Martin Fries - Legal Tech und Jurastudium noch vereinbar?

Verfasst von Dr. Martin Fries

Lohnt sich das Jurastudium in Zeiten der Digitalisierung noch?

Legal Tech: Trägt die Robe bald ein Robo, Herr Dr. Martin Fries?

Es ist eine gefühlte Ewigkeit her: Das Legal Tech Seminar im Frühjahr 2016 an der Uni Münster war universitäres Neuland. Seitdem sind kaum zweieinhalb Jahre vergangen, aber es hat sich in Deutschland viel getan. Veranstaltungen, Initiativen und Legal Tech Center schießen fast schon wie Pilze aus dem Boden. Was ist da los? Kann man seine Fälle zukünftig überhaupt noch mit dem Schönfelder in der Hand lösen? Oder steckt unter jeder Robe bald ein Robo und der studierte Jurist schaut in die Röhre?

Definition Legal Tech: Was ist das eigentlich?

Den meisten Studierenden ist der Begriff Legal Tech vermutlich schon einmal über den Weg gelaufen. Man versteht darunter das Zusammenwirken von Mensch und Maschine bei der juristischen Arbeit. Das ist an sich nichts Neues, denn juristische Suchmaschinen und Kanzleimanagementsoftware gibt es schon seit mehreren Jahrzehnten.

Durch erheblich gesteigerte Rechenleistungen und verbesserte Anwendungen hat die Digitalisierung der Juristerei aber in den vergangenen Jahren gewaltig an Fahrt aufgenommen. Viele sprechen schon über künstliche Intelligenz – dabei geht es schon viel früher los. Juristische Software kann schon mit einer vergleichsweise simplen Programmierung eine große Arbeitserleichterung sein.

Das gilt vor allem dort, wo viele gleichförmige Fälle gebündelt abgearbeitet werden. Früher gab es das selten, weil die typische Feld-, Wald- und Wiesen-Anwältin vor allem die Mandanten vor der eigenen Haustür betreut hat. Demgegenüber gibt es heute hochspezialisierte Kanzleien, die zwar nur in einer engen Nische beraten, dort aber die Fälle deutschlandweit abräumen. Weil dabei immer wieder dieselben Tatsachen- und Rechtsfragen auftreten, lohnt es sich für sie, dafür eine Software zu programmieren.
 

Jurastudium jetzt schmeißen?

Was bedeutet das für die Zukunftsaussichten der heutigen Jurastudenten? Immerhin hat die Digitalisierung schon manche klassischen Berufe auf dem Gewissen. Wer geht heute noch ins Reisebüro, beauftragt eine Wohnungsmaklerin oder fragt seine Bankberaterin nach dem günstigsten Zinssatz?

Zugegeben, es gibt diese Berufe noch, aber sie haben infolge neuer Softwareangebote stark an Bedeutung abgenommen. Und auch bei den Juristen lassen die ersten Vorboten bereits grüßen. Mancher, der sein Testament früher vom Anwalt formulieren ließ, wird es sich heute von Smartlaw herunterladen. Und manch eine Richterin, die den eingeklagten Unterhaltsanspruch früher selbst ausrechnete, lässt das heute von einer Berechnungssoftware erledigen.

Sollte man vor diesem Hintergrund nicht lieber zeitnah umschulen? Die Frage zu stellen, heißt sie zu verneinen. Aber: Verändern werden sich die juristischen Berufe doch ganz erheblich. Darauf darf man sich zumindest schon einmal gefasst machen. Man muss nicht programmieren können, um eine gute Juristin zu sein, aber eine gewisse Vorstellung davon, was sich programmieren lässt, kann sicher auch nicht schaden.

Einzelne Fakultäten haben mittlerweile sogar eigene Legal Tech Center eingerichtet, um Forschung und Lehre zu Fragen der Digitalisierung des Rechtswesens effektiv zu bündeln.

Legal Tech ist an den meisten Unis ein Thema

Wie reagiert die Juristenausbildung auf diese Phänomene? Ende des 20. Jahrhunderts gab es schon einmal eine Art Legal-Tech-Welle an den juristischen Fakultäten. Man nannte das damals Rechtsinformatik. Viele der damaligen Projekte konnten sich aber nicht dauerhaft etablieren.

Mit der jüngsten Digitalisierungsbewegung kommt das Thema ein zweites Mal und diesmal könnte es sich festsetzen. Noch vor zwei Jahren gab es fast keine Universität mit einer Legal-Tech-Veranstaltung im Programm. Heute gibt es kaum eine Uni, die sich damit noch nicht beschäftigt hat. Zwar haben anwendungsorientierte Fragen ihren Platz traditionell eher im Rechtsreferendariat, dort tut sich allerdings wenig und das gleichen die Universitäten mehr und mehr aus.

Einzelne Fakultäten haben mittlerweile sogar eigene Legal Tech Center eingerichtet, um Forschung und Lehre zu Fragen der Digitalisierung des Rechtswesens effektiv zu bündeln. Den Anfang hat dabei übrigens seinerzeit die Bucerius Law School in Hamburg gemacht, die sich im Bereich Digitalisierung schon seit langem sehr engagiert und ihren Studierenden seit einem Jahr den Erwerb eines sogenannten Technologiezertifikats anbietet.
 

Digital Natives drücken aufs Tempo

Wenn man sich die universitäre Legal-Tech-Landschaft anschaut, fällt auf, dass viele Projekte aus den Reihen der Studierenden kommen. Nach amerikanischem Vorbild gründen die sie Initiativen, laden Referenten aus Wissenschaft und Praxis ein und bringen Legal Tech damit gleichsam „von unten“ ins Vorlesungsverzeichnis.

In Frankfurt, München, Berlin und Münster gibt es bereits solche Studentengruppen, in mehreren anderen Unistädten sind sie in Planung.

Beispiel gefällig? Das Legal Tech Lab in Frankfurt am Main bringt Legal-Tech-Vorträge an die Uni, organisiert Coding-Seminare für Studierende und stellt in Zusammenarbeit mit verschiedenen Unternehmen Rechtssoftware aus der Praxis vor. In den Ausbildungs- und Prüfungsordnungen ist Legal Tech derweil noch nicht unmittelbar angekommen. Es gibt aber Überlegungen, Fragen rund um die Digitalisierung des Rechtswesens in absehbarer Zeit auch ausdrücklich ins gesetzliche Curriculum aufzunehmen.

Das wäre eine wichtige Klarstellung, aber natürlich kann und wird man Rechtsfragen der Digitalisierung auch heute schon in die klassischen Lehrveranstaltungen integrieren. Zum Schuldrecht gehört eben auch heute schon die Frage nach Verträgen über Daten, im Erbrecht gibt es bereits erste Gerichtsentscheidungen zum digitalen Nachlass, und der Zivilprozess wird auch in den kommenden Jahren zunehmend elektronischer ablaufen. Daran kommt man in der Lehre so oder so nicht vorbei.

Wer mit Blick auf aktuelle Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung des Rechtswesens am Ball bleiben möchte, hat dazu also reichlich Gelegenheit. Konkret: Im Wintersemester 2018/19 gibt es in etwa jeder zweiten Uni mindestens eine Legal-Tech-Veranstaltung.

Besonders hervorzuheben sind dabei die experimentellen Veranstaltungen der Law Clinics in Bonn und Berlin, der bereits erwähnte Programmierkurs in Frankfurt, die Bucerius-Herbsttagung in Hamburg und die Ringvorlesung Legal Tech in Passau. Neben diesen Veranstaltungen gibt es natürlich eine Menge Online-Ressourcen wie etwa die Legal Tech News auf Twitter, die verschiedenen Legal Tech Blogs und natürlich die Vorlesung Legal Tech auf YouTube. Damit dürfte man vermutlich ganz gut über den Winter kommen.

Gansel
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