Benötigt man einen Doktortitel, um Partner in einer Großkanzlei zu werden?

Promotion - ein Muss als Jurist/in?!

Best Practices mit Tipps zu Themafindung, Zeitpunkt und die Frage ob heutzutage überhaupt noch notwendig?

– Interview mit Herrn Dr. Christian Becker, Herrn Dr. Stefan Heyder und Herrn Dr. Bernt Paudtke, Partner bei GÖRG - zwar besitzen alle der Drei einen Doktortitel, sind allerdings davon überzeugt, dass dies heutzutage keine Voraussetzung mehr für den erfolgreichen Karriereweg eines Juristen darstellt –

Die Bedeutung einer Promotion für die Karriere von Anwälten in einer Großkanzlei hat in den vergangenen 20 Jahren sicherlich deutlich abgenommen. Dies ist darin begründet, dass angelsächsische Kanzleien in ihren Heimatmärkten, insbesondere UK und USA, eine Promotion bzw. einen Doktortitel nicht kennen und diesem im Geschäftsleben keine wirkliche Bedeutung beimessen.

Dr. Christian Becker  Dr. Stefan Heyder - GÖRG  Dr. Bernt Paudtke - GÖRG

Dr. Christian Becker, Dr. Stefan Heyder und Dr. Bernt Paudtke

Worüber haben sie Drei promoviert und fragt man sie heute noch danach?

Dr. Christian Becker: Ich habe meine Dissertation über den Steuererlass nach §§ 163,227 Abgabenordnung im Vergleich zum Dispens im allgemeinen Verwaltungsrecht geschrieben. Außer in meinen ersten Vorstellungsgesprächen hat mich nie wieder jemand nach meinem Dissertationsthema gefragt.

Allerdings hat dieses Thema derzeit durch die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zum sogenannten Sanierungserlass eine ungeahnte Aktualität erlangt. Somit komme ich derzeit in meiner Praxis durchaus häufig wieder in Berührung mit meinem alten Dissertationsthema. Das ist allerdings in der Tat reiner Zufall.

Dr. Stefan Heyder: Das Thema lautete "Der qualifizierte faktische Aktienkonzern". Es geht um die Frage, ob es neben dem gesetzlich geregelten Vertragskonzern einen vergleichbaren Konzern ohne Vertrag gibt. Das Gesetz geht davon aus, dass es ohne einen Vertrag nur einzelne Einflüsse auf eine beherrschte AG gebe, die auch einzeln ausgeglichen werden können.

In der Praxis kann es aufgrund einer sehr engen Einbindung dazukommen, dass einzelne Einflüsse nicht mehr identifiziert und somit auch nicht einzeln ausgeglichen werden können. Mein Ansatz war, Kriterien festzulegen, wann ein solcher qualifiziert faktischer Aktienkonzern vorliegt und wie man darauf reagiert. Dabei habe ich auf der damaligen Rechtsprechung des BGH zum GmbH-Konzern aufgebaut. Als junger Rechtsanwalt wurde ich oft auf meine Dissertation angesprochen und konnte diese auch praktisch nutzen. 

Als der BGH später seine Rechtsprechung zum GmbH-Konzern verwarf und ein neues System entwickelte, war meine Dissertation über Nacht irrelevant geworden.

Dr. Bernt Paudtke: Ich habe – kurz gesagt – über die Minderheitsregierung im Bund promoviert. Verfügt die Bundesregierung über keine Bundestagsmehrheit, so gerät das Regierungssystem des Grundgesetzes in eine Krise.

Im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung enthält das Grundgesetz zahlreiche Verbesserungen, die eine Parlamentskrise zwar nicht verhindern können, deren Eintritt aber zumindest erschweren. Kommt es aufgrund schwieriger politischer Rahmenbedingungen oder unvermuteter Ereignisse gleichwohl zur Krise, so gewährt das Grundgesetz einer Minderheitsregierung grundsätzlich ausreichende Mittel, um sich gegen einen mehrheitsunfähigen oder obstruierenden Bundestag durchsetzen zu können. Die Arbeit untersucht die in diesem Fall bestehende verfassungsrechtliche Lage.

Dass ich nach der Promotion gefragt werde, kommt eher selten vor. Manchmal, aber auch nicht oft, werde ich mit dem Titel angesprochen. Wenn die Promotion überhaupt ein Thema ist, dann bei einem Gespräch mit Studenten oder Referendaren.

Daraus könnte man schließen, dass Sie Herr Dr. Heyder früh wussten, in welche Richtung es gehen sollte. Hat Ihnen ihre Promotion denn fachlich geholfen?

Dr. Stefan Heyder: Gesellschaftsrecht und insbesondere Aktienrecht hat mich schon immer fasziniert. Aus diesem Grunde lag es für mich nahe, in diesem Bereich zu promovieren. Ich habe mich bewusst nach einem Professor umgesehen, der ein entsprechendes Dissertationsthema annimmt.

Wirklich fachlich geholfen hat mir mein Dissertationsthema nur in wenigen Ausnahmefällen. Hilfreich war, dass ich mich bereits ausführlich mit dem GmbHG und AktG beschäftigt hatte. Beides sind Gesetze, die sowohl im Studium als auch im Referendariat – jedenfalls zu meiner Zeit – kaum eine Rolle spielten.

Gesellschaftsrecht und insbesondere Aktienrecht hat mich schon immer fasziniert. Aus diesem Grunde lag es für mich nahe, in diesem Bereich zu promovieren.
Dr. Stefan Heyder

Sie Herr Dr. Becker und Sie Herr Dr. Paudtke haben hingegen eher öffentlich-rechtlich promoviert. Ein Nachteil?

Dr. Christian Becker: Zu Beginn meiner anwaltlichen Karriere war für mich nicht klar, ob ich den Schwerpunkt auf das Steuerrecht oder das Gesellschaftsrecht lege. Von daher hat mir meine Dissertation im Steuerrecht am Anfang sicherlich den Einstieg bei bestimmten steuerlichen Fragestellungen erleichtert.

Allerdings habe ich dann schnell festgestellt, dass mir das Gesellschaftsrecht und insbesondere das Transaktionsrecht mehr Spaß macht. Als Nachteil habe ich eine Dissertation im Steuerrecht nie empfunden. Ich habe bei meinem Thema immerhin einen ganz guten Überblick über die wesentlichen und ganz unterschiedliche Steuergesetze gewonnen.

Dr. Bernt Paudtke: Nein, ich empfinde es nicht als Nachteil. Das Thema hat mir Spass gemacht und das ist das Wichtigste, wenn man sich doch monate- oder gar jahrelang mit einem Thema beschäftigt. Danach interessiert das Thema ohnhin kaum mehr jemanden, da sollte man seinen Einfluss auf die Juristerei nicht überschätzen. 

Das Zwischenfazit muss danach bisher lauten, dass das Thema einer Promotion im Großkanzleialltag nicht von Bedeutung sein muss. Empfehlen Sie trotzdem eine solche?

Dr. Christian Becker: Eine Dissertation ist lediglich der Nachweis, dass man das Sitzfleisch hat, ein Buch zu schreiben. Fachlich bringt das relativ wenig. Ich würde den jungen Anwälten eher empfehlen, einen MBA an einer sehr guten Schule zu absolvieren.

Ich denke, das schärft noch einmal den Blick für wesentliche wirtschaftliche Fragestellungen, legt den Grundstein für ein Netzwerk außerhalb der Juristen- Community und ist wahrscheinlich auch für die persönliche Entwicklung eine interessante Zeit.

Dr. Stefan Heyder: Auch, wenn die Promotion tatsächlich an Bedeutung verloren hat, sehe ich sie weiterhin als sinnvolle zusätzliche Qualifikation an. Denn sie zeigt nicht nur, dass man einen entsprechenden Durchhaltewillen hat, sondern dass man in der Lage ist, auch wissenschaftlich zu arbeiten.

Wir Anwälte werden zwar meist dafür bezahlt, sinnvolle und pragmatische Lösungen zu finden, doch müssen diese auf einem festen juristischen Fundament stehen. Dies gelingt in der Regel nur, wenn zuvor das juristische Problem intellektuell durchdrungen wurde. Eine Promotion zeigt, dass jemand dazu intellektuell in der Lage ist.

Dr. Bernt Paudtke: Ich sehe das Thema Promotion mittlerweile kritisch. Eine Promotion sagt weniger darüber aus, ob jemand ein besonders guter Jurist ist. 

Vielmehr zeigt die Promotion, dass diese Person über ein gewisses Durchhaltevermögen verfügt. Davon abgesehen hat die Promotion meiner Meinung nach heutzutage nicht mehr die Bedeutung, die sie früher einmal hatte.

Der schwierigste Teil der Promotion ist zumeist ein gutes und machbares Thema zu finden. Welche guten Tipps haben Sie hier parat?

Dr. Christian Becker: Na ja, ich habe mich ja auf den Tipp meines Doktorvaters verlassen. Da habe ich erst nachdem ich mich intensiv mit dem Thema beschäftigt habe, festgestellt, dass das nahezu uferlos ist. Später in meiner Praxis sind mir dann ein paar gute Dissertationsthemen eingefallen, die deutlich praxisrelevanter und spannender waren als meins.

Ich denke man sollte durchaus das Gespräch mit erfahrenen Anwälten suchen. Von diesen waren viele in einer ähnlichen Situation. Sie können jungen Anwälten schon den ein oder anderen Tipp geben. Ich jedenfalls hätte noch ein paar Tipps für Dissertationthemen, die praxisrelevant und klar abgrenzbar sind.

Dr. Stefan Heyder: Das sehe ich anders. Gerade weil man sich mit dem Thema der Dissertation intensiv auseinandersetzt, sollte man nur in einem Bereich eine Promotion anstreben, der einem liegt. 

Abraten kann ich nur von vermeintlich karrierefördernden Themen, die einen nicht wirklich interessieren. Hat man den Bereich eingegrenzt, führt kein Weg an einem Gespräch mit dem potentiellen Doktorvater über das genaue Thema vorbei.

Dr. Bernt Paudtke: Das Thema sollte eigentlich vom Doktorvater kommen. Diesen mit einem Thema zu konfrontieren, das ihn nicht interessiert, ist riskant.

Auch der Zeitpunkt einer Doktorarbeit wird gerne diskutiert. Sie Herr Dr. Heyder haben erst promoviert und sind dann als Rechtsanwalt zugelassen worden. Warum haben Sie sich so entschieden?

Dr. Stefan Heyder: Ich hatte das Glück, dass bei meinem Doktorvater eine Assistentenstelle frei war, so dass ich die Dissertation am Lehrstuhl schreiben konnte. Aus diesem Grunde stellte sich für mich die Frage nach einer vorherigen Anwaltszulassung nicht.

Man muss bereit sein und Spaß daran haben, für den Mandanten die sogenannte " Extrameile" zu gehen, um das beste Ergebnis rauszuholen.
Dr. Christian Becker

Sie Herr Dr. Paudtke und Sie Herr Dr. Becker haben hingegen ihre Zulassung schon deutlich vor der Promotion beantragt. Haben Sie „on the job“ promoviert und ist ihr Weg ratsam?

Dr. Christian Becker: Ich habe direkt nach dem 2. Staatsexamen in einem knappen Jahr meine Dissertation geschrieben. Allerdings hat mein Doktorvater sehr lange - mehrere Jahre - gebraucht, um die Erstkorrektur vorzunehmen. Das hat mich schon sehr geärgert.

Es zeigt aber auch, wie ignorant manche Professoren mit ihren Doktoranden umgehen. Bemerkenswert ist auch, dass die Universitäten - jedenfalls zu meiner Zeit - ein derart unprofessionelles Verhalten toleriert haben. Letztlich ist dann aber alles sehr gut gegangen.

Dr. Bernt Paudtke: Bei mir lag die Reihenfolge schlicht daran, dass mein Doktorvater meine fertige Dissertation jahrelang nicht gelesen hat. Angeblich war er so beschäftigt. Damals musste ich das stillschweigend hinnehmen und mich immer wieder für meine noch ausstehende Promotion rechtfertigen.

In der Rückschau fehlt mir komplett das Verständnis für ein solches Verhalten. Da wurde schlicht die akademische Freiheit - ich drücke es noch diplomatisch aus - überstrapaziert. Ich hoffe, dass solche Fälle nicht mehr allzu oft vorkommen. Das passt nicht mehr in die Zeit.

Letztlich vereinte sich Ihr Weg dann bei GÖRG im Bereich M&A. Welche Fähigkeiten haben Sie durch Ihre Dissertationen erworben, die sie noch heute nutzen?

Dr. Christian Becker: Dicke Bretter bohren. Auch bei einer größeren M&A-Transaktion ist Durchhaltevermögen gefragt, wenn sie immer komplexer und umfangreicher wird und die Zeitschiene für den Vertragsabschluss bleibt. Da muss man zwischendurch schon mal die Zähne zusammenbeißen, um das Arbeitsvolumen zu bewältigen und für den Mandanten das beste Ergebnis zu erzielen.

Dr. Stefan Heyder: Auch wenn ich die Promotion nach wie vor für sinnvoll erachte, nützt sie mir im normalen Arbeitsalltag nichts mehr.

Welche Talente muss man mitbringen, bzw. was kann man in den ersten Jahren lernen, das jemanden zu einem erfolgreichen Anwalt macht?

Dr. Christian Becker: Ich glaube, man muss Begeisterung für juristische und wirtschaftliche Fragestellungen mitbringen. Einfach nur die Zeit absitzen und ab 18:00 Uhr auf die Uhr schauen, wann man endlich nach Hause kann, ist sicherlich die falsche Einstellung.

Man muss bereit sein und Spaß daran haben, für den Mandanten die sogenannte " Extrameile" zu gehen, um das beste Ergebnis rauszuholen. Wenn das gelingt, kann man das mit dem Team und dem Mandanten auch mal ordentlich feiern.

Warum haben Sie sich für GÖRG entschieden bzw. wie hat Sie Görg damals gecatcht?

Dr. Christian Becker: Ich war ja früher bei Linklaters und später bei einer kleinen deutsch- amerikanischen gesellschaftsrechtlichen Boutique. Als ich damals GÖRG kennengelernt habe, hat mich insbesondere der eigenverantwortliche unternehmerische Beratungsansatz verbunden mit einem sehr hohen Qualitätsanspruch überzeugt.

Letztlich hatte ich aber auch einfach ein gutes Bauchgefühl. Das hat sich voll bestätigt. Immerhin bin ich jetzt hier auch schon seit 10 Jahren als Partner bei GÖRG und konnte hier mein Beratungsgeschäft enorm weiter entwickeln und ausbauen.

Dr. Bernt Paudtke: Wir sind als Team 2008 zu GÖRG gewechselt, da uns GÖRG die beste Platform für die Entwicklung unseres Geschäfts zu sein schien. Ich kann nach zehn Jahren nur sagen, dass sich das bewahrheitet hat und unsere Entscheidung goldrichtig war.

Denken Sie, Ihr Karriere-Weg wäre anders verlaufen, hätten Sie nicht promoviert?

Dr. Christian Becker: Das ist schwer zu sagen. Ich glaube eher nicht. Allerdings hat der Doktortitel bisher auch nicht geschadet. In gewisser Weise gehört er meines Erachtens auch fast dazu, wenn man ein Rechtsanwalt mit einem entsprechenden Qualitätsanspruch ist.

Dr. Stefan Heyder: Ja, als ich anfing, war die Promotion entweder Voraussetzung für eine Stelle oder wurde zusätzlich durch einen Gehaltszuschlag honoriert.

Dr. Bernt Paudtke: Kurz und knapp: Nein.

Vielmehr zeigt die Promotion, dass diese Person über ein gewisses Durchhaltevermögen verfügt.
Dr. Bernt Paudtke

Ihr Fazit?

Dr. Christian Becker: Ich glaube, dass für einen Junganwalt neben den juristischen Kenntnissen auch ein vertieftes wirtschaftliches Verständnis unerlässlich ist. Wenn ein junger Anwalt darüber nachdenkt, zu promovieren, würde ich ihm immer raten, alternativ einen MBA an einer guten Schule zu absolvieren. Hiervon wird ein Anwalt sein Berufsleben lang deutlich mehr profitieren als von einer Promotion.

 Dr. Stefan Heyder: Eine Promotion ist keine zwingende Voraussetzung mehr für ein erfolgreiches Durchstarten in den Beruf. Die Welt ist bunter und differenzierter geworden. Dennoch ist sie weiterhin ein Zeichen für eine besondere juristische Qualifikation.

 

Vielen Dank für diese ehrliche Einschätzung, Herr Dr. Becker, Herr Dr. Heyder und Herr Dr. Paudtke

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