Svenja Breckwoldt von ARNECKE SIBETH DABELSTEIN im Interview

International & abwechslungsreich: Maritimes Wirtschaftsrecht

Svenja Breckwoldt von ARNECKE SIBETH DABELSTEIN im Interview

Svenja Breckwoldt ist Anwältin im Maritimen Wirtschafts- und Transportrecht bei ARNECKE SIBETH DABELSTEIN (kurz: ASD). Für einige klingt das eher ungewöhnlich – wer sich für Schiffe und abwechslungsreiche, internationale Mandate interessiert, wird es aber sehr spannend finden.

ASD ist eine mittelständische Kanzlei mit Standorten in Frankfurt, München, Hamburg, Berlin, Leer und Dresden und 18 Praxisgruppen. In Hamburg und Leer ist ASD vor allem auf die maritime und Transportbranche, aber auch Versicherungsrecht spezialisiert.
 

Frau Breckwoldt, Sie sind seit April 2021 als Anwältin bei ARNECKE SIBETH DABELSTEIN tätig. Wie wurden Sie auf die Kanzlei aufmerksam und was hat Sie letztendlich überzeugt, bei ASD einzusteigen? 

Tatsächlich arbeite ich schon seit April 2017, also seit mehr als fünf Jahren bei ASD. Noch während des Studiums habe ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei damals noch Dabelstein & Passehl (vor der Fusion mit Arnecke Sibeth) begonnen.

Ich hatte gerade den Schwerpunkt maritimes Wirtschaftsrecht – einmalig in Deutschland an der Universität Hamburg – angefangen und mich auf das Deutschlandstipendium beworben. Dabei trägt die Hälfte der Stipendiensumme ein Unternehmen – bei mir war das Dabelstein & Passehl, die angehende Jurist:innen im maritimen Wirtschaftsrecht unterstützen wollten. Da es mir gut gefallen hat, bin ich geblieben – über das Studium, das erste Examen und das Referendariat hinweg. Überzeugt haben mich die tollen Kolleg:innen und die spannenden Fälle. 

Wie hat sich der Übergang von der Arbeit als Referendarin zur Anwältin gestaltet?

Die Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Referendarin hat mir bei der Eingewöhnung als Anwältin natürlich enorm geholfen. Ich kannte die Thematiken und Fälle, die rechtlichen Probleme und sämtliche Kolleg:innen. Außerdem kannte ASD mich – die Phase des Kennenlernens und „Auf-die-Probe-stellens“ fällt dann weg.

Ich war überrascht, wie viel dennoch neu war: Von dem Versand von Verteidigungsanzeigen, über den Mandantenkontakt bis hin zu eigenen Gerichtsterminen gab (und gibt) es noch viel zu lernen. Es ist eben etwas ganz anderes, plötzlich diejenige zu sein, die die Verantwortung trägt – aber auch unglaublich spannend und erfüllend! Mir ist es z.B. schwergefallen, Arbeitsaufträge abzugeben – sei es an Assistenzen oder Referendar:innen / WissMits – das war schließlich vorher meine Rolle.
 

Während Ihres Studiums und Referendariats haben Sie durch den Schwerpunkt „Maritimes Wirtschaftsrecht“, Praktika, Referendariatsstationen und Nebenjobs tiefere Einblicke in die Branche erhalten. Welchen Vorteil hatte es für Sie, sich bereits als Studentin auf ein (Nischen-)Gebiet zu spezialisieren bzw. zu fokussieren? Inwieweit waren bzw. sind Ihnen diese Vorerfahrungen behilflich und sind derartige praktische Qualifikationen zwingend notwendig?

Dass ich in die Schifffahrt wollte, stand schon seit einem Praktikum in der 12. Klasse bei einem Schiffsmakler fest, bei dem ich mich mit dem „Schifffahrtsvirus“, wie viele es nennen, angesteckt habe. Über den Umweg eines dualen Studiums in Business Administrations (Bachelor), hat es mich dann im Jurastudium in den Schwerpunkt Maritimes Wirtschaftsrecht gezogen, um mir die rechtlichen Grundlagen im deutschen und internationalen Recht und Spezialprobleme anzueignen. Für 1,5 Jahre war ich neben dem Studium Assistenz in der Versicherungsabteilung eines Schiffsmananagers, wo ich viel über die Schifffahrt und z.B. ihren Jargon gelernt habe. Im Anschluss habe ich dann bei Dabelstein & Passehl angefangen.

Dadurch, dass ich mich schon so frühzeitig auf das maritime und Transportrecht spezialisiert hatte, konnte ich als Anwältin direkt anfangen und wusste auch, was ich wollte. Vor allem die Mandanten schätzen es, wenn man weiß, wovon man redet – und ihre Sprache spricht. Erforderlich ist das aber nicht – natürlich kann man dieses Nischen-Gebiet auch „on the job“ lernen. Schließlich ist das 5. Buch HGB – „Seehandel“ nicht einmal im Habersack abgedruckt.
 

Wie genau läuft ein typischer Fall im Maritimen Wirtschafts- oder Transportrecht ab und inwiefern spielt ein interdisziplinärer Ansatz hierbei eine Rolle?

Einen typischen Fall gibt es nicht. Es gibt zwar den typischen Transportschaden: Ware, die beim Transport beschädigt wurde oder verloren gegangen ist – da sind immer die gleichen Voraussetzungen zu prüfen. Das ist aber nur ein Teil unserer Fälle, daneben machen wir alles, was die Branche beschäftigt: Kollisionen, Havarie Grosse (denken Sie an die Ever Given im Suez-Kanal), (See-/ Transport-) Versicherungsrecht, eingestürzte Lager, Einhaltung internationaler öffentlich-rechtlicher Vorschriften, Seearbeitsrecht, An- und Verkauf von Schiffen, usw.

Hierbei arbeiten wir häufig mit unseren Kolleg:innen zusammen, z.B. im Gesellschafts-, Arbeitsrecht oder im öffentlichen Recht. Auch Mietrecht spielt z.B. bei der Nutzung von Logistikimmobilien eine Rolle.   

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Inwiefern spielen grenzüberschreitende Fälle im Maritimen Wirtschaftsrecht eine Rolle und auf welchen Sprachen arbeiten Sie?

Bei uns gibt es kaum Fälle, die nicht in irgendeiner Form einen Auslandsbezug haben. Mehr als 50% der Korrespondenz mit Mandanten läuft auf Englisch, hinzukommen internationale Schiedsgerichtsverfahren und die Korrespondenz mit der Gegenseite. Meine Französisch- und Spanischkenntnisse kommen ebenfalls häufig zum Einsatz, auch wenn Übersetzungsdienste wie Deepl uns die Arbeit deutlich erleichtern.   
 

Wie gestaltet sich die Arbeit innerhalb Ihrer Praxisgruppe und werden Berufseinsteiger:innen bei ASD direkt in Fälle mit einbezogen?

Bei ASD wird allen Berufseinsteiger:innen zu Beginn ein:e Mentor:in, in der Regel ein:e Equity Partner:in, zur Seite gestellt. Je nach Absprache arbeitet man aber i.d.R. auch für andere Partner:innen. Am Anfang hat man noch ein wenig „Welpenstatus“. Dennoch ist man direkt voll mit dabei! Schon als WissMit oder Referendar:in hat man die Möglichkeit, nicht nur zu recherchieren, sondern auch an den Fällen mitzuarbeiten, eigene Ideen einzubringen, erste Schriftsätze zu verfassen oder, wenn es passt, bei Mandanten- oder Gerichtsterminen dabei zu sein. Als Associate geht es dann vor allem darum, eigene Schriftsätze zu verfassen, anzufangen, den Ablauf des Gerichtsverfahrens zu koordinieren, auch schon den Mandantenkontakt zu übernehmen. Dabei ist vor allem die Zusammenarbeit mit den Mentor:innen und anderen Kolleg:innen wichtig.

Die Praxisgruppen ermöglichen uns eine noch bessere Koordination von Fällen und Ressourcen. Durch den Fokus auf einzelne Themengebiete können wir uns besser absprechen und gegenseitig unterstützen, auch standortübergreifend, und Fachkenntnisse ausbauen. Insgesamt haben wir bei ASD 18 Praxisgruppen. Während die Praxisgruppe „Maritimes Wirtschaftsrecht“ hauptsächlich aus Anwält:innen aus Hamburg und Leer besteht, sind in der Gruppe „TAL“ (Transport, Aviation, Logistics) auch viele aus Frankfurt, Berlin oder sogar München dabei. So habe ich auch schon viele Kolleg:innen kennengelernt, die ich nicht täglich sehe. 
 

Gehören Gerichtsverfahren im Maritimen Wirtschaftsrecht auch zur täglichen Arbeit? Oder werden die rechtlichen Streitigkeiten hauptsächlich außergerichtlich geklärt?

Hier kann ich Ihnen DIE typische Jura-Antwort geben: Es kommt darauf an. Natürlich versuchen wir, für unsere Mandanten erst einmal eine außergerichtliche Lösung zu finden. Zunächst verfassen wir also ein Forderungsschreiben und wirken auf eine Einigung hin. Ist das nicht möglich, erheben wir nach Absprache mit den Mandanten Klage.

Meist sind das Verfahren vor den jeweiligen Kammern für Handelssachen, ich habe aber auch schon einige Schiedsverfahren begleitet, in Deutschland und im Ausland. Das Schöne ist, dass man vor Gericht immer den gleichen Kolleg:innen auf der Gegenseite begegnet: Die Branche ist klein und man kennt sich. Dadurch geht es auch (meist) sehr freundlich zu – selbst wenn es rechtlich mal zu einem Schlagaustausch kommt, geht man vielleicht nach dem Termin gemeinsam zum Bahnhof oder trifft sich auf Veranstaltungen. 

Neben Gerichtsverfahren gehören aber auch die Vertragsgestaltung (vor allem AGB), die allgemeine Beratung, Erstellung von Rechtsgutachten oder sogar Schulungen bei Mandanten zu unseren Aufgaben. 

Das Maritime Wirtschaftsrecht ist vor allem international und abwechslungsreich. Kaum ein Fall ist wie der andere, und es gibt immer etwas Neues zu lernen.
Svenja Breckwoldt

Sie haben vor Ihrem Jurastudium ein Duales Studium in Business Administration absolviert. Sind wirtschaftliche (fachliche) Vorkenntnisse für einen Blick über den „juristischen Tellerrand” empfehlenswert, Frau Breckwoldt?

Empfehlenswert: Auf jeden Fall! Zwingend notwendig: Nein. Mir persönlich hat es sehr geholfen, vor dem Jurastudium bereits Business Administration studiert und vor allem, bereits in einem Unternehmen gearbeitet zu haben. Das rechtswissenschaftliche Studium ist in Deutschland leider noch immer sehr theoretisch. Der Bezug zum Unternehmensalltag fehlt, auch die Kommunikation, die im Mandantenkontakt essenziell ist, kommt in diesem von schriftlichen Klausuren geprägten Studium m.E. zu kurz. Das sind Punkte, die ich glücklicherweise im dualen Studium lernen durfte, und die mir beim Berufseinstieg als Anwältin geholfen haben.

Ein Wirtschaftsunternehmen läuft normalerweise ganz anders als eine Kanzlei, und es ist durchaus von Vorteil, sich besser in die Mandanten hineinversetzen zu können. Auch die betriebswirtschaftlichen Inhalte sind natürlich wichtig. Wenn man z.B. eine Bilanz lesen kann, ist das nicht schlecht. Letztlich sind das aber auch Dinge, die man sich durch zusätzliche Kurse oder Praktika / Secondments aneignen kann. Wichtig ist es, offen zu sein und auch mal links und rechts zu schauen.
 

Haben Sie sich mit ARNECKE SIBETH DABELSTEIN bewusst für eine mittelständische Kanzlei entschieden und welche Vorteile sehen Sie hier – insbesondere in Bezug auf Ihre Spezialisierung – verglichen mit anderen Kanzleiformen?

Wir sind groß genug für spannende Mandate und auch namhafte Mandanten – aber immer noch so klein, dass ich alle Kolleg:innen in Hamburg kenne. In Großkanzleien geht es häufig eher anonym zu, wobei der einzelne Fachbereich doch nur eine Handvoll Leute umfasst.

Dadurch, dass in Hamburg der Großteil der Anwält:innen zumindest teilweise im maritimen oder Transportrecht arbeitet, habe ich auch die Gelegenheit, viele verschiedene Aspekte der Branche kennenzulernen und mit verschiedenen Kolleg:innen zusammenzuarbeiten. Dennoch gibt es auch genug andere Praxisgruppen, mit denen man sich in Spezialfällen austauschen kann. 

Studierende aufgepasst!

Gibt es einen Fall, der Ihnen in dem Fachbereich in Erinnerung geblieben ist?

Da gibt es tatsächlich mehrere! Mir bringt es immer Spaß, wenn man einen Fall hat, in dem es auf spezielle Kenntnisse von Sachverständigen ankommt – einmal ging es z.B. um Bohrarbeiten auf einer Offshoreplattform und dabei die Zusammensetzung und Festigkeit des Meeresbodens – nach mehreren Monaten hatte ich das Gefühl, selbst Expertin für Meeresgeologie zu sein! Schließlich muss man als Anwältin in der Lage sein, auch die technischen und tatsächlichen Voraussetzungen einem (Schieds-)Richter verständlich zu erklären, um dann juristische Schlüsse daraus zu ziehen. Besonders spannend fand ich auch einen Saunabrand auf einem Kreuzfahrtschiff und den Zusammenbruch eines großen Regallagers.
 

Worin liegt für Sie der besondere Reiz im Bereich Maritimes Wirtschaftsrecht?

Das Maritime Wirtschaftsrecht ist vor allem international und abwechslungsreich. Kaum ein Fall ist wie der andere, und es gibt immer etwas Neues zu lernen. Eine gewisse Faszination für Schiffe gehört aber auch dazu – ich freue mich jedes Mal, wenn ich die Gelegenheit bekomme, ein Schiff zu besuchen und z.B. den Maschinenraum erklärt zu bekommen – auch wenn das gerne häufiger sein könnte.
 

Welche Tipps würden Sie Studierenden und jungen Jurist:innen, die sich auf Maritimes Wirtschaftsrecht spezialisieren wollen, geben?

Wenn Interesse besteht: Macht ein Praktikum bei uns oder auch in einem entsprechenden Unternehmen der Branche. Dort lernt man am meisten und erfährt, ob man auch vom Schifffahrtsvirus angesteckt wird! Das Rechtliche lernt ihr dann schon.

So kann ARNECKE SIBETH DABELSTEIN dich und deine Karriere unterstützen:

Ihr Fazit?

Solange Güter um die Welt transportiert werden müssen, haben wir etwas zu tun. Obwohl viele Fälle allein aufgrund des technischen Fortschritts weggefallen sind (der flächendeckende Einsatz von Kühlcontainer hat z.B. die Menge braun gewordener Bananen am Importhafen deutlich reduziert), stellen sich auch neue Fragen: Wie regelt man den Einsatz autonomer Schiffe – wer ist der „Kapitän“ und wer haftet im Falle einer Kollision? Wie können rechtliche Voraussetzungen für den maritimen Umweltschutz geschaffen und umgesetzt werden? Auch das sind Fragen, die die Unternehmen beschäftigen. Und bis dahin bleibt es dabei, dass immer mal Ware verloren geht oder beschädigt wird, Schiffe mit Brücken kollidieren oder Bahnstrecken gesperrt werden –langweilig wird es sicher nicht!  
 

Vielen Dank, Frau Breckwoldt!

Arnecke Sibeth Dabelstein
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Arnecke Sibeth Dabelstein

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