Verfasst von Finn Holzky|Veröffentlicht am 15.07.2020

"Mit großem Interesse habe ich gelesen, dass …"

Wie man sich auch ohne Anschreiben erfolgreich bewirbt

Lange Zeit war das Anschreiben bei einer Bewerbung fast genauso wichtig, wie der Lebenslauf und die Zeugnisse. Es galt als persönlicher Fingerabdruck, mit dem man versuchte, sich aus der Masse hervorzuheben. Gesellschaftliche Entwicklungen, wie der Fachkräftemangel haben jedoch dazu geführt, dass das Anschreiben zur Formalität geworden ist und bereitet deshalb sowohl Bewerber*innen als auch Arbeitgebern nicht immer Freude. Viele Unternehmen und Kanzleien haben inzwischen den Vorteil eines schlanken Bewerbungsprozesses erkannt und verzichten daher immer häufiger auf ein Anschreiben. Warum es für dich kein Nachteil sein muss, deine Bewerbung ohne ein Anschreiben einzureichen, erfährst du hier.


Überwiegt der persönliche Eindruck ein ausformuliertes Anschreiben?

Früher galt das Anschreiben als der erste wichtige persönliche Eindruck eines Bewerbers. Unternehmen und Kanzleien geben jedoch zu, dass es immer wieder eine Herausforderung darstellt, anhand eines Anschreibens die persönliche Komponente eines Bewerbers oder einer Bewerberin bewerten zu können. Dies kann dazu führen, dass vermeintlich passende Bewerber*innen, bei denen sowohl Qualifikationen als auch das Anschreiben überzeugen, zum persönlichen Gespräch eingeladen werden, es jedoch schnell deutlich wird, dass der „menschliche Fit“ nicht gegeben ist.

Andere Bewerber*innen, mit weniger „sympathischen“ Anschreiben, fallen im schlimmsten Fall durch den Rost, obwohl ihre persönliche Passung in einem Gespräch durchaus hätte festgestellt werden können. Insofern stellt sich die Frage, ob das Anschreiben für den Entscheidungsprozess vernachlässigt werden kann, wenn sowieso erst nach dem Gespräch deutlich wird, ob man persönlich zueinander passt.

Nikola Bergmann HR Simmons und Simmons     Michael Böger Simmons und Simmons
HR Generalistin Nikola Bergmann und Rechtsanwalt Michael Böger (beide Simmons & Simmons) wissen: Es kommt nicht auf das Anschreiben an

„Ein Anschreiben hat keine der Kanzleien nachgefordert.“

Michael Böger, der seine Bewerbungen ausschließlich über talentrocket.de laufen ließ, hat die Erfahrung gemacht, dass es auch ohne Anschreiben funktioniert: Er ist mittlerweile bei Simmons & Simmons als Rechtsanwalt tätig und berichtet von vielen positiven Antworten seitens der Kanzleien, die im Bewerbungsprozess für ihn in Frage gekommen sind. Das fehlende Anschreiben wurde von keiner Kanzlei thematisiert.

Dies war auch für Böger eine Bestätigung, dass der Faktor „Mensch“ nur bedingt durch ein Anschreiben transportiert werden kann: Simmons & Simmons war eine der ersten Kanzleien, die auf meine Bewerbung reagierte und mich zu einem persönlichen Gespräch mit dem Partner meiner jetzigen Praxisgruppe einlud. In diesem Gespräch wurde vor allem auf mich als Person eingegangen und weniger auf die Fakten, die ohnehin durch den Lebenslauf bekannt waren. In einem zweiten Gespräch lernte ich via Videokonferenz den Praxisgruppenleiter sowie meine Kolleg*innen aus den anderen Standorten Frankfurt und Düsseldorf kennen und konnte mich mit meinen heutigen Kolleg*innen aus München bei einem gemeinsamen Mittagessen austauschen – die Offenheit und Menschlichkeit, die mir in allen Gesprächen entgegengebracht wurde, hat mich am Ende des Tages überzeugt.

Perfekt ausformuliert aus dem Baukasten vs. Massenware

Bewerber*innen können mittlerweile auf einen schier endlosen Schatz an Tipps, Tricks und Satzbausteinen aus dem Internet zurückgreifen, wodurch die persönliche Note verblasst. Dazu kommt, dass die im Anschreiben getätigten Aussagen beispielsweise über Motivation, Arbeitsweise oder soziale Kompetenz nur bedingt durch die Papierform überprüft werden können – nach dem Motto: „Jeder kann behaupten, teamfähig zu sein“. Das Ergebnis eines intensiv ausgearbeiteten Anschreibens ist in der Regel also gerade kein persönlicher Eindruck mehr, sondern eine bestenfalls sehr gute und nach aktuellem Standard ausgearbeitete und angepasste Version eines sogenannten Vorzeigeanschreibens.

Auch Michael Böger sah kaum den Mehrwert von Anschreiben, verzichtete in seinen Bewerbungen daher ganz darauf und zweifelte nicht daran, dass seine Unterlagen dennoch Beachtung finden würden. Es gibt unter anderen zwei unterchiedliche Arten von Bewerber*innen, die zeigen, weshalb das Anschreiben zurecht seine Wichtigkeit im Bewerbungsprozess einbüßt.

Da gibt es zum einen Bewerber*innen, die sich ihren Arbeitgeber aufgrund ihrer überdurchschnittlichen Qualifikationen aussuchen können und sich deshalb auf nur wenige Bewerbungen beschränken. Der in vielen Branchen bestehende Fachkräftemangel unterstützt diese Entwicklung. Gute Bewerber*innen sind sich ihrer komfortablen Position meist bewusst, wodurch im schlimmsten Fall passende Unternehmen und Kanzleien von ihnen aussortiert werden, weil deren Bewerbungsprozesse zu aufwendig sind. Selbst ein Anschreiben, das bei einer Bewerbung verlangt wird, kann aufgrund der Auswahlmöglichkeiten, die diese Bewerber*innen haben, zum Ausschlusskriterium führen.

Zum anderen gibt es Bewerber*innen, die sich entweder aufgrund von Unentschlossenheit oder geringerer Qualifikation auf eine Vielzahl von Jobs bewerben (müssen). Wer mehr als zehn Bewerbungen schreibt, kann nicht mit der gleichen Sorgfalt an ein Anschreiben herangehen, wie jemand der*die beispielweise die Mühen in nur vier Bewerbungen steckt. Beachtet man, dass einige Jobsuchende mehr als 20 Bewerbungen anfertigen, wird wie oben bereits beschrieben deutlich, dass das Anschreiben zu einem kopierten Text, mit entsprechenden Einfügungen für Jobs und Arbeitgeber, verkommen kann.

Sonderfall Jura: Noten > Erfahrungen > Zusatzqualifikationen 

Bei Jurist*innen und deren Bewerbungen ist grundsätzlich alles ein wenig anders als in vielen anderen Branchen. Auch wenn die Erwartungen von Kanzleien und Unternehmen hinsichtlich der Noten in den letzten Jahren nach unten korrigiert wurden, sind die Examensnoten nach wie vor ausschlaggebend für die Frage, ob ein*e Bewerber*in überhaupt in Betracht kommt oder nicht.

Steht ein*e Bewerber*in notentechnisch nicht ganz so gut dar, kann diese*r durch Zusatzqualifikationen oder bereits gesammelte Erfahrungen dennoch punkten. So sieht es auch die Kanzlei Simmons & Simmons, wie uns Nikola Bergmann aus der HR Abteilung erklärt. Ein Anschreiben bleibe nach wie vor eine Möglichkeit, vor allem um die Hintergründe bei unkonventionellen Lebensläufen erläutern zu können. Sie sagt jedoch auch:

„Ob ein*e Bewerber*in zum Gespräch eingeladen wird, hängt definitiv nicht vom Anschreiben ab […] Wir sind uns der heutigen Situation bewusst, dass gute Kandidat*innen die Auswahl zwischen vielen potentiellen Arbeitgebern haben. Solchen müssen wir es so einfach wie möglich machen, mit uns in Kontakt zu kommen.“

Simmons & Simmons verzichtet bereits seit ein paar Jahren auf ein Anschreiben und laut Nikola Bergmann kommt es bei erfolgreichen Bewerbungen nach wie vor auf die Noten, auf relevante praktische Erfahrungen, auf die Englischkenntnisse und auf ein Interesse für wirtschaftliche Zusammenhänge an. Ob man persönlich zusammenpasst, wird im zweiten Schritt im persönlichen Gespräch herausgefunden.

Unternehmen und Kanzleien verzichten zunehmend auf das Anschreiben

Aus den genannten Gründen verzichten immer mehr Unternehmen und auch Kanzleien auf ein Anschreiben. Jedoch liegt die Frage auf der Hand, ob das Anschreiben neben der Darlegung der eigenen Motivation auch anderen Zwecken dient, wie beispielsweise der Prüfung der Rechtschreibkenntnisse. In der Tat offenbaren Anschreiben die eine oder andere Information zwischen den Zeilen, dennoch rückt auch hier die Aussagekraft der Anschreiben in den Hintergrund, insbesondere wenn andere validere Methoden eingesetzt werden, welche die Eignung von Bewerber*innen objektiv feststellen. Dazu gehören unter anderem Assessment Center, die unterschiedliche Skills, wie das sprachliche oder logische Denkvermögen gezielt testen.

Der Wegfall des Anschreibens ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass sich Bewerber*innen intensiv über ihren potenziellen neuen Arbeitgeber informieren sollten. Wurde früher bereits im Anschreiben erläutert, weshalb sich ein Kandidat für eine bestimmte Stelle oder einen Arbeitgeber interessiert, ist diese Diskussion nun vollständig auf das Bewerbungsgespräch übergegangen. Dementsprechend sicher sollten Bewerber*innen begründen können, weshalb sie Interesse an einem Einstieg bei Unternehmen/Kanzlei XY haben.


Finden oder gefunden werden?

"Active Sourcing" oder "Aktive Suche" bezeichnet eine Methode, die auf die proaktive Ansprache geeigneter Kandidat*innen durch den Arbeitgeber oder auch durch externe Dienstleister setzt – dass hier die Kontaktaufnahme nicht in einer bloßen Aufforderung besteht, sich auf offene Vakanzen zu bewerben, sollte selbstverständlich sein. Auch hier hat das Anschreiben ausgedient, denn schließlich klopft in diesem Szenario das Unternehmen bzw. die Kanzlei bei dem*der Bewerber*in an und nicht umgekehrt. 

Dem Trend der Aktiven Suche ist auch TalentRocket gefolgt und bietet Bewerber*innen die Möglichkeit, ihr Bewerbungsprofil anzulegen, entsprechende Zeugnisse anzuhängen und einen vollständigen Lebenslauf zu erstellen. Mit diesem Profil kann man sich aktiv bewerben oder sich von Arbeitgebern kontaktieren lassen, die den passenden Job zum Profil haben. Sofern die Voraussetzungen für beide Seiten stimmen, kommt es zum Match. Das erspart beiden Seiten Zeit und Energie. Der erste Eindruck entsteht dann hauptsächlich durch Noten, Zusatzqualifikationen und vor allem auch durch den Lebenslauf. Der persönliche Eindruck ist nach wie vor am wichtigsten, doch diesen erhält man weiterhin beim persönlichen Kennenlernen im ersten Gespräch.

Schließlich hielt sich lange Zeit noch das Gerücht, Partner*innen von Großkanzleien seien als Vertreter*innen einer eher konservativen Branche Anhänger des Anschreibens. Doch auch das stimmt heute so nicht mehr, weiß Nikola Bergmann zu berichten, denn aufgrund der spürbaren Konsequenzen des Fachkräftemangels haben auch die Partner*innen erkannt, dass innovative Plattformen und veränderte Trends wichtig sind, um auch im Recruiting wettbewerbsfähig zu bleiben. Einen Nachteil gibt es also auch auf dieser Ebene nicht mehr.
 

Vergeudet daher keine Zeit für das Verfassen von Anschreiben, sondern sorgt für gute Bewerbungsunterlagen, einen sinnvoll strukturierten Lebenslauf und als Jurist*inn am besten für gute Noten und einschlägige Erfahrungen.

undefined

Simmons & Simmons

Alle relevanten Infos auf einen Blick



Erfahre mehr zu den Arbeitgebern
undefined Logo