Liebe zum Detail
Deutlich wird hier nur eins: Beurteilungen unterscheiden sich nur in Nuancen hinsichtlich des Gebrauchs von Temporalverben und Superlativen in Kombination mit positiven Adjektiven. Da es diese Feinheiten jedoch in sich haben und schnell ganze Notensprünge mit sich bringen können, sollte man nach Erhalt des Zeugnisses genau hinsehen.
Insbesondere da die deutsche Grammatik keinen Superlativ für das Adjektiv „voll“ kennt, verwenden manche Arbeitgeber der sprachlichen Korrektheit halber die Formulierung „vollen“ statt „vollsten“, auch wenn sie eigentlich ein sehr gut vergeben wollen.
Da diese minimale Veränderung jedoch beim Leser eine andere Interpretation zulässt, lohnt sich hier eine rechtzeitige Absprache mit dem Verfasser des Zeugnisses. Gleichzeitig ist allerdings zu beachten, dass die Zeugnissprache keinem offiziellen oder geschlossenen System entspringt und somit Abweichungen durchaus üblich sind. Grundsätzlich gilt: Je mehr Temporalverben und Superlative, desto besser.
Versteckte Geheimcodes: Stets bemüht ist selten gut
Über die Benotung hinaus gibt es besonders in qualifizierten Zeugnissen gewisse Formulierungen für die Beurteilungen des Sozialverhaltens oder bestimmte Arbeitsleistungen. Einen offiziellen „Code“ gibt es unter Arbeitgebern auch hier nicht. Es haben sich jedoch verschiedene mehrdeutige Formulierungen herausgebildet, die in Personalabteilungen längst gängig sind und eine ganz bestimmte Bedeutung enthalten.
So werden doppelte Verneinungen häufig als Geheimsprache für eine schlechte Leistung angesehen. Zwar klingt „Seine Zuverlässigkeit gab nie Grund zur Beanstandung“ zunächst positiv, allerdings wäre diese Aussage eigentlich nicht erwähnenswert. Durch diese Betonung soll der neue Arbeitgeber also gewarnt werden. Ein "stets bemüht" bedeutet nichts anderes als dass der Mitarbeiter zwar halbwegs motiviert war, aber nicht mit seinen Fähigkeiten überzeugen konnte.
Ferner sollen passive Formulierungen suggerieren, dass es dem Mitarbeiter an Eigeninitiative mangelt. Die sachlich richtige Aussage „Ihm wurden im Rahmen des Arbeitsverhältnisses folgende Aufgaben übertragen“ soll dem Leser des Zeugnisses andeuten, dass der Arbeitnehmer nur selten selbstständig gehandelt hat. Auch das Auslassen standardisierter Formulierungen enthält versteckte Botschaften. Einer der gängigsten Sätze zum Sozialverhalten von Arbeitnehmern ist „Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war stets sehr vorbildlich.“
Fehlt nun eine der genannten Personengruppen, ist dies ein versteckter Hinweis auf fehlende Sozialkompetenzen.