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Verfasst von Finn Holzky

Streiten kann so schön sein

Ein Satz der unter Juristen gar nicht so kurios klingt

...wie er einem im ersten Moment vorkommen mag. Doch eigentlich ist es nicht der Streit an sich, sondern der Streitgegenstand, der das Streiten so spannend macht. Es sind die interessanten Mandate, die Anwälte und Anwältinnen jeden Morgen in ganz Deutschland aus dem Bett holen und zu Höchstleistungen antreiben. Wir stellen euch drei interessante Mandate von Kanzleien aus den vergangenen Monaten vor!

David gegen Goliath vor Gericht

So könnten einem die Streitigkeiten zwischen der Kanzlei TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und ihren Konkurrenten vor Gericht vorkommen. Nicht dass die Kanzlei selbst ein kleiner David wäre. Die von Rechtsanwalt Andreas W. Tilp gegründete Kanzlei gilt als eine der besten Kanzleien für Kapitalmarkt- und Bankenrecht, der Nomos Verlag nannte TILP in seinem Handbuch „Kanzleien in Deutschland“ einst „die Kapitalmarktrechtskanzlei“ schlechthin. Es sind die Mandanten von Andreas W. Tilp und seinen Kollegen, denn diese treten für Investoren gegen mächtige Banken und Großkonzerne an. In der Vergangenheit waren das Prozesse gegen die mittlerweile verstaatlichte Hypo Real Estate Bank, die Telekom oder gegen Porsche nach der geplatzten Übernahme von Volkswagen.

Der neueste Fall der Tübinger Kanzlei könnte kaum prominenter sein: Es ist die Dieselgate-Affaire des Volkswagenkonzerns. Die im Zuge des Kurssturzes an der Börse geschädigten Investoren des niedersächsischen Großkonzerns können sich auch dieses Mal auf die Kanzlei verlassen. Mächtigste Waffe von Tilp und seinen Anwälten ist dabei das Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, kurz KapMuG. Nach diesem Gesetz können Investoren in einem an US-amerikanisches Recht angelehnten Masseverfahren einen Einzelfall verhandeln lassen, der auf viele Investoren gleichzeitig zutrifft, um so ein Urteil zu erwirken, aus dem sie alle Schadensersatz verlangen können. Für dieses Musterverfahren ist die Kanzlei TILP führend auf dem deutschen Markt und dürfte dem VW Konzern bereits jetzt das Fürchten lehren. Die Türen für Andreas Tilp und seine Kollegen wurden jedenfalls geöffnet, das Landgericht Braunschweig hat einen sogenannten Vorlagebeschluss erlassen und somit die ersten Schritte für ein Musterverfahren eingeleitet.

Streit in der Modebranche beigelegt

Einen erbitterten Streit um Namensrechte führten der bekannte Herrenausstatter Anson's, seineszeichens Tochterunternehmen des Düsseldorfer Branchenprimus Peek & Cloppenburg und das schweizer Radsportbekleidungsunternehmen Assos gegen den britischen Online-Modehändler Asos. Dieser hatte 2002, zwei Jahre nach seiner Gründung, seinen Namen von AsSeenOnScreen auf die vier Buchstaben verkürzt und damit den Unmut der beiden Kläger auf sich gezogen. Diese gingen, seitdem Asos über den britischen Markt hinaus expandiert, gegen den Onlinehändler vor, sahen sie doch ihre schon länger bestehenden Markenrechte durch die große Verwechslungsgefahr verletzt. Die Kläger wurden dabei von der Großkanzlei Bird & Bird durch deren Düsseldorfer und Londoner Anwälte vertreten. Asos lies sich von der Kanzlei Boehmert & Boehmert vertreten und zog noch die Londoner Anwälte von Dechert hinzu.

Da die Streitigkeiten internationale Ausmaße bis in die USA nahmen, griff Asos auch noch auf die New Yorker Kanzlei Finnegan zurück. Konnte sich Asos auf heimischen Boden noch bis zum High Court erfolgreich verteidigen, lief es im Ausland deutlich schlechter. Zuletzt waren mehrere Klagen am deutschen Bundesgerichtshof und in unteren Instanzen anhängig und auch in Frankreich und den USA drohten Niederlagen vor Gericht. So kam es nun zu einem alle Verfahren -sowohl in Deutschland als auch international- abschließenden Vergleich zwischen den drei Parteien. Es wurde bekannt, dass Asos insgesamt 20,2 Millionen US-Dollar an die beiden Konkurrenten zahlt und sich selbst verpflichtet hat, in Zukunft weder Radsportbekleidung zu verkaufen, noch eigene „Offline“-Shops in Deutschland zu eröffnen.

Übernahme auf dem Fernbusmarkt

Der Fernbusverkehr in Deutschland boomt und gerade wir Studenten profitieren durch den neu entstandenen Konkurrenzdruck auf dem Reisemarkt. In Folge der Gesetze zur Liberalisierung des Fernbusmarktes von 2013 kam es zur Neugründung mehrerer Fernbusunternehmen. Eines der bekanntesten ist sicherlich das Unternehmen FlixBus, das offiziell unter der FlixMobility GmbH betrieben wird. FlixBus hatte bereits im Juni 2016 auf sich aufmerksam gemacht als es das Streckennetz des Konkurrenten Megabus Europe übernahm.

Kaum zwei Monate später wurde bekannt dass FlixBus nun mit Hilfe der Kanzlei Hogan Lovells an einem nächsten Coup auf dem umkämpften Fernbusmarkt arbeitet. Die Kanzlei berät die FlixMobility GmbH bei dem Erwerb des Fernbusgeschäfts der Deutschen Post DHL Group, besser bekannt als Postbus. Das Tochterunternehmen der Post unterhält rund 100 Busse und umfasst ein Streckennetz mit knapp 120 Zielen in Deutschland und europäischen Nachbarstaaten und ist somit eines der größten Konkurrenzunternehmen auf dem deutschen Markt. Laut Aussage des Geschäftsführers von Flixbus haben beide Unternehmen in der Vergangenheit jedoch ein anderes Klientel angesprochen und man möchte durch die Transaktion nun ein Produkt schaffen, das auf alle Alters- und Zielgruppen zugeschnitten ist. Hogan Lovells berät die FlixMobility GmbH dabei in allen rechtlichen Fragen, sowohl bei der Transaktion durch eigene M&A-Spezialisten, insbesondere aber auch hinsichtlich kartellrechtlicher Probleme, die durch den Zusammenschluss zweier Branchengrößen entstehen könnten, durch die eigenen Kartellrechtler Dr. Christoph Wünschmann und Christian Ritz.

 

Und wieder einmal zeigt sich eine Tätigkeit als Anwalt in einer Kanzlei ist mitnichten nur eine realitätsferne abstrakte Wissenschaft. Vielmehr hat das Recht und die Rechtsprechung tagtäglich enorme Auswirkungen auf uns und unser Leben. Oft ist die Betrachtung solcher realen Mandate auch einmal eine Abwechslung zu dem sonst so eher theoretischen Jurastudium.