer Schnittstelle zwischen Jura und Journalismus gesucht. Die Rechtsredaktion verbindet diese beiden Bereiche optimal. Für einen Praktikumsplatz in der Redaktion ist journalistische Vorerfahrung notwendig, beispielsweise durch die Mitarbeit in einer Schülerzeitung. Beworben habe ich mich nach dem vierten Semester, etwa ein Jahr vor Praktikumsbeginn.

Das ist für begehrte Plätze ein realistischer Zeitrahmen, so viel Vorlauf sollte mindestens eingeplant werden. Die Zusage kam dann sehr schnell. Ein Praktikum in einer anderen Stadt bedeutet immer zusätzlichen Aufwand für Organisation und Wohnungssuche. Dafür bringt es viele spannende Erfahrungen mit sich.

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Rechtsredaktionelles Arbeiten

Die wesentliche Herausforderung der rechtsredaktionellen Arbeit ist es, juristische Themen einfach und verständlich darzustellen. Sachverhalte müssen stark verkürzt werden, inhaltlich aber natürlich immer noch richtig sein. Journalisten müssen filtern, was wirklich wichtig ist und komplexe Fälle in wenigen Sätzen zusammenfassend auf den Punkt bringen. Das ist gar nicht so einfach. Zielgruppe sind auch nicht in erster Linie Juristen, sondern alle Menschen, die Nachrichten gucken oder Radio hören.

Wenn zum Beispiel ein Urteil zum Mietrecht gesprochen wird, vermitteln die Journalisten der Rechtsredaktion den Zuschauern und Zuhörern, was dieses Urteil konkret für die Mieter bedeutet. Deshalb ist es wichtig, keine Fachsprache zu verwenden, sondern verständlich und lebensnah zu erklären. Für Juristen ist das eine wichtige Fähigkeit, die in der Uni leider keine große Rolle spielt.
 

Direkt ins Studio: Der erste Tag

Nach einem Jahr der Vorfreude war es soweit. Am ersten Tag wurde ich durch das Gebäude des SWR geführt und konnte die Kollegen kennen lernen. Die Redaktion besteht aus den Abteilungen Hörfunk und Fernsehen, auch der Online-Bereich ist abgedeckt. Die erste Hälfte des Praktikums sollte ich beim Hörfunk verbringen, die andere beim Fernsehen. In einer Redaktionssitzung wurden die Themen für die anstehende Woche besprochen.

Im ersten Fall, der vor dem BGH verhandelt werden würde, ging es um Fluggastrechte. Sofort durfte ich versuchen, einen Radiobeitrag zu schreiben und im Tonstudio einzusprechen. Eine ungewohnte, aber sehr interessante Erfahrung, welche die eigene Sprech- und Ausdrucksweise in den Vordergrund rückt. Wenn die erste Nervosität überwunden ist, macht die Arbeit im Studio großen Spaß.

So hatte ich auch die Gelegenheit, hilfreiches Feedback zu bekommen. Den erfahrenen Redakteuren bei der Arbeit zuzusehen, ist ebenfalls spannend und aufschlussreich. Gegen Ende der Zeit beim Hörfunk durfte ich einen eigenen Radiobeitrag erstellen, der dann auch gesendet wurde.

Nachbarschaftsstreitigkeiten und schlechte Zahnarztleistungen: Verhandlungen vor dem Bundesgerichtshof

Im Laufe des Studiums beschäftigen sich Jurastudenten mit unzähligen BGH-Urteilen. Wie eine Verhandlung vor dem höchsten deutschen Zivil- und Strafgericht in der Praxis abläuft, konnte ich in Karlsruhe erleben. Eine Beweisaufnahme findet nicht statt, sondern nur eine mündliche Verhandlung. Am Anfang gibt der Vorsitzende Richter eine erste Einschätzung des Gerichts ab, dann können die Parteien ihre Positionen darlegen.

Kläger und Beklagte erscheinen in der Regel nicht selbst, sondern lassen sich durch einen Anwalt vertreten. Zugelassen sind beim BGH nur etwa 30 Rechtsanwälte. Nach der Verhandlung wird das Urteil verkündet – manchmal noch am selben Tag, manchmal auch erst Monate später. Thematisch ist alles dabei, von Urheberrechtsverletzungen bis zu schlechten Zahnarztleistungen.

Besonders eindrucksvoll war ein Nachbarschaftsstreit um die Frage, in welchem Umfang Trompetenspiel für den Nachbarn zumutbar ist. Bei diesem persönlichen Thema kamen sogar die sonst so nüchternen BGH-Anwälte an die Grenzen ihrer Sachlichkeit. Nach den Verhandlungen werden häufig Interviews mit den Parteien oder ihren Anwälten geführt. Ich durfte bei den Interviews zusehen und einmal auch selbst mitmachen. Die Original-Töne werden dann in die Radio- und Fernsehbeiträge der Rechtsredaktion eingebunden.

 

Abwechslung und Themenvielfalt

Eine Besonderheit des Praktikums waren die vielfältigen und abwechslungsreichen Themen und Aufgaben. Neben den Verhandlungen in Karlsruhe spielen auch Prozesse vor dem EuGH und dem EGMR eine Rolle. Die Rechtsredaktion nimmt Fälle auf, die für das deutsche Publikum thematisch interessant sind. Von Karlsruhe aus ist es nicht weit bis nach Straßburg, deshalb berichtet die zuständige Redakteurin auch manchmal live von Verhandlungen und Urteilen des EGMR.

Die Hörfunk-Redaktion produziert zudem jede Woche einen Radioreport Recht. Darin wird jeweils ein aktuelles oder generell interessantes juristisches Thema dargestellt. Wenn es sich anbietet, dürfen Praktikanten auch hier bei der Vorbereitung und Recherche helfen. Hinzu kommen spontane Anfragen einzelner Radiosender. Dank einer solchen kenne ich mich jetzt mit den rechtlichen Rahmenbedingungen einer Firmengründung in der Garage aus (das ist in Deutschland erwartungsgemäß kompliziert). Wenn mal nichts Besonderes ansteht, gibt es die Möglichkeit, Facebook-Beiträge zu interessanten und kuriosen Urteilen zu erstellen.

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Das Highlight: Urteilsverkündung beim Bundesverfassungsgericht

Glücklicherweise fand während meiner Zeit in Karlsruhe auch eine Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts statt. Dabei ging es um die Frage, ob ein bestimmtes Gesetz des Bundes zur Ermittlung der Einwohnerzahl verfassungsgemäß ist. Hamburg und Berlin hatten Verfassungsklage gegen das Gesetz erhoben. Ein komplexes und technisches Thema, das nicht einfach zu vermitteln ist. Am Tag vor der Urteilsverkündung konnte ich eine Kollegin begleiten, die mit einem Kamerateam Hintergrundaufnahmen gemacht hat. Wir haben an verschiedenen Orten gedreht, unter anderem in einem Bürgeramt. Bei dieser Gelegenheit wurde mir bewusst, wie viel Arbeit hinter einem kurzen Nachrichtenbeitrag steckt!

Am nächsten Tag ging es zum Bundesverfassungsgericht. Im Gegensatz zum BGH wird hier nicht nur das Urteil mit den wesentlichen Argumenten verkündet, auch die Urteilsbegründung wird zu einem großen Teil verlesen. In diesem Fall dauerte das über zwei Stunden. Danach standen Interviews mit verschiedenen Beteiligten und Betroffenen an. Die ersten Redakteure sind direkt nach Bekanntgabe des Urteils gegangen, damit ihre Beiträge möglichst schnell gesendet werden konnten. Als wir nach den Interviews vom Gericht zurückkamen, war der erste Film schon in der Tagesschau gelaufen. Den ganzen Nachmittag über wurden weitere Beiträge für die verschiedenen Sendungen produziert. Eine Live-Schalte ins Fernsehen habe ich leider nicht miterlebt, aber allein die Besichtigung der Studios ist schon sehr spannend. Insgesamt war die Urteilsverkündung beim Bundesverfassungsgericht ein beeindruckendes Erlebnis, das ich jedem angehenden Juristen nur empfehlen kann.

 

Der Monat in Karlsruhe hat gezeigt, wie spannend und lebensnah Jura sein kann. Mit etwas Mut und Eigeninitiative konnte ich hier viele interessante Erfahrungen machen. Es ist sehr hilfreich, die Arbeit der höchsten deutschen Gerichte einmal aus einer anderen Perspektive zu erleben. Die Kombination aus Jura und Journalismus bietet in dieser Hinsicht viele Möglichkeiten. Fazit: Es lohnt sich sehr, auch Bereiche außerhalb der klassischen juristischen Berufe zu entdecken.

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