Mann liest Dokument am Schreibtisch

Veröffentlicht am 19.08.2024

Geschäftsunfähigkeit | Ursachen, Gesetze, Entwicklungen

Ein Überblick zu Ursachen, rechtlichen Auswirkungen und warum Vorsorgemaßnahmen heute wichtiger sind denn je.

Geschäftsunfähigkeit ist ein Thema, das Dir unabhängig vom juristischen Hintergrund womöglich erst dann bewusst wird, wenn Du oder jemand in Deinem Umfeld davon betroffen ist. Die Geschäftsunfähigkeit ist ein zentraler Begriff im deutschen Zivilrecht, der die Fähigkeit einer Person betrifft, rechtlich bindende Willenserklärungen abzugeben und Rechtsgeschäfte vorzunehmen.

Gemäß § 104 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist eine Person geschäftsunfähig, wenn sie entweder das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder sich in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, der die freie Willensbildung ausschließt und nicht nur vorübergehender Natur ist.

Die Bedeutung der Geschäftsunfähigkeit im täglichen Leben und in rechtlichen Angelegenheiten ist erheblich, da sie die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften und Verträgen maßgeblich beeinflusst. So sind Rechtsgeschäfte, die von einer geschäftsunfähigen Person abgeschlossen werden, gemäß § 105 BGB von Anfang an nichtig.

Aktuelle Statistiken zeigen, dass die Zahl der gerichtlich festgestellten Geschäftsunfähigkeiten in Deutschland in den letzten Jahren leicht gestiegen ist. Laut einer Studie des Bundesamtes für Justiz wurden im Jahr 2023 etwa 1,3 Millionen Menschen unter Betreuung gestellt, von denen ein erheblicher Teil als geschäftsunfähig eingestuft wurde. Diese Zahlen verdeutlichen die Relevanz des Themas und unterstreichen die Notwendigkeit einer rechtlichen und sozialen Auseinandersetzung mit den Herausforderungen, die sich aus der Geschäftsunfähigkeit ergeben.

Geschäftsunfähigkeit im Wortlaut des Gesetzes
 

§ 104 Geschäftsunfähigkeit
Geschäftsunfähig ist:

  1. wer nicht das siebte Lebensjahr vollendet hat,
  2. wer sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

§ 105 Nichtigkeit der Willenserklärung
(1) Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig.
(2) Nichtig ist auch eine Willenserklärung, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird.

§ 105a Geschäfte des täglichen Lebens
Ein volljähriger Geschäftsunfähiger kann ein Rechtsgeschäft des täglichen Lebens, das mit geringwertigen Mitteln bewirkt werden kann, mit Wirkung für und gegen sich selbst vornehmen, sofern die Leistung und die Gegenleistung sofort bewirkt werden. Das Rechtsgeschäft ist wirksam, soweit es nicht eine erhebliche Gefahr für die Person oder das Vermögen des Geschäftsunfähigen begründet.
 

Selbstverständlich befassen sich fortfolgende Paragrafen zudem mit weiteren Formen der Geschäftsunfähigkeit, insbesondere mit Aspekten der beschränkten Geschäftsfähigkeit Minderjähriger.

Ursachen der Geschäftsunfähigkeit

 

Die Ursachen der Geschäftsunfähigkeit können vielfältig sein und betreffen sowohl medizinische als auch psychologische Aspekte. Eine der häufigsten Ursachen ist eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, die die Fähigkeit, eigenverantwortlich und rechtsverbindlich zu handeln, erheblich beeinträchtigt. Dazu zählen etwa schwere psychische Erkrankungen wie Schizophrenie oder Demenz. In derartigen Fällen sind entsprechende Personen nicht in der Lage, die Tragweite ihrer Handlungen zu erkennen oder eine freie Willensbildung zu entwickeln, wie es in § 104 Nr. 2 BGB beschrieben ist.

Vorübergehende Geschäftsunfähigkeit

Vorübergehende Geschäftsunfähigkeit ist ein Zustand, in dem eine Person zeitweise nicht in der Lage ist, rechtsverbindliche Entscheidungen zu treffen oder Willenserklärungen abzugeben. Diese Form der Geschäftsunfähigkeit kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden, darunter akute psychische Störungen, Bewusstseinsstörungen oder der Einfluss von Drogen und Alkohol.

Ein klassisches Beispiel für vorübergehende Geschäftsunfähigkeit ist der Zustand der Bewusstlosigkeit oder eine akute psychische Krise, die zu einer kurzzeitigen Unfähigkeit führt, die Tragweite eigener Handlungen zu erfassen. Das BGB regelt diese Fälle in § 105 Abs. 2, wonach Willenserklärungen, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben werden, nichtig sind.

Insgesamt zeigt sich, dass vorübergehende Geschäftsunfähigkeit ein komplexes und in der Praxis häufig auftretendes Phänomen ist. Es unterliegt stets einer Einzelfallprüfung durch die Gerichte, die den genauen Zeitpunkt und die Umstände der Beeinträchtigung berücksichtigen müssen.

Altersbedingte Geschäftsunfähigkeit

In einer alternden Gesellschaft wie der deutschen wird die altersbedingte Geschäftsunfähigkeit zunehmend zum Thema für die Rechtssprechung.

In Deutschland sind etwa 1,8 Millionen Menschen von Demenz betroffen (Stand 2022), und die Zahl wird voraussichtlich weiter steigen. Diese Erkrankung ist eine der häufigsten Ursachen für die altersbedingte Geschäftsunfähigkeit.

Neben Demenz kann auch der allgemeine altersbedingte Abbau der kognitiven Fähigkeiten, der oft unbemerkt voranschreitet, zu einer Geschäftsunfähigkeit führen. Es gibt keine festen Altersgrenzen für den Eintritt solcher Einschränkungen, aber Statistiken zeigen, dass das Risiko ab dem 70. Lebensjahr signifikant zunimmt. Eine Studie des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) aus dem Jahr 2021 schätzt, dass rund 40 % der Menschen über 85 Jahren an einer Form von Demenz leiden, was nicht selten in einer Geschäftsunfähigkeit endet.

Rund 40 % der über 85-Jährigen in Deutschland sind von einer Form der Demenz betroffen, was oft zur altersbedingten Geschäftsunfähigkeit führt.
Rund 40 % der über 85-Jährigen in Deutschland sind von einer Form der Demenz betroffen, was oft zur altersbedingten Geschäftsunfähigkeit führt.

Auswirkungen auf bereits bestehende Verträge

In Hinblick auf die Auswirkungen der Geschäftsunfähigkeit kommt es entscheidend darauf an, ob die Geschäftsunfähigkeit bereits bei Vertragsschluss vorlag und ob der Vertragspartner dies erkennen konnte oder musste.

Statistiken zeigen, dass die Zahl der gerichtlich festgestellten Geschäftsunfähigkeiten, die zu einer Anfechtung oder Auflösung bestehender Verträge führen, in den letzten Jahren gestiegen ist. Laut einer Erhebung des Bundesamtes für Justiz wurden im Jahr 2023 rund 12.000 Fälle von Geschäftsunfähigkeit vor deutschen Gerichten verhandelt, die sich auf bestehende Verträge bezogen. Dies zeigt die Bedeutung dieses Themas im rechtlichen Alltag.

Aktuelle Entwicklungen und Reformen

Eine der bedeutendsten gesetzlichen Neuerungen in den letzten Jahren ist die Reform des Betreuungsrechts, die am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist. Diese Reform zielt darauf ab, die Selbstbestimmung von betreuten Personen zu stärken und gleichzeitig den Schutz ihrer Rechte zu gewährleisten. Ein zentraler Punkt der Reform ist die stärkere Einbindung des Willens und der Wünsche der betreuten Person in die Entscheidungsprozesse. Die Reform verpflichtet Betreuer und Gerichte dazu, den mutmaßlichen Willen der betreuten Person zu ermitteln und zu berücksichtigen, was die Position der Betroffenen erheblich stärkt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Reform ist die Einführung von Standards für die Qualität der Betreuung. Die Reform sieht vor, dass Betreuer regelmäßig fortgebildet werden müssen und ihre Eignung für die Betreuung nachweisen müssen. Diese Änderungen zielen darauf ab, Missbrauchsfälle zu verhindern und die Qualität der Betreuung zu erhöhen, was insbesondere bei älteren Menschen mit kognitiven Einschränkungen von großer Bedeutung ist.

Die Auswirkungen dieser Gesetzesänderungen sind bereits spürbar. Laut einer Studie des Bundesministeriums der Justiz aus dem Jahr 2024 ist die Zahl der Beschwerden über Betreuer seit Inkrafttreten der Reform um 15 % zurückgegangen. Dies deutet darauf hin, dass die neuen Regelungen zu einer besseren Betreuung und einem höheren Schutz der Rechte geschäftsunfähiger Personen geführt haben.

 

Die statistischen Trends zeigen, dass die Anzahl der Fälle von Geschäftsunfähigkeit und damit verbundenen Betreuungsverfahren in Deutschland kontinuierlich steigt. Im Jahr 2022 wurden laut Statistischem Bundesamt über 1,3 Millionen Menschen unter Betreuung gestellt, was einen Anstieg von etwa 5 % gegenüber dem Vorjahr darstellt. Dieser Trend wird voraussichtlich anhalten, da die Lebenserwartung weiter steigt und die Zahl der Menschen mit altersbedingten kognitiven Beeinträchtigungen zunimmt.

Gesellschaftlich hat dies weitreichende Implikationen. Die wachsende Zahl von Betreuungsverfahren belastet nicht nur die Gerichte, sondern stellt auch eine Herausforderung für die soziale und familiäre Unterstützung von betroffenen Personen dar. Es besteht ein zunehmender Bedarf an qualifizierten Betreuern, die in der Lage sind, die Rechte und Wünsche der betreuten Personen zu respektieren und gleichzeitig deren Wohl zu gewährleisten.

Zudem hat die Zunahme der Fälle von Geschäftsunfähigkeit eine verstärkte Diskussion über Vorsorgemaßnahmen wie Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen ausgelöst. Immer mehr Menschen erkennen die Bedeutung solcher Dokumente, um im Falle einer kognitiven Beeinträchtigung ihre Interessen wahren zu können. Laut einer Umfrage des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) aus dem Jahr 2024 haben inzwischen 38 % der über 60-Jährigen eine Vorsorgevollmacht erteilt, was einen Anstieg um 10 % gegenüber 2020 darstellt.

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Fazit

Die Geschäftsunfähigkeit ist ein rechtlich und gesellschaftlich hochrelevantes Thema, das durch den demografischen Wandel und die zunehmende Sensibilisierung für psychische Erkrankungen weiter an Bedeutung gewinnt. Die jüngsten Gesetzesreformen, insbesondere im Betreuungsrecht, haben wichtige Fortschritte im Schutz und in der Wahrung der Rechte geschäftsunfähiger Personen gebracht. Sie haben jedoch auch neue Herausforderungen und Diskussionen in der Rechtsprechung ausgelöst, insbesondere hinsichtlich der Bestimmung des mutmaßlichen Willens und der genauen Abgrenzung der Geschäftsunfähigkeit bei altersbedingten Beeinträchtigungen.

Zukünftig wird es essenziell sein, die Qualität der Betreuung weiter zu verbessern, die Selbstbestimmung der Betroffenen zu stärken und gleichzeitig sicherzustellen, dass rechtliche Schutzmechanismen flexibel genug sind, um auf die vielfältigen Ursachen und Ausprägungen der Geschäftsunfähigkeit angemessen zu reagieren.