Kann man gegen ein psychologisches Gutachten vorgehen?
Kommt es jedoch einmal zur Begutachtung und somit auch zu der Erstellung eines psychologischen Gutachtens, steht dessen Ergebnis erst einmal im Raum.
So ist zum Beispiel ein Gutachten, das der begutachteten Person eine seelische Erkrankung attestiert, für diese mitunter sehr belastend. Es muss daher natürlich auch Rechtsmittel gegen ein solches psychologisches Gutachten geben.
Um gegen ein Gutachten vorzugehen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zunächst besteht die Option, die Sachverständigkeit des Gutachters anzuzweifeln und diesen damit als unzulässig abzuweisen. Doch nicht nur der Sachverstand, sondern auch die Neutralität des Gutachters ist zwingende Voraussetzung für dessen wirksame Bestimmung zum Gutachter. Steht eine Befangenheit dieses Gutachters im Sinne von § 42 ZPO im Raum, kann auf Antrag ein anderer Gutachter bestellt werden.
Gründe für solche Zweifel können zum Beispiel unsachliche Formulierungen in einem Vorgutachten oder während der Diagnostik sein. Nach § 406 ZPO können diese Zweifel auch noch nach Erhalt des Gutachtens angemeldet werden, wenn sich diese gerade erst aus dem endgültigen Gutachten ergeben sollten. Mit dieser Regelung soll dafür gesorgt werden, dass keine Tatsachen geschaffen werden können, die dann den weiteren Verlauf des Prozesses beeinflussen würden.
Die Anordnung der Begutachtung selbst ist hingegen aufgrund ihrer Rechtsnatur als lediglich „gerichtliche Zwischenentscheidung“ nicht anfechtbar. Es müssen also entweder Gründe für die Bestellung eines anderen Gutachters genannt werden oder aber das Gutachten selbst muss angefochten werden. In aller Regel sind hierfür vor allem formale Gründe zu finden, denn inhaltlich muss sich auf die Expertise des Gutachters verlassen werden. Immer wieder kommt es auch deswegen zu Streitigkeiten, weil sich Anwälte als ohnmächtig gegenüber den Sachverständigengutachten sehen.
Der Fall Gustl Mollath und die Gefahr durch psychologische Gutachten
Dass mit diesen Gutachten einige Gefahren einhergehen, zeigt der Fall Gustl Mollath.
In einem insgesamt sehr umfangreichen und komplizierten Fall hatte ein Gutachter diesen als seelisch gestört eingeschätzt und somit für sieben Jahre in die Psychiatrie geschickt. Später kam heraus, dass der Gutachter größtenteils nur aufgrund der Aktenlage, nicht aber durch persönliche Gespräche mit Gustl Mollath entschieden hatte.
Ein anderer Gutachter, der Mollath zwar in Fragen der Geschäftsfähigkeit begutachtete, nicht aber bezüglich dessen psychischer Gesundheit, kam zu dem Schluss, dass Mollath keiner formalen Denkstörung – wie es im Fachjargon heißt – unterläge, sondern wenn überhaupt nur eine Persönlichkeitsstörung aufweise.
Das brachte Mollath allerdings lange Zeit wenig bis gar nichts, denn da es sich nicht um ein offizielles Gegengutachten handelte, blieb er auch weiterhin in der Psychiatrie. Erst in einem späteren Wiederaufnahmeverfahren konnte Mollath beweisen, dass das ehemalige Gutachten unzureichend war und somit die Psychiatrie endlich verlassen.
Der gesamte Fall Gustl Mollath entwickelte sich zu einem der größten Justizskandale der letzten Jahre und sorgte dafür, dass die Einquartierungen und Behandlungen von Menschen in Psychiatrien überdacht wurden. Auch die Praxis vieler Gutachter wurde hinterfragt und immer mehr Juristen beschäftigen sich seither mit der Frage, inwiefern man gegen Sachverständigengutachten vorgehen können sollte.