FinTech bei Görg Interview

FinTech - Juristisches Neuland oder Hype?

Was das ist und welche juristischen Herausforderungen uns erwarten. Ein Expertenbericht.

Ein Interview mit Herrn Dr. Thomas Lange (rechts) und Herrn Dr. Matthias Terlau (Mitte), beide Partner bei GÖRG, sowie mit Herrn Dr. Yorick Ruland (links), Partner und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB.
 

"Wir bei Görg nehmen das Thema FinTech als Herausforderung an die Finanzdienstleistungsbranche wahr, aber auch an deren Umfeld, namentlich auch an uns als Berater von Finanzdienstleistungsunternehmen. Diese Herausforderungen bestehen ganzheitlich: neue Technologien, neue Geschäftsmodelle, neues Mindset und große Herausforderungen an alle handelnden Personen der Branche, Management, Mitarbeiter, und eben auch Berater. Diesen Herausforderungen stellen wir uns sehr gerne. Der bisherige sogenannte FinTech-Hype war eine enorm spannende Zeit für uns und wir freuen uns auf weitere Entwicklungen."

FinTech – das hört sich nach einer in Finnland entwickelten Technologie an. Nein, mal im Ernst, Herr Dr. Lange, was steckt hinter der Abkürzung und warum beschäftigen Sie sich als Jurist damit?

Thomas Lange: Der Begriff FinTech ist ein Schlagwort, bei dem heutzutage nicht immer ganz klar ist, was sich dahinter im Einzelfall verbergen soll. Ausgangspunkt ist aber, dass der Begriff sich aus den Anfangssilben von "Finanzdienstleistungen" und "Technologie" zusammensetzt. 

Mit FinTech wird demnach die Branche bezeichnet, in der Finanzdienstleistungen mit Technologie verändert werden. "FinTechs" sind Unternehmen, die Technologie für die Finanzdienstleistungsindustrie anbieten.

Die gibt es schon seit vielen Jahren. Der Begriff „FinTech“ ist lediglich in den letzten Jahren in den Fokus der Öffentlichkeit gelangt und wird häufig auch als Synonym für Startups verwendet, obschon es sehr reife Unternehmen in dem Bereich gibt. So hat jüngst z.B. das FinTech-Unternehmen Wirecard die Commerzbank im Aktienindex DAX abgelöst.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage: FinTechs benötigen Juristen vor allem, weil die von ihnen angebotenen Dienstleistungen oder Produkte häufig der aufsichtsrechtlichen Regulierung unterliegen, d.h. deren Erbringung z.B. eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) voraussetzt.
 

GÖRG hat sich erst kürzlich mit dem Team um Herrn Dr. Terlau im Bereich FinTech verstärkt. Welche Rolle spielt FinTech in Ihrer Kanzlei, Herr Dr. Ruland?

Yorick Ruland: GÖRG verfolgt die Entwicklungen im Bereich FinTech seit Jahren und hat hier gerade im Bereich Outsourcing auch in der Vergangenheit schon sehr namhafte Mandaten und interessante Mandate betreut. Die sehr spezifische und hochqualifizierte Expertise von Matthias Terlau und seinem Team auf dem Gebiet der Banken- und Zahlungsregulierung und insbesondere im Bereich FinTech stellt nun eine weitere wichtige Ergänzung dar, welche wir unseren Mandanten standortübergreifend anbieten.
 

Die zunehmende Digitalisierung gewinnt auch in der Juristerei zunehmend an Bedeutung. Wie behalten Sie als Jurist den Durchblick und eignen sich das notwendige und dynamische Know-how an?

Yorick Ruland: Auf verschiedene Weisen - Jeder wird hier einen anderen Ansatz wählen. Für uns ist beispielsweise der intensive Austausch mit unseren Mandanten und anderen Marktteilnehmern aus der IT-Branche eine wichtige Quelle. Kongresse, Fachvorträge und ständige (Zeitungs-) Lektüren sind ebenso wichtig. Wenn man sich einmal den notwendigen Jargon angeeignet hat, fällt es einem schon erheblich leichter am Ball zu bleiben.

Wer außerdem eine gewisse Technikaffinität mitbringt und auch gerne privat neue (FinTech-) Produkte ausprobiert, den beschäftigen auch die juristischen Themen zwangsläufig. Häufig denkt man sogar einen Schritt weiter und erkennt die juristischen Probleme von morgen.

GÖRG verfolgt die Entwicklungen im Bereich FinTech seit Jahren und hat hier gerade im Bereich Outsourcing auch in der Vergangenheit schon sehr namhafte Mandaten und interessante Mandate betreut.
Dr. Yorick Ruland

Herr Dr. Terlau, wer gehört zu Ihrem Mandantenkreis, den Sie im Rahmen von FinTech beraten und welche Leistungen bieten Sie an?

Matthias Terlau: GÖRG berät im Bereich FinTech sowohl Anbieter von Technologie-Lösungen als auch etablierte Finanzdienstleister. Gerne beraten wir aber auch die jungen aufstrebenden Player im Bereich FinTech. Wir beraten bei der Konzeptionierung neuer, möglichst ausschließlich online angebotener Produkte, bei der Klärung von Erlaubnispflichten, bei Erlaubnisanträgen oder bei Kooperationen zwischen FinTech-Unternehmen und Banken oder Zahlungsdienstleistern.
 

Das klingt alles noch etwas abstrakt. Nennen Sie uns doch einmal ein Beispiel aus Ihrer jüngsten Tätigkeit, Herr Dr. Terlau!

Matthias Terlau: Mein Team hat in der Vergangenheit, z.B. Wirecard, bei verschiedenen Transaktionen im Zusammenhang mit erlaubnispflichtigem Zahlungsgeschäft unterstützt. Verschiedene Zahlungsdienstleister durften wir bei der Vorbereitung Ihrer Erlaubnisanträge begleiten. Am Anfang dieses Jahres haben wir figo dabei unterstützt, in Deutschland die erste Erlaubnis als Zahlungsauslösedienst und Kontoinformationsdienst zu erhalten. Auch derzeit betreuen wir eine ganze Reihe von Erlaubnisverfahren im Zahlungsbereich. 

Aktuell beraten wir verschiedene Banken in teilweise sehr großen und langwierigen Outsourcing Projekten. Dabei spielt auch das Thema Cloud Outsourcing eine Rolle.

Und die Umsetzung der PSD2 (Payment Services Directive) ist ein riesiges Thema, nach wie vor. Wir sind in verschiedene Projekte der Implementierung der starken Kundenauthentifizierung eingebunden. Dabei spielt zum Beispiel auch das Thema Voice Banking eine große Rolle. Sie haben sicherlich Verständnis, dass ich nicht an allen Stellen die Namen unserer Auftraggeber nennen darf.
 

Welche rechtlichen Herausforderungen im Bereich FinTech reizen Sie am meisten, Herr Dr. Ruland?

Yorick Ruland: Die besondere Herausforderung liegt darin, dass innovative und oftmals komplexe Geschäftsmodell nicht nur wirtschaftlich solide aufgestellt sind, sondern auch juristischen Stressszenarien standhalten. Die vielseitigen Ideen von FinTechs sind in den meisten Fällen rechtlich noch gar nicht erprobt. Dennoch müssen wir diese Vorhaben nicht nur vertraglich sauber umsetzen, sondern auch aus regulatorischer Sicht bewerten.

FinTechs bewegen sich immer sehr nah am Finanzaufsichtsrecht. Entweder weil deren Produkte das Portfolio von etablieren Banken oder Zahlungsdienstleistern ergänzen, oder die FinTechs eben selbst erlaubnispflichtig werden. Wir müssen uns intensiv mit Mandanten austauschen und mit kreativen Vorschlägen am Gelingen mitwirken. Digitale Lösungen machen außerdem keinen Halt an unserer Landesgrenze, weshalb wir uns intensiv mit ausländischen Kollegen abstimmen müssen.

Ein FinTech- Investment bringt vielfältige Chancen mit sich. Gibt es auch rechtliche Fallstricke, Herr Dr. Lange?

Thomas Lange: Chancen und Risiken stehen bei allen Investments in einem gewissen Verhältnis. Eine pauschale Antwort ist bei FinTech-Investments schwierig. Nehmen wir beispielsweise einen Kapitalgeber, der sich an einem regulierten FinTech beteiligt. Wenn der Investor selbst noch nicht der Finanzaufsicht unterlag, kann sich seine interne Compliance erheblich erweitern, auch wenn die wesentlichen Pflichten das FinTech selbst treffen.

 

Besonders Haftungsfragen spielen bei FinTech eine wichtige Rolle. Wo sehen Sie aktuell die Probleme?

Thomas Lange: FinTechs sorgen sich in unterschiedlicher Weise um Haftungsfragen. Sofern noch keine ausreichende Kapitalgrundlage vorhanden ist, könnte schon ein geringerer Haftungsfall die Existenz gefährden. Hier nehmen FinTechs keine besondere Rolle ein. Größere FinTechs bieten aber häufig Produkte und Lösung an, die ein enormes Geld-Volumen betreffen; hier können Fehler entsprechend zu erheblichen Verlusten führen. Gerade in Kooperation mit etablierten Banken haben FinTechs bei Vertragsverhandlungen oftmals die schwächere Position. Hier ist es entscheidend, dass Risiken entsprechend der Verantwortungsbereiche und der Beherrschungssphäre abgebildet werden.

 

Bislang gibt es keine gesonderte FinTech-Regulierung. Werden die Regelungen des Bankaufsichtsrechts auf FinTechs gleichermaßen angewendet?

Thomas Lange: Die Frage ist auch, was man unter einer gesonderten FinTech-Regulierung versteht. Gesetzliche Bestimmungen, welche die aufsichtsrechtliche Situation von FinTechs betreffen, gibt es schließlich schon. Dabei handelt es sich weitestgehend um die Vorschriften des Zahlungs- und des Bankaufsichtsrechts. Das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) stellt FinTechs mit seiner letzten Reform (aufgrund der PSD2) sogar ein Stück weit in den Fokus. Ein gutes Beispiel sind hier wieder Kontoinformations- und Zahlungsauslösedienstleister. Dies sind typische FinTechs. Der Gesetzgeber hat für diese nun ganz eigene Bestimmungen geschaffen.

Aktuell beraten wir verschiedene Banken in teilweise sehr großen und langwierigen Outsourcing Projekten. Dabei spielt auch das Thema Cloud Outsourcing eine Rolle.
Dr. Matthias Terlau

Herr Dr. Ruland, welche rechtlichen Schwierigkeiten bestehen bei der Kooperation zwischen FinTech und Bank?

Yorick Ruland: FinTechs benötigen Freiheit und Spielraum bei der Umsetzung ihres Dienstleistungsangebots. Banken unterliegen hingegen strengen regulatorischen Anforderungen und müssen den Kooperationspartner sorgfältig überwachen. Hier spielt für Banken auch ein solides Risikomanagement eine große Rolle. Zudem müssen Verantwortungsbereiche abgegrenzt werden.

Wie wirkt sich die EU-Gesetzgebung auf FinTech-Geschäftsmodelle aus, Herr Dr. Terlau?

Matthias Terlau: Die meisten gesetzgeberischen Entwicklungen in diesem Bereich finden tatsächlich auf europäischer Ebene statt. Die zuständige Generaldirektion in Brüssel, die DG FISMA, misst dem Thema FinTech eine große Bedeutung zu. Die Verhandlungen um die PSD2, die wir von Anfang an, d.h. seit 2013, sehr aufmerksam verfolgt und kommentiert haben, zeigen diese europäische Facette in besonderer Weise.

Aber Sie wissen ja, mit Erlass der europäischen Richtlinien ist die Arbeit nicht getan. EBA und Kommission haben auch danach noch eine ganze Reihe von ausführenden Gesetzgebungsaufträgen. Diese Verordnungen und Leitlinien verfolgen wir sehr intensiv, wir engagieren uns als Kanzlei GÖRG in Arbeitskreisen, die diese Gesetzgebungsvorhaben für die betroffenen Industrien kommentieren und arbeiten gemeinsam daran, dass hier sinnvolle Lösungen für alle entstehen.
 

Viele von den in der Finanzindustrie Beschäftigten halten FinTech aktuell für einen Hype und überbewertet. Wie stehen Sie dazu, Herr Dr. Lange?

Thomas Lange: Die Antwort hängt davon ab, was man unter einem FinTech versteht: Sicherlich gibt es eine Vielzahl von Startups im Bereich FinTech, die über die Startup-Phase nicht hinauskommen werden. Das ist aber überall im Startup-Bereich so. Unbestreitbar dürfte hingegen sein, dass Technologie bereits heute die Art, wie wir Finanzdienstleistungen in Anspruch nehmen, erheblich verändert hat (Stichwort: die von der Deutschen Börse übernommene FX-Handelsplattform 360T) und auch zukünftig noch weiter verändern wird. Hier kann man kaum von Überbewertung sprechen.

Herr Dr. Ruland, erwarten Sie von Ihren Bewerbern neben herausragender juristischer Kompetenzen auch Zusatzqualifikationen im Bereich Technologien?

Yorick Ruland: Als Anwaltskanzlei kommt es uns in erster Linie auf die juristischen Fähigkeiten an. Daneben sind gute Englischkenntnisse als Voraussetzung inzwischen nicht mehr wegzudenken. Die Fähigkeit, sich auch in technisch geprägte Mandate einzuarbeiten, zeigt sich in den ersten Berufsjahren. Technische Zusatzqualifikation – und damit meinen wir nicht Office – runden ein Bewerberprofil aber ab. Damit kann man sich entscheidend von der Masse abheben.

Wie machen Sie Nachwuchsjuristen die Beratung im Bereich FinTech schmackhaft, Herr Dr. Lange?

Thomas Lange: Die Beratung im Bereich neue Technologien und neue Geschäftsmodelle findet gerade bei jungen Kollegen großen Widerhall. Das ist zukunftsorientierte Arbeit. Das gibt jungen Kollegen auch in der Regel viel Spielraum, sich selbst am Markt zu behaupten und daher Aufstiegschancen. Der Bereich FinTech und digitaler Wandel der Finanzindustrie ist deshalb gerade für junge Kollegen ein sehr attraktives Beratungsspektrum, weil es sich nicht um klassische und staubige Materie und abseits ausgetretener Pfade stattfindet.

Das ist zukunftsorientierte Arbeit. Das gibt jungen Kollegen auch in der Regel viel Spielraum, sich selbst am Markt zu behaupten und daher Aufstiegschancen.
Dr. Thomas Lange

Wie sehen Sie generell die Zukunft von FinTech, Herr Dr. Terlau?

Matthias Terlau: FinTech ist nicht wegzudenken; der Hype darum wird sich sicher weiter legen, weil es ein Teil des insgesamt in allen Industrien stattfindenden digitalen Wandels wird.

Nach wie vor ist die Bedeutung immens; wir sehen sehr viele Kooperationen zwischen FinTechs und Banken. Themen wie Plattformen-Modelle, Open Banking, Voice Banking, Blockchain und Künstliche Intelligenz werden unsere tägliche Arbeit deshalb glücklicher Weise weiter bereichern.

 

Vielen herzlichen Dank Herr Dr. Lange, Herr Dr. Terlau und Herr Dr. Ruland für diesen praktischen Einblick in das Thema FinTech!

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