Erfolg ist kein Glück

Warum es sich lohnt, in die eigene Ausbildung zu investieren

Agmal Bahrami, 28, hat Jura an der EBS Wiesbaden und der USEK Libanon mit dem Schwerpunkt Bankenrecht studiert. Nach einem Master in Wirtschaftswissenschaften und dem Referendariat am Landgericht Darmstadt, legte er erfolgreich das Zweite Staatsexamen ab und arbeitet heute als Rechtsanwalt in einer Kanzlei in Frankfurt am Main im Bereich des M&A.



Agmal Bahrami

Aus dem sozialen Brennpunkt Darmstadt-Kranichstein in eine amerikanische Großkanzlei nach Frankfurt am Main – Gab es ein ausschlaggebendes Ereignis, weshalb du dich nach dem Abitur für das Jurastudium entschieden hast?

Eigentlich wollte ich zunächst Pilot werden. Leider scheiterte ich am Einstellungstest. Parallel dazu hatte ich mich an verschiedenen Universitäten für Jura beworben, weil ich etwas Vernünftiges studieren wollte. Mich interessierten aber auch wirtschaftliche Themen sehr. Am Ende entschied ich mich für die EBS Universität in Wiesbaden. Die Möglichkeit neben Jura auch BWL und VWL zu studieren und trotzdem in Regelstudienzeit fertig zu werden, reizte mich besonders. Im Nachhinein bin ich ganz froh darüber, dass ich kein Pilot geworden bin.
 

Mit dem Wechsel von der Grundschule auf das Gymnasium änderte sich auch dein Freundeskreis. Wie entscheidend und prägend war dein schulisches – aber auch familiäres – Umfeld während dieser Zeit?

Tatsächlich musste ich auf dem Gymnasium neue Freundschaften schließen, weil sich meine Freunde aus der Grundschulzeit leider für andere Schulen entschieden hatten. Meine zwei besten Grundschulfreunde hatten sich für eine Gesamtschule entschieden, weshalb ich überlegte, auch dorthin zu gehen.

Allerdings wollte ich bereits damals Abitur machen, um mir alle Möglichkeiten offen zu halten. Diese Entscheidung war aber auch von meinen Eltern geprägt. Insbesondere mein Vater, der in Afghanistan Bauingenieurwesen studiert hat, wollte, dass meine drei Geschwister und ich ebenfalls Akademiker werden.
 

Gerade das Jurastudium ist mit vielen Vorurteilen behaftet. Wie hast du die ersten Tage und Wochen an der Universität erlebt? 

Ich fand relativ schnell Anschluss und habe heute noch mit sehr vielen ehemaligen Kommilitonen Kontakt. Mein Jahrgang war der erste und bestand nur aus 88 Studenten. Der Zusammenhalt in solch einem kleinen Jahrgang ist ohnehin stärker als in einem Jahrgang mit mehreren hundert Studenten und ich denke, dass Motivation und Fleiß in solch einer Situation, unabhängig von sozialer oder kultureller Herkunft, verbindet.

Wir waren eine ziemlich gemischte Gruppe und nicht wenige Studenten beanspruchten Bildungskredite und/oder erhielten Stipendien. Dass jeder Privatstudent von Papa finanziert wird, kann ich also nicht bestätigen.
 

Ein Studium ist zunächst einmal mit finanziellem Aufwand verbunden. Warum hast du dich trotz wirtschaftlich schwieriger Lage für eine private – und nicht eine öffentliche – Universität entschieden?

Ausschlaggebend war für mich, eine möglichst gute Ausbildung zu erhalten. Die EBS Universität warb damit, dass man innerhalb der Regelstudienzeit mit der Ersten Juristischen Prüfung abschließt – inklusive Schwerpunkt, Auslandssemester, wirtschaftswissenschaftlicher Fächer sowie LL.B. Das bot leider keine öffentliche Universität. Ich war und bin der Meinung, dass es absolut sinnvoll ist, in seine eigene Ausbildung zu investieren.

Zwar hatte ich auch einen finanziellen Druck, war aber von meinen Fähigkeiten überzeugt und war mir sicher, dass ich das Studium und das anschließende Referendariat mit ausreichend Fleiß und Disziplin bewältigen konnte. Die Studiengebühren habe ich mithilfe eines Stipendiums der EBS Universität und mit einem Bildungskredit der KfW finanziert, meine Lebenshaltungskosten habe ich mithilfe diverser Nebenjobs im Gastronomiebereich sowie BAföG bestritten.

Haben dich die Kosten anfangs nicht abgeschreckt oder hast du dich schon im Vorfeld über verschiedene Finanzierungsmodelle informiert?

Die Höhe der Studiengebühren war sehr abschreckend. Daher bewarb ich mich auch zunächst für ein Stipendium und machte meine Entscheidung im Wesentlichen davon abhängig, ob ich dieses erhielt oder nicht. Parallel dazu informierte ich mich bei verschiedenen Banken über Bildungskredite. Der Kredit der KfW bot die niedrigsten Zinsen und auch die Rückzahlungsmodalitäten waren am besten.
 

Beifall oder Schockstarre – Wie reagierten deine Familie und Freunde auf deine Entscheidung, Jura zu studieren und wie haben sie deine Zeit an der Uni, und auch deinen Abschluss, miterlebt?

Meine Mutter wollte unbedingt, dass ich Medizin studiere. Ihre Reaktion war also entsprechend ernüchternd. Aber jetzt im Nachhinein ist sie froh, dass ich mich für diesen Weg entschieden habe. Ich denke, dass es für meine Eltern und Geschwister nicht so einfach war, mit jemandem zusammen zu wohnen, der fünf Jahre lang für zahlreiche Klausuren lernen musste und mehrere Hausarbeiten geschrieben hat. Auf der Abschlussfeier war die Erleichterung groß und die Freude noch größer.
 

Konsequent fleißig oder „vier gewinnt“? Du hast dein Zweites Staatsexamen mit Prädikat abgeschlossen. War dies von Beginn an dein Ziel?

Wenn man auf vier Punkte lernt, landet man schnell bei drei. Und das konnte ich mir gerade im Hinblick auf den finanziellen Druck nicht leisten. Gelernt habe ich also stets auf eine zweistellige Punktzahl. Sowohl im Studium als auch für die Examina. Ein Prädikatsexamen kann man nicht planen.

Dafür hängt das Zustandekommen eines solchen Ergebnisses von zu vielen Faktoren ab, wobei auch Glück eine nicht unwichtige Rolle einnimmt. Allerdings kann man sich es als Ziel vornehmen und sich dann entsprechend vorbereiten. Damit meine ich nicht, dass man bereits zu Beginn des Referendariats wie verrückt lernen muss. Dafür ist der Zeitraum von 21 Monaten zu lang. Man vergisst leider sehr schnell sehr viel. Ich habe während des Referendariats lediglich die Gerichtsakten bearbeitet und ansonsten nebenbei gearbeitet. Die restliche Zeit habe ich für Familie, Freunde und für Freizeitaktivitäten genutzt.

Vier Monate vor dem Zweiten Staatsexamen habe ich dann richtig angefangen zu lernen: Sechs Tage die Woche – von 9 Uhr bis 17 Uhr, ohne Kompromisse. Ob eine Lerngruppe und kommerzielle Repetitorien notwendig sind, muss jeder für sich herausfinden. Ich habe alleine gelernt und zwei Seminare im Strafrecht besucht, weil meine Lücken dort am größten waren.

Ich bin der Meinung, dass man auch zu viel lernen kann, was kontraproduktiv ist. Die Zeit in der sogenannten Tauchstation ist so knapp bemessen, dass man gezwungen ist, vernünftige Schwerpunkte zu setzen. Jedes Rechtsgebiet im Detail zu lernen, ist meines Erachtens nicht erfolgsversprechend.

Das Referendariat dient auch dazu, sich klar zu machen, wohin die berufliche Reise nach dem Examen führen soll. Es nur für das Lernen zu nutzen, sehe ich kritisch. Ich beispielweise habe meinen aktuellen Arbeitgeber im Rahmen der Anwalts- sowie Wahlstation kennengelernt. Ich wusste vor dem Examen, dass ich dort als Rechtsanwalt arbeiten wollte. Mich hat die hohe Notenhürde, um dort einzusteigen, auch motiviert und angetrieben.

             

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Deine Eltern kommen aus Afghanistan, du bist in Deutschland geboren. Hat deine Herkunft bzw. die deiner Familie an der Uni oder in Bewerbungsgesprächen eine Rolle gespielt?

Über den einen oder anderen Scherz über meine Herkunft während der Zeit an der Universität musste ich selbst lachen. In Bewerbungsgesprächen spielte meine Herkunft keine Rolle.
 

Neben Deutsch und Englisch sprichst du auch fließend Farsi und Paschto. Sind diese Sprachkenntnisse ein großer Vorteil?

Farsi und Paschto, die beiden Amtssprachen in Afghanistan, spielen außerhalb meines Familienkreises leider keine Rolle. Aber es ist schön, sie sprechen zu können, weil sie Teil meiner Identität sind. Außerdem sprechen Paschto nur sehr wenige Menschen auf der Welt. Die Fähigkeit, diese Sprache sprechen und weitergeben zu können, ist etwas Besonderes.

 

LL.B., Auslandssemester, Nebenjobs, Praktika und Regelstudienzeit – Naturtalent oder langjähriger Schlafmangel?

Weder, noch. Ein gewisses Talent ist bestimmt von Nöten, um Jura erfolgreich zu Ende zu bringen. Bei mir spielten aber Fleiß und Disziplin eine größere Rolle. Immer, wenn es darauf ankam und Prüfungen anstanden, habe ich mich bestmöglich auf diese vorbereitet. Ausreichenden Schlaf hatte ich grundsätzlich immer. Ich muss aber auch gestehen, dass das EBS-Programm auf einen zügigen Abschluss ausgelegt ist. Wenn man dieses Tempo einhalten kann (und das kann man, wenn man will), dann ist das Ganze in der Form machbar. Für den anschließenden Master benötigt man aufgrund der wirtschaftswissenschaftlichen Fächer im Grundstudium und der dort gesammelten Creditpoints auch nur zwei Semester. Auch wenn das Studienprogramm relativ verschult ist, muss man eigenständig für die Prüfungen lernen und seine Zeit optimal managen.
 

Hast du an der EBS Wiesbaden oder im Referendariat am Landgericht Darmstadt Menschen mit einem ähnlichen Hintergrund kennengelernt und falls ja, wie wichtig sind solche Verbindungen?

An der EBS Universität war ich mit meinem Migrationshintergrund – jedenfalls im ersten Studienjahr – eher eine Ausnahme. Als Nachteil habe ich das jedoch nicht empfunden. Im Referendariat sah das schon etwas anders aus. Die Arbeitsgemeinschaften am Landgericht Darmstadt waren heterogener. Verbindungen zu Menschen mit Migrationshintergrund sind genauso wichtig wie welche zu Menschen ohne. Die Herkunft sollte gerade im akademischen Bereich keine Rolle spielen.

 

Gab es einen Punkt, an welchem du kurz davor warst, alles hinzuschmeißen? Welche Motivation ließ dich bis zum Ende durchhalten?

Ja, kurz vor dem Auslandssemester war ich mir meines Weges nicht mehr sicher. Jura wollte ich auf alle Fälle weiter studieren, aber ich habe mir die Frage gestellt, ob es ernsthaft Sinn ergibt, das Fach privat zu studieren. Ich stellte mir Worst-Case-Szenarien vor. Was ist, wenn ich das Studium nicht schaffe? Oder durch das Examen falle? Kurze Zeit später waren diese negativen Gedanken jedoch wieder verschwunden und während meines Auslandssemesters konnte ich ohnehin wieder viel Energie tanken. Durchhalten war für mich die einzige Option. Kurz nach meinem Auslandssemester absolvierte ich ein Praktikum in einer amerikanischen Kanzlei. Auch das motivierte mich. Die Arbeit und die Kollegen gefielen mir so sehr, dass ich mir die Option, in einer Großkanzlei zu arbeiten, unbedingt offenhalten wollte. Der konkrete Berufswunsch entwickelte sich dann während der Stationen im Referendariat.

Jedes Rechtsgebiet im Detail zu lernen, ist meines Erachtens nicht erfolgsversprechend. Das Referendariat dient auch dazu, sich klar zu machen, wohin die berufliche Reise nach dem Examen führen soll.
Agmal Bahrami

Welche Charaktereigenschaft siehst du als wegweisend für den Erfolg im Jurastudium? Alles eine Frage von Fleiß und Disziplin oder etwas völlig anderes?

Ohne Fleiß und Disziplin wird es schwierig, Jura erfolgreich zu studieren. Eine positive Grundhaltung ist wichtig und man darf sich von akademischen Niederschlägen während des Studiums nicht zu sehr beeinflussen lassen. Zudem finde ich eine gewisse Resilienz und die Fähigkeit, abstrakt und logisch zu denken enorm wichtig. Genauso wie eine gute Ausdrucksfähigkeit: Man muss Argumente gut präsentieren und formulieren können, um Menschen zu überzeugen. Außerdem sind eine hohe Lernbereitschaft und eine gewisse Belastbarkeit ebenso von enormer Bedeutung. Letztlich liegt es bei jedem selbst, herauszufinden, wie man sich immer wieder motivieren und selbst organisieren kann.

 

Hattest du aufgrund deiner Herkunft mit Vorurteilen und anderen Problemen an der Uni und im Referendariat zu kämpfen? Wie bist du diesen begegnet?

Eine gewisse Schlagfertigkeit hilft gegen den sogenannten Alltagsrassismus. Man muss aber auch mal über sich selbst lachen können und nicht jeden Spruch ernst nehmen. Einfach über den Dingen stehen! Aber echte Probleme gab es weder an der Uni noch im Referendariat.
 


Aus dem Studium in die Großkanzlei – Ziel erreicht oder hast du weitere große Pläne für deine Zukunft?

Hinsichtlich meines Berufswunsches habe ich mein Ziel erreicht, ja. Nun geht es darum, die Mandanten der Kanzlei, in der ich arbeite, bestmöglich zu beraten. Weitere Ziele werden sich bestimmt im Laufe meiner Karriere ergeben. Ansonsten möchte ich mich auch persönlich weiter entwickeln und mehr von der Welt sehen. Ich bin gespannt auf die Zukunft.
 

Gab es eine Entscheidung oder eine nicht genutzte Chance, die du im Nachhinein bereut hast?

Nein. Während meiner Ausbildung war mir besonders wichtig, möglichst authentische Auslandserfahrung zu sammeln. Ich bin daher während des Studiums im Libanon gewesen und die Verwaltungsstation habe ich im Deutschen Generalkonsulat in Bangalore (Indien) verbracht. Meine Wahlstation hätte ich vielleicht auch im Ausland verbringen können. Aber mir war es wichtiger, drei Monate lang möglichst intensiv mit dem Team zu arbeiten, das mich – bei Vorliegen der Notenvoraussetzungen – als Associate einstellen wollte.

                 
Das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden: Verwaltungsstation in Indien 

Neben dem Studium hast du dich ehrenamtlich in Integrationsprojekten engagiert, hast Nachhilfe gegeben und bist seit einigen Jahren Mitglied bei Amnesty International. Hat soziales Engagement einen besonderen Stellenwert für dich?

Auf jeden Fall. Es ist wichtig, soziale Verantwortung zu tragen und der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Ich bin froh darüber, dass ich nun in der Lage bin, eine Cousine, die in Kabul lebt und die in jungem Alter ihre Mutter verloren hat, finanziell zu unterstützen. Sowas macht mich glücklich.

 

Abgesehen von den Prüfungen, was war für dich die größte Zerreißprobe auf dem Weg zum Volljuristen und weshalb?

Eine große Herausforderung war für mich, mit der allgegenwärtigen Unsicherheit zurechtzukommen. Ist Jura überhaupt etwas für mich? Kann ich mithalten und die Prüfungen bestehen? Lohnen sich die vielen Jahre überhaupt finanziell? Man kann Jura nicht planen. Entscheidend sind wohl oder übel allein die Noten in den Examina. Andere Leistungen interessieren herzlich wenig. Dadurch steigt auch der Druck insgesamt und damit muss man irgendwie zurechtkommen. Ich denke aber, wer das schafft, ist bestens gewappnet für die Berufswelt.

 

Welchen Rat würdest du gerne anderen Menschen mit auf den Weg geben, welche sich mit ähnlichen Problemen konfrontiert sehen, wie du einst vor dem Jurastudium?

Einfach machen und optimistisch sein. Und nicht so schnell aufgeben, wenn man mal einen Tiefpunkt erreicht, sondern versuchen, weiterzumachen. Nach dem Examensstress kann es nur besser werden. Durchhalten lohnt sich!

 

Dein Fazit?

Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg. Und mit Jura erhält man eine generalistische und sehr vielfältige Bildung, die es einem erlaubt, frei und unabhängig zu sein. Ich wünsche allen angehenden Juristen viel Erfolg und Glück bei den Prüfungen. 

 

Vielen Dank, Agmal Bahrami!