Der Aktenvortrag

Verfasst von Leonie Rumpeltin|Veröffentlicht am 04.04.2022

Der Aktenvortrag im Zweiten Juristischen Staatsexamen

Tipps zur Vorbereitung und Durchführung in der mündlichen Prüfung

Als Teil der mündlichen Prüfung im Zweiten Juristischen Staatsexamen stellt der Aktenvortrag eine wesentliche Prüfungsdisziplin für angehende Volljurist:innen dar. Als Rechtsreferendar:in solltest du dich daher unbedingt frühzeitig mit dem Thema Aktenvortrag beschäftigen. Denn eine gute Nachricht vorab: sowohl die richtige Herangehensweise bei der Vorbereitung deines Vortrages als auch die Kür des Präsentierens selbst kannst du erlernen. In diesem Artikel zeigen wir dir, was sich hinter der Königsdisziplin Aktenvortrag verbirgt und wie du dich erfolgreich auf deinen Aktenvortrag vorbereiten kannst.
 

Was verbirgt sich hinter dem Aktenvortrag?

Im Aktenvortrag wird die Kompetenz der Prüfungskandidat:innen abgefragt, eine Fallakte auf die wesentlichen Sachverhalts- und Rechtsprobleme hin zu prüfen und das Ergebnis der Prüfungskommission in einem zeitlich feststehenden Rahmen zu präsentieren.

Als erster Teil der mündlichen Prüfung – noch vor den Prüfungsgesprächen - entscheidet der Aktenvortrag über den ersten Eindruck, welchen die Mitglieder der Prüfungskommission sowohl von deinen juristischen Fähigkeiten, als auch von deinem Präsentationsgeschick gewinnen. Du solltest seine Relevanz daher auch aus taktischen Gründen nicht außer Acht lassen. 

Als Kandidat:in wird von dir je nach Aufgabenstellung verlangt, dich in die Rolle von Richter:innen, Staatsanwält:innen, oder Anwält:innen hineinzuversetzen und eine rechtliche Lösung des Falles zu entwickeln. Du kannst dir dabei je nach Aufgabenstellung zum Beispiel die Situation vorstellen, dass du als Richter:in am Landgericht deinen Kammerkolleg:innen die rechtliche Bewertung eines Falles vorträgst. Der Aktenvortrag soll also eine Situation simulieren, die dich nach erfolgreichem Abschluss deiner Prüfung als Volljurist:in in der Praxis erwarten wird.

Wie im Zweiten Juristischen Staatsexamen immer vorausgesetzt, ist dabei auch die richtige Erfassung und Darstellung des Sachverhaltes von Relevanz. Diesen gilt es auf Basis der vorgelegten Fallakte herauszustellen. Je nach Bundesland beträgt die Vorbereitungszeit dabei mindestens eine Stunde. Im direkten Anschluss daran trägst du deine Lösung der Prüfungskommission vor, wobei du maximal zwölf Minuten Zeit für deine Präsentation hast. Solltest du es in der Zeit nicht schaffen, wird dein Vortrag abgebrochen und ist in jedem Fall beendet – auch wenn du die Präsentation des Falles noch nicht abgeschlossen hast. 

Der Aktenvortrag fließt im zweiten Juristischen Staatsexamen je nach Bundesland mit bis zu 16% in deine Gesamtnote ein. 

Sowohl für die Zusammensetzung deiner Benotung als auch für den Ablauf der mündlichen Prüfung können sich je nach Bundesland unterschiedliche Regelungen ergeben. Bevor du in die Vorbereitungen für den Aktenvortrag einsteigst, solltest du daher in jedem Fall die für dich relevante Ausbildungs- und Prüfungsordnung studieren, um den konkreten Ablauf und die gegebenenfalls für dich geltenden Besonderheiten in Erfahrung zu bringen.

Welche Rechtsgebiete sind im Aktenvortrag relevant?

In welchem Rechtsgebiet du deinen Aktenvortrag halten musst, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Auch hier hilft ein Blick in die Ausbildungs- und Prüfungsordnung deines Bundeslandes. 

In den meisten Bundesländern werden Aktenvorträge in den folgenden vier Rechtsgebieten abgehalten: Zivilrecht, Öffentliches Recht, Strafrecht, und Arbeitsrecht. In welchem Rechtsgebiet du deinen Aktenvortrag halten wirst, erfährst du in den meisten Bundesländern mit Erhalt der Ladung zur mündlichen Prüfung. Diese wird dir in der Regel frühestens drei Wochen vor deinem Prüfungstermin übersandt. 
Lediglich in Niedersachsen, Hamburg, und Rheinland-Pfalz ist das Rechtsgebiet abhängig vom zuvor gewählten Schwerpunktbereich.

Unabhängig vom Rechtsgebiet, das dir für deinen Aktenvortrag zugewiesen wurde, empfiehlt es sich in jedem Fall, bereits während des Referendariats Aktenvorträge zu üben. Auch wenn dich die Feuerprobe erst zum Ende des Zweiten Staatsexamens ereilt, solltest du jede Gelegenheit nutzen, die Situation des Aktenvortrags so oft wie möglich durchzuspielen. Denn sowohl der Ablauf im Rahmen der (in der Regel) einstündigen Vorbereitung der Akte als auch das Vortragen eines dir unbekannten Falles erfolgt ungeachtet des Rechtsgebietes immer nach demselben Muster.

Vorbereitung des Aktenvortrags: Zeit ist Gold

Während deiner einstündigen Vorbereitung der Fallakte solltest du nichts dem Zufall überlassen. Auch im Rahmen der mündlichen Prüfung im Zweiten Staatsexamen gilt: Zeit ist Gold. Teile die dir zur Verfügung stehende Zeit daher im Vorfeld gut ein und halte dich akribisch an diesen von dir festgelegten Zeitrahmen. Um deine Zeit genau zu überwachen, erlauben die Prüfungsordnungen der einzelnen Bundesländer in der Regel die Benutzung von analogen Uhren. Informiere dich auch hier unbedingt im Vorfeld über die in deinem Bundesland zugelassenen Hilfsmittel.

Eine bewährte Zeiteinteilung bei einer Gesamtvorbereitungszeit von 60 Minuten lautet etwa:

  1. 20 Minuten: Lesen der Akte und Erfassen der Aufgabenstellung
  2. 30 Minuten: Erstellen der Lösungsskizze
  3. 10 Minuten: gedankliches Durchsprechen des Vortrags auf Grundlage der erstellten Lösungsskizze

An diese Formel kannst du dich, unabhängig vom konkreten Rechtsgebiet und der konkreten Aufgabenstellung, halten. Denn wie so oft gilt auch hier: Übung macht den Meister. Je mehr Fälle du nach diesem Schema vorbereitest, desto leichter wird dir die Vorbereitung des Aktenvortrags von der Hand gehen. Eine feste Routine wird dich zudem davor bewahren, in der Prüfungssituation in Panik zu verfallen.

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Aufbau des Vortrages

Ein durchdachtes und erprobtes Zeitmanagement ist ebenso wichtig, wenn es um die Gliederung deines mündlichen Vortrages geht. Denn wie bereits oben erwähnt, wird dein Vortrag in jedem Fall nach 12 Minuten abgebrochen. Dies gilt auch, wenn du dein Ergebnis noch nicht präsentiert hast. 

Auch hier solltest du daher unter Beweis stellen, dass du in der Lage bist, den richtigen Schwerpunkt zu setzen. Wer nach acht Minuten Redezeit nur den Sachverhalt vorgetragen hat, ohne auch nur ein Wort über die rechtliche Würdigung verloren zu haben, kann wegen falscher Schwerpunktsetzung in der Regel nicht mit einer befriedigenden Benotung des Aktenvortrags rechnen. 

Ebenso wie die zeitliche Einteilung der Vorbereitungszeit kann auch der Aufbau des Aktenvortrags selbst unabhängig von dem konkreten Rechtsgebiet gegliedert und entsprechend geübt werden. 

Hierbei solltest du darauf achten, ungefähr 1/3 deiner Zeit für die Einleitung, die Schilderung des Sachverhaltes und den vorweggenommenen Entscheidungsvorschlag aufzuwenden. Die übrigen 2/3 deiner Zeit verbleiben dann für die rechtliche Würdigung, den abschließenden Entscheidungsvorschlag und eine kurze Abschlussformel.

 

Im Rahmen der Einleitung solltest du die Prüfungskommission begrüßen und in wenigen Sätzen die Ausgangssituation des Falles erläutern.

Dieser Teil könnte wie folgt lauten:

„Sehr geehrte Prüfungskommission. 
Ich berichte über einen Rechtsstreit, welcher vor dem Landgericht X anhängig ist. Es handelt sich um eine kaufrechtliche Angelegenheit, im Rahmen dessen die Klägerin X gegen den Verkäufer Y Schadensersatz in Höhe von X€ wegen Schlechtleistung geltend macht.“ 

Im Anschluss daran legst du den Sachverhalt dar. Diesen sehr wichtigen Teil des Aktenvortrags kannst du wie folgt einleiten:

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: …“

Nachdem du den Sachverhalt unter Benennung der entscheidungsrelevanten Tatsachen dargestellt hast, zeigst du der Prüfungskommission auf, wie du den Fall entscheiden würdest. In diesem vorweggenommenen Entscheidungsvorschlag solltest du den Inhalt der rechtlichen Würdigung jedoch nicht vorwegnehmen. Insbesondere solltest du darauf verzichten, Normen zu benennen oder Anträge zu formulieren.

Deinen vorweggenommenen Entscheidungsvorschlag könntest du in etwa so formulieren:

„Nach eingehender Prüfung schlage ich vor, Anklage gegen den Beschuldigten A zu erheben.“.

Im Anschluss hieran  folgt deine ausführliche rechtliche Würdigung. Diese sollte in jedem Fall den Schwerpunkt deines Aktenvortrags bilden und kann mit folgenden Worten eingeleitet werden:

„Dem liegt folgende rechtliche Bewertung zugrunde.“


Deiner rechtlichen Würdigung sollte ein abschließender Entscheidungsvorschlag folgen. Dieser muss sich natürlich seinem Inhalt nach mit deinem vorweggenommenen Entscheidungsvorschlag decken. Der Unterschied zwischen beiden Entscheidungsvorschlägen liegt darin, dass du in deinem abschließenden Entscheidungsvorschlag das konkret von dir vorgeschlagene Vorgehen unter Ausformulierung der Anträge oder Entscheidungsformeln darlegst.

Du kannst ihn zum Beispiel so einleiten:

„Abschließend schlage ich daher vor, Versäumnisurteil gegen den Beklagten zu erlassen.”

Am Ende des Aktenvortrags solltest du noch ein paar Sekunden für die Abschlussformel aufwenden und dich bei der Prüfungskommission für die entgegengebrachte Aufmerksamkeit zu bedanken:

„Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.“

Sicheres Auftreten während deiner Präsentation

Neben der Schwerpunktsetzung und dem Zeitmanagement sind ein selbstsicheres Auftreten und ein angenehmer Vortragsstil von großer Bedeutung. Dieser Aspekt wird von Prüflingen aufgrund mangelnder Erfahrung im Vortragen häufig unterschätzt. Dadurch besteht hier großes Potenzial, mit einem positiven Gesamteindruck aus der Masse herauszustechen. 

Generell  solltest du in erster Linie die folgenden Aspekte verinnerlichen:

  • eine deutliche und ruhige Aussprache
  • Einhaltung von kurzen Sprechpausen, wenn ein neuer Abschnitt oder Gedanke beginnt
  • Herstellen von Blickkontakt zu allen Prüfer:innen

Diese Tipps sind in der Regel bei ausreichender Übung einfach umzusetzen und vermitteln den Prüfer:innen ein selbstbewusstes und souveränes Auftreten. Unbedingt vermeiden solltest du hingegen folgendes:

  • Das Ablesen deiner Lösungsskizze
  • eine verkrampfte und eingesunkene Körperhaltung, die Unbehagen ausdrückt 

Am besten kannst du den Aktenvortrag natürlich mit deiner Lerngruppe üben oder vor deinen Freund:innen und Familienmitgliedern vortragen. Ebenso effektiv ist es allerdings, die Vorbereitung und das Vortragen des Aktenvortrags ohne Publikum zu trainieren.

Hierbei kann es hilfreich sein, wenn du dich beim Vortragen filmst oder deine Stimme aufnimmst. So kannst du im Nachgang selbst bewerten, an welcher Stelle du dich noch verbessern kannst. 

Material zum Üben

Du fragst dich, wo du Fallakten zum Üben auftreiben kannst? Ein Blick auf die Internetseite deines oder auch landesfremder Justizprüfungsämter ist an dieser Stelle zu empfehlen. Hier werden vergangene Aktenvortragsfälle frei zugänglich veröffentlicht. Diese eignen sich in der Regel am besten zum Üben, da du so ein Gefühl für die Länge der Fälle und die Aufgabenstellung erlangen kannst. 

Auch das Internetportal Katzenkönig online des Deutschen Anwaltvereins bietet allerhand Original-Aktenvorträge, die du zu Übungszwecken heranziehen kannst.

Somit bleibt nur zu sagen: Ran ans Üben, um in der Prüfung souverän und selbstbewusst deine Lösung zu präsentieren! Mit der richtigen Vorbereitung gibst du den Rahmen deiner Prüfung vor und kannst dich in der Prüfungssituation selbst voll und ganz auf die Lösung des Falles konzentrieren. 

Für weitere Informationen zur Vorbereitung auf deine mündliche Prüfung, schau gerne hier vorbei.
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