Studentin am Laptop

Verfasst von Carolina Harbs

„Er war stets bemüht" - Zeugnissprache erklärt

Wie man die Arbeitszeugnis Formulierungen entschlüsselt und woran sich der Arbeitgeber halten muss.

Vorbei sind die Tage der Schulnoten und Punkteskala – Arbeitszeugnisse enthalten Fließtexte, die mit kryptischen Formulierungen und Phrasen gespickt sind. Oft ist es nicht leicht, diese komplexen Bewertungen richtig zu deuten und einzuordnen. Bevor man diese also versteht, ist Recherche notwendig. Was sich hinter vermeintlich positiven Formulierungen wie "stets bemüht" und Co. verbergen kann und woran sich Arbeitgeber rechtlich halten müssen...

Arbeitszeugnisse sind bei der Jobsuche elementar. Ob neue Vorgesetzte oder Personaler, alle lesen die Bewertungen aus den letzten Beschäftigungsverhältnissen sehr genau. Dabei wird häufig auf versteckte Formulierungen geachtet, die sich aus dem Subtext ableiten.

Das hat einen simplen Grund: Der Arbeitgeber ist bei der Zeugniserstellung dazu verpflichtet, wohlwollend zu bewerten und zu formulieren. Da dies aus Sicht eines Vorgesetzten nicht immer der Wahrheit entspricht, hat sich eine eigene Rhetorik und Zeugnissprache entwickelt. Diese enthält ein mit Worten umschriebenes Notensystem sowie die oft als „Geheimcodes“ betitelten Formulierungen für bestimmte Verhaltensweisen und Eigenschaften des Arbeitnehmers. Gerade deswegen ist es auch sehr wichtig, bei dem vorherigen Arbeitgeber nach der Kündigung einen guten letzten Eindruck zu hinterlassen.

Ansprüche des Arbeitnehmers

Zunächst hat jeder Arbeitnehmer einen Anspruch auf ein Zeugnis. Der Arbeitgeber kann sich dann entscheiden ob er von sich aus ein einfaches oder ein qualifiziertes Zeugnis ausstellt. Verlangt der Arbeitnehmer jedoch ausdrücklich ein qualifiziertes Zeugnis, so muss der Vorgesetzte diesem Wunsch auch nachkommen.

Der Unterschied besteht in dem Umfang und Inhalt der Bewertung. Während das einfache Zeugnis lediglich sachliche Angaben und Fakten abdeckt, enthält das qualifizierte auch Bewertungen des Sozialverhaltens oder aber die Beurteilung der Leistungen. Der letzte Teil bietet dem Ersteller des Zeugnisses eine Plattform für versteckte Botschaften. Diese Abschnitte sollten daher genau studiert und übersetzt werden.
 

Die Zufriedenheitsskala als Notenäquivalent

In Arbeitszeugnissen hat sich eine standardisierte "Zufriedenheitsskala" etabliert, um die Leistung von Mitarbeitern zu bewerten. Diese Formulierungen dienen als Äquivalent zu den Schulnoten 1 bis 5 und sind für Personaler ein entscheidender Indikator. Die Nuancen liegen in der Verwendung von verstärkenden Temporaladverbien ("stets", "immer") und Superlativen ("vollsten").
 

Noten­äquivalent Formulierung Grad der Leistung/Bewertung
Sehr Gut (1) stets zu unserer vollsten Zufriedenheit Herausragende, weit über den Erwartungen liegende Leistung. Dies ist die beste erreichbare Bewertung.
Gut (2) stets zu unserer vollen Zufriedenheit Sehr gute Leistung, die die Erwartungen kontinuierlich übertroffen hat. Die Verwendung von "stets" impliziert Konstanz.
Befriedigend (3) zu unserer vollen Zufriedenheit Entspricht den Erwartungen. Die fehlende Verwendung von "stets" signalisiert, dass die Konstanz oder das Engagement nicht durchgehend herausragend war.
Ausreichend (4) zu unserer Zufriedenheit Die Minimalanforderungen wurden erfüllt. Es gab keine gravierenden Mängel, die Leistung lag aber am unteren Ende der akzeptablen Skala.
Mangelhaft (5) insgesamt zu unserer Zufriedenheit Die Leistung war im Großen und Ganzen unzureichend. Das Wort "insgesamt" signalisiert, dass die Zufriedenheit nur unter Vorbehalt und mit Blick auf das Gesamtbild erreicht wurde.

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Liebe zum Detail: Die Feinheiten in der Formulierung

Deutlich wird hier nur eins: Beurteilungen unterscheiden sich nur in Nuancen hinsichtlich des Gebrauchs von Temporalverben und Superlativen in Kombination mit positiven Adjektiven. Da es diese Feinheiten jedoch in sich haben und schnell ganze Notensprünge mit sich bringen können, sollte man nach Erhalt des Zeugnisses genau hinsehen.

Insbesondere da die deutsche Grammatik keinen Superlativ für das Adjektiv „voll“ kennt, verwenden manche Arbeitgeber der sprachlichen Korrektheit halber die Formulierung „vollen“ statt „vollsten“, auch wenn sie eigentlich ein sehr gut vergeben wollen.

Da diese minimale Veränderung jedoch beim Leser eine andere Interpretation zulässt, lohnt sich hier eine rechtzeitige Absprache mit dem Verfasser des Zeugnisses. Gleichzeitig ist allerdings zu beachten, dass die Zeugnissprache keinem offiziellen oder geschlossenen System entspringt und somit Abweichungen durchaus üblich sind. Grundsätzlich gilt: Je mehr Temporalverben und Superlative, desto besser.
 

Stets bemüht ist selten gut

Über die Benotung hinaus gibt es besonders in qualifizierten Zeugnissen gewisse Formulierungen für die Beurteilungen des Sozialverhaltens oder bestimmte Arbeitsleistungen. Einen offiziellen „Code“ gibt es unter Arbeitgebern auch hier nicht. Es haben sich jedoch verschiedene mehrdeutige Formulierungen herausgebildet, die in Personalabteilungen längst gängig sind und eine ganz bestimmte Bedeutung enthalten.

So werden doppelte Verneinungen häufig als Geheimsprache für eine schlechte Leistung angesehen. Zwar klingt „Seine Zuverlässigkeit gab nie Grund zur Beanstandung“ zunächst positiv, allerdings wäre diese Aussage eigentlich nicht erwähnenswert. Durch diese Betonung soll der neue Arbeitgeber also gewarnt werden. Ein "stets bemüht" bedeutet nichts anderes als dass der Mitarbeiter zwar halbwegs motiviert war, aber nicht mit seinen Fähigkeiten überzeugen konnte.

Ferner sollen passive Formulierungen suggerieren, dass es dem Mitarbeiter an Eigeninitiative mangelt. Die sachlich richtige Aussage „Ihm wurden im Rahmen des Arbeitsverhältnisses folgende Aufgaben übertragen“ soll dem Leser des Zeugnisses andeuten, dass der Arbeitnehmer nur selten selbstständig gehandelt hat. Auch das Auslassen standardisierter Formulierungen enthält versteckte Botschaften. Einer der gängigsten Sätze zum Sozialverhalten von Arbeitnehmern ist „Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war stets sehr vorbildlich.“

Fehlt nun eine der genannten Personengruppen, ist dies ein versteckter Hinweis auf fehlende Sozialkompetenzen.

Rechtliche Vorgaben

Um diese besagten mehrdeutigen Aussagen in Zeugnissen drehen sich auch die meisten Rechtsstreitigkeiten. In den letzten Jahren sind verschiedene Entscheidungen ergangen, die Arbeitgebern Grenzen in ihren Formulierungen setzen.

Die Erwähnung von allgemeinen Fähigkeiten, die mit einer Tätigkeit einhergehen, ist tabu. So ist für das Zeugnis eines persönlichen Assistenten die Fähigkeit zu telefonieren selbstverständlich. Wird diese im Zeugnis besonders hervorgehoben, erweckt dies den Eindruck, der Arbeitnehmer würde darüber hinaus zu nichts taugen.

Auch Hinweise, welche vorenthaltene Informationen andeuten, sind untersagt. So erweckt die Formulierung „Für Rückfragen zur Qualität der geleisteten Arbeit stehen wir jedem zukünftigen Arbeitgeber zur Verfügung“ den Eindruck, dass das Zeugnis nur die halbe Wahrheit erzählt. Diese Andeutung ist daher unzulässig.

Auch in der Unterschrift darf keine versteckte Wertung enthalten sein. So muss sie, wie sonst auch üblich, parallel zum Text stehen und darf nicht von links oben nach rechts unten diagonal verlaufen.
 

Das Arbeitszeugnis kann für die weitere Karriere ein entscheidender Faktor sein. Da sich Bewertungsunterschiede aus sprachlichen Nuancen ergeben können, ist es wichtig, das Zeugnis nach Erhalt genau zu studieren und den Chef bei Unklarheiten um Korrekturen zu bitten. Die Vollständigkeit ist ein ebenso wichtiger Faktor wie die Bewertung als solche und Lücken werden stets zum Nachteil des Mitarbeiters ausgelegt. Insbesondere in großen Unternehmen mit komplexen Strukturen empfiehlt sich daher, mit dem Chef vor der Erstellung des Zeugnisses Rücksprache über die geleisteten Tätigkeiten und Projekte zu halten. Einem fairen Zeugnis und dem nächsten Karriereschritt stehen damit nichts mehr im Wege.


Häufige Fragen zu Arbeitszeugnissen

Was ist der Unterschied zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Arbeitszeugnis?

Das einfache Zeugnis enthält nur sachliche Angaben zur Beschäftigungsdauer und Tätigkeit. Das qualifizierte Zeugnis beinhaltet zusätzlich eine detaillierte Bewertung der Leistung und des Sozialverhaltens des Arbeitnehmers und ist daher wichtiger für die Bewerbung.


Was bedeutet die Formulierung "stets zu unserer vollsten Zufriedenheit"?

Diese Formulierung entspricht der Note "Sehr Gut" (1). Sie ist die bestmögliche Bewertung auf der Zufriedenheitsskala und drückt aus, dass der Mitarbeiter hervorragende Leistungen erbracht hat.


Was bedeutet die Formulierung "war stets bemüht..."?

Diese Formulierung klingt zwar nett, bedeutet aber übersetzt, dass die Leistung des Mitarbeiters ungenügend war (Note 6). Es impliziert, dass der Mitarbeiter zwar motiviert war, die geforderte Leistung aber nicht erbracht hat.


Sind doppelte Verneinungen wie "Seine Zuverlässigkeit gab nie Grund zur Beanstandung" positiv?

Nein, in der Zeugnissprache sind sie oft ein verstecktes negatives Signal. Die Aussage ist eine Selbstverständlichkeit; wird sie besonders betont, soll dies den neuen Arbeitgeber warnen und auf möglicherweise mangelnde Zuverlässigkeit hinweisen.


Was soll ich tun, wenn mein Zeugnis eine unfaire oder negative Formulierung enthält?

Da der Arbeitgeber zur wohlwollenden Bewertung verpflichtet ist, sollten Sie das Zeugnis genau prüfen. Bei unfairen Formulierungen oder Abweichungen vom Standard können Sie den Arbeitgeber umgehend um eine Korrektur bitten.



Rechtliche Aspekte rund um Arbeitszeugnisse

Auf welche gesetzliche Grundlage stützt sich mein Anspruch auf ein Arbeitszeugnis?

Der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis ergibt sich aus $\S 630$ BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) in Verbindung mit $\S 109$ GewO (Gewerbeordnung). $\S 109$ Abs. 1 GewO definiert den Inhalt und Umfang: Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein, darf keine Merkmale enthalten, die den Arbeitnehmer diskriminieren, und muss der Wahrheit sowie dem Grundsatz des wohlwollenden Wohlverhaltens entsprechen.


Was versteht man unter dem "Grundsatz des Wohlwollens" in der Zeugniserstellung?

Der Grundsatz bedeutet, dass der Arbeitgeber Formulierungen wählen muss, die das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unnötig erschweren. Dies ist der Hauptgrund für die Entwicklung der "Geheimcodes". Bei einem Konflikt zwischen Wahrheit und Wohlwollen entscheidet die Wahrheit, allerdings muss die Formulierung im Zweifel die günstigere (wohlwollendere) Interpretation zulassen.


Wie wird die Beweislastverteilung bei schlechten Zeugnisnoten gehandhabt?

Bei einer durchschnittlichen Leistungsbeurteilung ("zur vollen Zufriedenheit", Note 3) trägt der Arbeitnehmer die Beweislast, wenn er eine bessere Note einklagen möchte. Möchte der Arbeitgeber eine schlechtere Note als "befriedigend" (Note 4 oder schlechter) vergeben, trägt er die Beweislast, dies gerichtlich zu begründen und zu beweisen.


Ist die Verwendung von "Geheimcodes" oder doppeldeutigen Formulierungen zulässig?

Die Rechtsprechung lehnt Formulierungen ab, die den Arbeitnehmer durch Doppeldeutigkeit oder Auslassungen unangemessen benachteiligen. Unzulässig sind Formulierungen, die dem Gebot der Klarheit und Wahrheit widersprechen. Versteckte Hinweise auf nicht beweisbare Sachverhalte oder "Geheimcodes" (z. B. eine diagonal verlaufende Unterschrift) sind laut gängiger Rechtsprechung unzulässig und können zur Korrektur veranlassen.


Was kann ich tun, wenn mein Arbeitgeber sich weigert, Korrekturen vorzunehmen?

Sie sollten den Arbeitgeber zunächst schriftlich (nachweisbar) zur Korrektur und Ausstellung eines neuen Zeugnisses auffordern. Lässt sich keine Einigung erzielen, können Sie eine Zeugnisberichtigungsklage vor dem zuständigen Arbeitsgericht erheben. Hierbei müssen Sie die Fristen zur Klageerhebung beachten (oft innerhalb weniger Wochen nach Erhalt des Zeugnisses).