Anwältin in einem Großraumbüro

Veröffentlicht am 03.12.2025

Lockstep Gehalt, Merit Based & Co. - Vergütungsmodelle in Kanzleien

Kanzleikultur durch Gehaltsstruktur. Wir erklären hybride Vergütungssysteme, Merit-Kriterien und die Spreizung der Gewinne.

Lockstep Gehalt (oder Senioritätsprinzip) ist das traditionelle Vergütungsmodell für Equity Partner in Kanzleien. Es garantiert Partnern eine feste Gewinnbeteiligung, die primär mit den Dienstjahren in der Kanzlei steigt. Dieses Modell fördert Kollegialität und Mandatsübergabe, kann aber Top-Performer unterbezahlen.

Das Gegengewicht ist das Merit-Based-System, das die Vergütung direkt an die individuelle Leistung knüpft. Die Realität moderner, wettbewerbsintensiver Kanzleien sind jedoch meist Hybridsysteme (Modified Lockstep/Merit-Based). Diese Systeme kombinieren eine Senioritätsbasis mit einem leistungsorientierten Bonus-Anteil, der anhand von Kriterien wie Akquise, Umsatz und Kanzleimanagement bemessen wird.

Um zu verstehen, wie Kanzleien wirklich ticken, ist die genaue Kenntnis dieser hybriden Strukturen und des entscheidenden Unterschieds zwischen Equity- und Salary-Partnern unerlässlich.

Wer verdient wie in der Kanzlei?

Für das Verständnis der Gehaltsmodelle ist eine grundlegende Unterscheidung wichtig, da die Anwendung dieser Systeme nicht alle Anwält:innen gleichermaßen betrifft:

 

Equity Partner (Vollpartner)

  • Mit dem Erreichen des Partnerstatus werden sie in aller Regel zu Gesellschaftern der Kanzlei und tragen das unternehmerische Risiko.
  • Ihre Vergütung ist eine direkte Gewinnbeteiligung (Profit Share) und unterliegt primär den Verteilungsmechanismen wie Lockstep und Merit-Based.


Salary Partner (Non-Equity Partner) & Associates

  • Sie sind Angestellte der Kanzlei.
  • Ihre Vergütung basiert auf einem Festgehalt (Salary), das mit der Seniorität steigt, ergänzt durch einen individuellen, meist leistungsabhängigen Bonus.
  • Sie partizipieren nicht direkt an der Gewinnverteilung der Equity Partner, sind aber von der kulturellen Ausrichtung des gewählten Systems indirekt betroffen.

Gewinnverteilung für Equity Partner

Die Equity Partner sind die Eigentümer und Gesellschafter der Kanzlei. Sie tragen das unternehmerische Risiko, erhalten im Gegenzug aber auch einen direkten Anteil am Gewinn. Die Verteilung dieses Gewinns – der Profit Share – erfolgt meist nach einem dieser beiden philosophisch und strukturell unterschiedlichen Modelle.

 

2.1 Das Senioritätsprinzip: Lockstep (Steigbügel-Modell)

Das Lockstep-Modell ist das traditionellste System und war lange Zeit besonders in britischen und deutschen Kanzleien (häufig in der PartGmbB-Form) dominant.

Deine Vergütung (dein Anteil am Gesamtgewinn) steigt fast ausschließlich mit deiner Seniorität – also der Anzahl der Dienstjahre, die du als Equity Partner in der Kanzlei verbracht hast. Das System funktioniert über eine festgelegte Punkteskala oder eine Stufenleiter (der "Steigbügel"). Jedes Partnerjahr rückt dich automatisch eine Stufe nach oben, was mit einer garantierten Erhöhung deines Gewinnanteils verbunden ist.
 

Vorteile des Lockstep Gehalts

  • Förderung der Kollegialität: Da jeder Partner automatisch aufsteigt, gibt es keinen internen Konkurrenzkampf um Mandate oder interne Ressourcen.
  • Wissensaustausch: Partner haben keinen verringerten Anreiz, sich gegenseitig zu helfen oder Mandate an bessere Kollegen zu übergeben (auch wenn diese jünger sind), da der eigene Aufstieg davon unberührt bleibt. Wissenstransfer kann hierdurch gefördert werden.
  • Langfristige Bindung: Das Modell belohnt die Treue und lange Zugehörigkeit zur Kanzlei.

 

Nachteile des Lockstep Gehalts

  • Frust für Top-Performer: Partner, die konstant überdurchschnittliche Leistung (viele Mandate, hoher Umsatz) erbringen, fühlen sich schnell unterbezahlt, da sie denselben Gewinnanteil wie ihre gleichrangigen Kollegen erhalten. Sie werden zu "Cash Cows" und tendieren dazu, die Kanzlei zu verlassen.
  • Belohnung von Minimalleistung: Partner, deren Leistung nachlässt, profitieren weiterhin von ihrem Alter und ihrer Seniorität, was zu Ineffizienz führen kann.

 



2.2 Das Leistungsprinzip: Merit-Based (Eat-What-You-Kill-Modell)

Dieses Modell stammt ursprünglich aus den USA und ist besonders in internationalen Kanzleien verbreitet. Es stellt das direkte Gegenteil zum Lockstep dar. Deine Vergütung (dein Profit Share) hängt direkt und primär von deinem individuellen Beitrag zum Kanzleiergebnis ab.

Dieser Beitrag wird anhand messbarer Kriterien wie akquirierter Umsatz, in Rechnung gestellte Stunden und Profitabilität beurteilt. Merit-Based bedeutet wörtlich "verdienstbasiert". Wer mehr leistet, erhält mehr Punkte im Verteilungsschlüssel und damit einen höheren Anteil am Gewinn.

 

Vorteile des Merit-Based Gehalts

  • Gerechtigkeit für High-Performer: Leistungsträger werden unmittelbar und finanziell für ihren Erfolg belohnt.
  • Starker Anreiz für Akquise: Das Modell schafft einen extrem hohen Anreiz für Business Development und die Pflege eigener Mandantenbeziehungen.

 

Nachteile des Merit-Based Gehalts

  • Ellenbogenmentalität: Die Vergütung wird oft als "Eat-What-You-Kill"-Mentalität beschrieben. Interne Konkurrenz kann Loyalität und Teamarbeit untergraben.
  • Gehemmte Kooperation: Partner sind eventuell weniger bereit, Mandate an jüngere oder andere Kollegen abzugeben, da sie befürchten, den finanziellen Merit (Verdienst) zu verlieren.
  • Fehlende Stabilität: Das Einkommen ist stärkeren Schwankungen unterworfen und kann in schlechten Jahren stark zurückgehen.
Die Realität moderner, wettbewerbsintensiver Kanzleien sind meist Hybridsysteme (Modified Lockstep/Merit-Based).

Die Realität in Kanzleien: Hybridsysteme und Merit-Kriterien

Reine Lockstep- oder Merit-Based-Systeme sind in der modernen, globalisierten Kanzleiwelt selten geworden. Die meisten erfolgreichen Großkanzleien und ambitionierten Boutiquen setzen heute auf Hybridsysteme. Diese versuchen, die Kollegialität des Lockstep mit dem Leistungsanreiz des Merit-Based-Systems zu vereinen.

 

Modified Lockstep

Modified Lockstep ist das in Deutschland am häufigsten angewandte Modell in Großkanzleien. Die Basisvergütung (häufig 70–80% des Gesamtgewinns) wird nach dem Lockstep-Prinzip (Seniorität) verteilt. Der restliche Bonus-Pool (20–30%) wird nach Merit-Kriterien (Leistung) vergeben, um Top-Performer zu belohnen.

 

Modified Merit-Based

Dieses Modell ist bei internationalen, stark wachsenden Kanzleien verbreitet. Hier bestimmt die individuelle Leistung den Großteil der Vergütung. Ein kleinerer Sockelbetrag (Basis-Draw) kann durch Seniorität oder Fixpunkte gesichert sein, um die Stabilität zu gewährleisten.

 

Der Schlüssel zur Vergütung: Die Merit-Kriterien

Ob in einem Modified Lockstep oder einem Modified Merit-Based System: Die individuellen Leistungspunkte (Merit-Punkte) sind der Schlüssel zum Bonus-Pool. Sie entscheiden, wer wie stark vom Gesamterfolg profitiert. Diese Kriterien slassen sich in zwei Hauptgruppen unterteilen: Financials und Non-Financials.

 

Financials: Der direkte Wertbeitrag (Typischerweise 50–70% Gewichtung)

Hier geht es um alles, was sich unmittelbar in Umsatz und Gewinn niederschlägt:

  • Akquirierter Umsatz (Bookings): Der Wert der Mandate, die du neu in die Kanzlei gebracht oder erfolgreich verlängert hast. Dies ist oft das wichtigste Einzelkriterium.
  • Fakturierte Stunden und eigene Leistung (Billables): Die Zeit, die du tatsächlich an abrechenbaren Mandaten gearbeitet hast.
  • Profitabilität der Mandate (Margin): Wie effizient du deine Mandate abwickelst.

 

Non-Financials: Der Kanzlei- und Kulturbeitrag (Typischerweise 30–50% Gewichtung)

Diese Kriterien belohnen Verhalten, das der Kanzleistruktur nützt und die Nachteile des reinen Merit-Systems abfedert:

  • Business Development / Reputation: Die Sichtbarkeit, die du der Kanzlei verschaffst (Vorträge, Publikationen, Medienpräsenz).
  • Führung und Mentoring: Die Zeit und der Erfolg, den du in Legal Leadership investierst, welche auch die Ausbildung und Förderung von Associates umfasst.
  • Kanzleimanagement (Committees): Die Mitarbeit in internen Ausschüssen (z. B. Recruiting, IT, Knowledge Management, Strategie).
  • Cross-Selling: Die erfolgreiche Weitergabe von Mandaten oder Mandantenanfragen an andere Praxisgruppen.
  • Kultureller Fit und Werte: Die Bewertung des sozialen Beitrags zur Kanzleikultur.

Du suchst eine Kanzlei, die deinen Gehaltsvorstellungen gerecht wird?

Vergütung außerhalb der Equity-Partnerschaft

Für Associates und Salary Partner kommen andere, oft transparentere, aber ebenso leistungsorientierte Modelle zum Tragen, die wir hier kurz abgrenzen.
 

Die Salary Partner (Non-Equity)

Der Salary Partner ist ein wichtiger Karriereschritt, aber er ist kein Gesellschafter und trägt somit kein unternehmerisches Risiko. Sein Gehalt ist typischerweise ein hybrides Modell aus Sicherheit und individuellem Leistungsanreiz. Du erhältst ein sehr hohes, fest vereinbartes Jahresgehalt (Salary), das durch einen individuellen Bonus ergänzt wird.

Dieser Bonus ist in der Regel an die eigene Leistung (Merit) gekoppelt. Die Kanzlei nutzt diese Vergütungsstruktur, um den Anwalt zu einer Art "Partner auf Probe" zu machen. Der Bonus bemisst sich vor allem am Umsatzbeitrag und an Erfolgen im Business Development, die beweisen, dass du das Zeug zum Equity Partner hast. Die Salary-Partnerschaft ist damit eine Testphase, in der du lernst, unternehmerisch zu denken und eigene Mandanten zu akquirieren – ohne jedoch das volle Risiko eines Gesellschafters zu tragen.
 

Die Associates (Angestellte)

Für Associates ist die Vergütungsstruktur am einfachsten und am stärksten am Markt und an der Kanzleigröße orientiert. Associates erhalten ein festes Jahresgehalt, das sich hauptsächlich nach der Seniorität (Berufsjahr) richtet und jährlich in festgelegten Stufen steigt. Diese Erhöhung nach Berufsjahr ist im Prinzip ein einfacher, informeller Lockstep.

Zusätzliche Vergütung erfolgt über Boni, die den Leistungsanreiz setzen:

  • Der Leistungsbonus ist oft direkt an die fakturierte Zeit (Billable Hours) gekoppelt. Wer die internen Stundenziele (Billable Hour Targets) übertrifft, erhält mehr Bonus.
  • Ein Discretionary Bonus (Ermessensbonus) wird für außergewöhnliche Leistungen oder besondere Beiträge zur Kanzlei gewährt.
     

Obwohl Associates nicht im Partner-System stecken, beeinflusst das vorherrschende Partnersystem die Arbeitsatmosphäre: In einer Lockstep-Kultur wird von dir mehr Teamgeist erwartet, in einer Merit-Based-Kanzlei wird früh Eigeninitiative im Business Development geschätzt.

Fazit & Markttrends: Wohin geht die Reise?

Die Wahl zwischen Lockstep und Merit-Based ist letztlich eine Entscheidung über die Kanzleikultur. Sie definiert, ob Teamgeist und langfristige Loyalität (Lockstep) oder individuelle Höchstleistung und aggressives Business Development (Merit-Based) im Vordergrund stehen.
 

Die große Verschiebung: Weniger Lockstep, mehr Merit

Der dominante Trend der letzten zwei Jahrzehnte ist die schleichende Abkehr vom reinen Lockstep zugunsten leistungsabhängiger Hybridsysteme.

Der Wettbewerbsdruck ist durch die Globalisierung und den Eintritt amerikanischer Kanzleien (oft mit reinen Merit-Based-Systemen) in den deutschen und europäischen Markt massiv gestiegen.

  • Der Wandel in Zahlen: Laut Studien von Citi Private Bank Law Firm Group (2022) und Hildebrandt Consulting setzen die meisten global agierenden Kanzleien auf Modified Lockstep oder Modified Merit-Modelle.
  • Die Konsequenz: Kanzleien müssen Top-Performer schneller und besser bezahlen, um zu verhindern, dass diese zu Wettbewerbern wechseln. Dies hat zu einer größeren Gehaltsspreizung (Spread) zwischen dem höchst- und niedrigstbezahlten Equity Partner geführt.
     

Steigende Gehaltsspreizung (The Spread)

Die stärkere Merit-Kopplung hat zu einer deutlichen Erweiterung der Gewinnspanne (Spread) zwischen Partnern geführt:

  • In traditionellen reinen Lockstep-Kanzleien betrug die Spanne zwischen dem bestbezahlten und dem niedrigstbezahlten Partner oft nur 3:1 bis 4:1.
  • Bei Kanzleien mit einem hohen Merit-Anteil liegt diese Spanne heute häufig bei 6:1, 8:1 oder sogar 10:1*

Diese massive Spreizung verdeutlicht, dass das individuelle Akquisitions- und Leistungsvermögen heute deutlich stärker über den Profit Share entscheidet als die bloße Seniorität.

 

Fazit für deine Karriere

Suchst du ein Teamumfeld mit hohem Schutz und langfristiger Planungssicherheit, ist ein Kanzlei mit starkem Lockstep-Anteil (z. B. traditionelle deutsche Kanzleien) die richtige Wahl.

Bist du ein motivierter Business Developer und Entrepreneur, der bereit ist, volles Risiko zu gehen, um maximale Vergütung zu erzielen, solltest du dich auf Kanzleien mit hohem Merit-Anteil (oft internationale Kanzleien) konzentrieren.

Letztlich geht der Trend zu Systemen, die dich belohnen, wenn du sowohl dein eigenes Geschäft ausbaust als auch zum langfristigen Erfolg der gesamten Kanzlei beiträgst.


* Quelle: Branchenberichte von The American Lawyer und Juve