Das Jurastudium findet entgegen des Trends zur Digitalisierung noch hauptsächlich in der Bibliothek und mit dem klassischen Buch statt. Während die meisten Studenten anderer Fachrichtungen bereits überwiegend mit Online-Skripten, Altklausurarchiven oder online erhältlicher Fachliteratur lernen, wälzen Juristen dicke und vor allem oft sündhaft teure Bücher.
Ist damit jetzt Schluss?
Ob sich dieses Arbeiten auch für Juristen ändern wird ist längst nicht mehr die Frage.
Die Frage ist nur wann und dieser Zeitpunkt scheint näher zu rücken.
Die Online-Recherche an sich ist uns Jurastudenten natürlich nicht unbekannt.
Beck-Online oder Juris gehören für uns genauso wie echte Bücher zum studentischen Alltag. Problematisch hingegen ist jedoch der Zugang, der häufig nur über das universitätseigene Internet möglich ist oder anderweitig begrenzt wird.
Einen gänzlich anderen Weg gehen nun die Kollegen von Dr. von Wöhler Kommentare, die einen BGB und einen GmbH Kommentar völlig frei verfügbar online gestellt haben.
Ohne Registrierung oder andere Zugangshürden, kann man unter der Adresse www.kommentar.de einerseits den vollständigen Gesetzestext des Bürgerlichen Gesetzbuches und des GmbH–Gesetzes lesen und andererseits zu den Normen Kommentierungen finden, wie man sie sonst nur aus klassischen kommerziellen Kommentaren kennt.
Kommentar à la Wikipedia
Die kostenlosen Inhalte der Kommentare kommen dabei von verschiedenen Autoren, die sich dem Projekt zur Verfügung stellen und ihrerseits über die entsprechende Expertise verfügen. Laut eigener Angaben haben sich in gerade einmal zwei Jahren bereits über 100 Anwaltskanzleien an dem Projekt des frei verfügbaren Kommentar beteiligt.
Die Qualität und die Aktualität wird somit durch das für das Internet typische und vor allem von Wikipedia bekannte organische Internetwachstum gewährleistet.
Anders als bei Wikipedia handelt es sich bei dem Onlinekommentar jedoch nicht um ein reines Open-Source-Projekt, sodass nicht jeder von sich aus Kommentierungen hinzufügen kann, sondern es einer Autorisierung durch das Autoren- und Herausgeber Team bedarf.
Ist die Onlineversion bereits ein Ersatz für Palandt und Co.?
Leider muss die Antwort hier, zumindest heute noch, eindeutig "Nein" lauten. Aktuell ist der Onlinekommentar noch nicht vollständig. Durch die große Menge an zu kommentierender Normen ist dies auch nur verständlich, dennoch stört es, wenn man zentrale Normen wie den § 929 BGB "aufschlägt" und sich hierzu noch keine Kommentierungen finden lassen.
Auf der anderen Seite könnte man durchaus argumentieren, dass dieser Missstand auf dem hohen Niveau der bereits bestehenden Kommentierungen beruht. Denn dieses ist zweifelsohne gegeben!
Insbesondere das Gesellschaftsrecht, das Dienstvertrags- und Arbeitsrecht aber auch das Werkvertragsrecht sind bereits ausführlich und auch auf dem Niveau der klassischen Kommentare durchkommentiert.
Unterscheidung Expertenwissen / Rechtsverkehr = Revolution?
Ebenfalls völlig neue Wege schlägt der frei erhältliche Onlinekommentar bezüglich der Zielgruppe beziehungsweise deren Einteilung ein. Richten sich klassische Kommentare eigentlich nur an ausgebildete oder sich in der Ausbildung befindliche Juristen und helfen sie einem auch wenig bei der schnellen Bewältigung von Alltagsproblemen weiter, macht der Onlinekommentar hier eine klare Unterscheidung.
Bei jeder kommentierten Norm wird unterschieden zwischen den sogenannten
"Expertenhinweisen" und der "Bedeutung für den Rechtsverkehr".
Der Expertenteil entspricht dabei den klassischen Kommentierungen und ist, wie die meisten Kommentare, auch im Stil eines Gutachtens aufgebaut.
Die Bedeutung für den Rechtsverkehr hingegen liefert zum einen häufige Anwendungsfälle und zum anderen eine Erklärung der entsprechenden Norm ohne dabei Jristen-typisch kompliziert zu werden. Die Punkte die nicht klar sind werden in normalem Deutsch erläutert und etwaige Fragestellungen bereits beim Aufkeimen geklärt.
Diese Form der Kommentierung könnte in der Tat eine kleine Revolution darstellen.
Schließlich würde sie Alltagsprobleme lösen können und bei Bedarf auch einen tieferen Einstieg in die Materie ermöglichen. Insbesondere Nichtjuristen bräuchten somit nicht mehr auf extra für sie geschriebenen Kommentare, wie "Gesellschaftsrecht für BWL'er" oder Ähnliches zurückgreifen, sondern könnten zunächst auf die Kommentierungen des Onlinekommentars zurückgreifen.
Der Onlinekommentar auf kommentar.de ist noch nicht gänzlich ausgereift, stellt allerdings in den bereits kommentierten Bereichen schon heute eine echte Alternative zu den klassischen Kommentaren dar!
Da die kommerziellen Kommentare noch immer nur dürftig digitalisiert und häufig nicht kostenlos erhältlich sind, handelt es sich bei dem Onlinekommentar um ein wirklich spannendes und sinnvolles Projekt, welches es verdient verfolgt und somit unterstützt zu werden.