Geschäftsunfähig - schwanger, betrunken, süchtig?

Geschäftsunfähig - schwanger, betrunken, süchtig?

...und im Notfall hilft der BGH?

Die menschliche Psyche ist höchst interessant, betrifft uns alle und kennt die verschiedensten Zustände. Wie verhält es sich aber, wenn wir mal nicht geschäftsfähig sind, doch trotzdem wie wild Geschäfte tätigen? Und warum können Eheverträge mit Schwangeren unwirksam sein, obwohl wir eigentlich Privatautonomie haben?

Die Geschäftsfähigkeit beschäftigt angehende Juristen gefühlt ihre gesamte universitäre Laufbahn. Bereits im ersten Semester in der BGB AT Vorlesung kaufen psychisch Verwirrte ein oder veranstalten verbotene Dinge. Umso länger das Studium wird, desto abstruser werden auch die Fälle – bis es irgendwann soweit ist, dass vorübergehend Geschäftsunfähige in klaren Momenten Darlehen aufnehmen und die Sicherungen dafür wiederum im geschäftsunfähigen Zustand leisten. So kompliziert soll es nun nicht werden, daher einmal ganz von vorne!

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Wer ist Geschäftsfähig?

Die Geschäftsfähigkeit ist bei uns negativ geregelt. Sprich es werden grundsätzlich alle Menschen als voll geschäftsfähig eingestuft und erst dann werden Ausnahmen normiert. Somit ist man bei uns mit dem Eintritt in die Volljährigkeit grundsätzlich uneingeschränkt geschäftsfähig.

Die Ausnahmen für die Geschäftsfähigkeit sind manigfaltig. Seelische Erkrankungen oder auch Süchte wie z.B. nach Alkohol und Drogen sind die Bekanntesten. Es gibt auch andere Formen der Geschäftsunfähigkeit, wie die partielle Geschäftsunfähigkeit, die nur bestimmte Geschäfte umschließt.
 

Kann ich also alle betrunken geschlossenen Verträge für nichtig erklären lassen?

Leider nein. Das OLG Köln entschied 2001 über einen Fall, in dem ein Betrunkener eben dies mit einer Rechnung von 18.000 DM aus einem Bordell versuchte. Selbst die hohe Alkoholkonzentration im Zusammenspiel mit einer eventuellen Medikamenteneinnahme reichte damals nicht für die Annahme einer Geschäftsunfähigkeit aus. Der Bundesgerichtshof bestätigte dies später.

Tatsächlich bedarf es bei Betrunkenen nicht nur einen die freie Willenskraft einschränkenden Zustand, sondern einen diese tatsächlich ausschließenden. Betrunkene müssen also auch weiterhin zu ihren Taten stehen, zumindest können sie nicht auf ihre Geschäftsunfähigkeit hoffen.

Die Schwangere, der Ehevertrag, der Ritter aus Karlsruhe und eigentlich gar keine Geschäftsunfähigkeit...

Ein komplett anders gelagerter Fall geisterte unlängst durch die Medien. Die steigenden Scheidungsraten lassen die Anzahl von Eheverträgen ungebremst steigen. Für einige sind sie zwar immer noch viel zu unromantisch, für viele andere mittlerweile eine willkommene Absicherung des eigenen Vermögens vor dem Risiko einer heute nicht sonderlich unwahrscheinlich erscheinenden Scheidung.

Grundsätzlich herrscht auch hier unsere heilige Privatautonomie. Doch wird sie momentan von einem edlen Ritter immer weiter zurückgedrängt. Von wem ist hier bloß die Rede, fragt sich nun der aufmerksame Leser freilich: Es ist der Bundesgerichtshof auf seinem Pferd der Gerechtigkeit. Eben dieser zieht seit einiger Zeit  für die „schwächeren“ Parteien im Ehevertrag in die Schlacht.
 

Was aber hat das mit Geschäftsunfähigkeit zu tun?

Eigentlich gar nichts. Schwangere sind nicht per se aufgrund ihrer Schwangerschaft geschäftsunfähig. Keine Hormondosis kann so groß sein, um dies medizinisch zu belegen. Dennoch springt der Ritter aus Karlsruhe schwangeren Frauen zurecht immer häufiger zur Seite und lässt Eheverträge für nichtig erklären.

Selbst die hohe Alkoholkonzentration im Zusammenspiel mit einer eventuellen Medikamenteneinnahme reichte damals nicht für die Annahme einer Geschäftsunfähigkeit aus.

Wie und warum fragt sich der Leser wieder?

Entscheidend hierfür sind Zeitpunkt und Inhalt des Vertrages: Kurz vor der Entbindung geschlossen, ein finanziell besser gestellter Mann und deutliche Einschränkungen der Rechte für die werdende Mutter sieht man in Karlsruhe gar nicht gerne. Wenn doch, dann zückt der Bundesgerichtshof sein Schwert auf dem das Wort „Sittenwidrigkeit“ geschrieben steht.

Er sieht nämlich die freie Entscheidungsgewalt einer Hochschwangeren gefährdet. Eine deutliche Parallele zur Geschäftsunfähigkeit, die von den obersten Bundesrichtern auch so gewollt ist. Die §§ 104 ff. BGB passen aber im vorliegenden Fall einfach nicht, da hier auf körperliches abgestellt wird. Der Gedanke aber bleibt derselbe: „Wer sich nicht frei entscheiden kann, der soll geschützt sein.“
 

… und wenn wir es nicht Geschäftsunfähigkeit nennen können, heißt es halt Sittenwidrigkeit. So oder so ähnlich könnten die Gedanken der obersten Bundesrichter gelautet haben, als sie sich auf die Seite der Schwangeren stellten und wenn wir ehrlich sind und auch noch so gerne unseren obersten Gerichtshof kritisieren: Zumindest hat er hier alles richtig gemacht!

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