Paar im Gespräch bei einer Pro Bono Rechtsberatung

Verfasst von Laura Hörner|Veröffentlicht am 09.01.2023

Pro bono: Brauchen wir kostenlose Rechtsberatung?

Pro-bono-Rechtsberatung & Law Clinics in Deutschland

Anwält:innen zu konsultieren, kann teuer sein – und ist deshalb für manche Menschen oder Organisationen finanziell kaum zu stemmen. Damit Geld nicht zum ausschlaggebenden Faktor für den Zugang zum Recht wird, gibt es die sogenannte Pro-bono-Beratung. Was man darunter versteht, wer sie nutzen kann und ob man Pro-bono-Rechtsberatung in Deutschland wirklich braucht, erfährst du hier.

Was ist Pro Bono Rechtsberatung?

Unter Pro bono versteht man eine kostenlose Leistung durch Expert:innen – zum Beispiel in der Rechtsberatung. Der Begriff kommt aus dem Lateinischen, wo der Ausspruch „pro bono publico“ etwa so viel heißt wie „zum Wohle der Öffentlichkeit“. Anwält:innen beraten und vertreten dabei also unentgeltlich Mandant:innen. Zugute kommt die Pro-bono-Rechtsberatung zum Beispiel mittellosen Personen und gemeinnützigen Organisationen. Diese Form der Unterstützung wird damit oft auch als ehrenamtliche juristische Tätigkeit angesehen Das Ziel der unentgeltlichen Beratung ist dabei immer der gute Zweck: kostenlose Erstberatungen oder die Beratung von befreundeten Personen gehören also nicht dazu.

Die Pro-bono-Rechtsberatung kennt kaum Grenzen. Typische Bereiche, in welchen kostenfrei beraten wird, sind zum Beispiel das Familienrecht, Sozialrecht, Mietrecht, Aufenthaltsrecht, Arbeitsrecht und Medienrecht.

50

Stunden

Pro-Bono-Arbeit pro Jahr und Anwalt fordert die American Bar Association

Deutschland vs. USA: Die Unterschiede in der Pro-bono-Arbeit

Kaum verwunderlich ist es, dass diese Art der Rechtsberatung besonders in den USA verbreitet ist. Dort gibt es nämlich – im Gegensatz zu Deutschland – keine Prozesskostenhilfe. Wer also rechtliche Unterstützung benötigt, muss diese selbst bezahlen. Das lässt bedürftigen Personen oder auch vielen gemeinnützigen Organisationen keine Möglichkeit, ihre Rechtsansprüche durchzusetzen.

In den USA kann man auf Pro-bono-Beratung von Anwält:innen also kaum verzichten, wenn Recht kein Luxus werden soll. Die unentgeltliche Arbeit gehört zum Rechtssystem dazu und ist in vielen Kanzleien ein fester Bestandteil des Beratungsangebots. Das Ausmaß dieses Engagements ist enorm: Laut einer Erhebung wurden 2022 von den 200 größten Anwaltskanzleien der USA insgesamt rund fünf Millionen Stunden Pro-bono-Arbeit geleistet. Die individuelle Selbstverpflichtung vieler Großkanzleien liegt bei mindestens 60 Stunden pro Anwalt und Jahr.*

In Deutschland hingegen sorgt die Prozesskostenhilfe dafür, dass es hierzulande eigentlich keinen Bedarf für eine unentgeltliche Rechtsberatung geben sollte. Zudem ist die juristische Arbeit mit viel mehr Auflagen verbunden – zum Beispiel durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, nach welchem sich Anwält:innen richten müssen. Dazu gehört auch, dass bestimmte Gebühren nicht unterschritten werden dürfen. Nur im Einzelfall ist eine nachträgliche Erlassung der Kosten möglich.
 

Pro-bono-Arbeit vs. Vergütungsgesetz

Das Gebührenunterschreitungsverbot macht die Bearbeitung eines Pro-bono-Falls in Deutschland auf den ersten Blick kaum möglich. Zwar können bei außergerichtlichen Tätigkeiten auch niedrigere Vergütungen vereinbart werden, diese müssen aber angemessen sein – eine kostenlose Beratung ist also auch hier kaum zu vertreten. Dennoch wird Pro-bono-Arbeit auch in Deutschland angeboten. Wie passt das zusammen?

Um dies nachzuvollziehen, hilft es, sich den Grund für das Gebührenunterschreitungsverbot anzusehen. Dieses soll Dumpingpreise und die Verschlechterung der allgemeinen Beratungsqualität verhindern. Da es sich bei der Pro-bono-Rechtsberatung aber nicht um eine „billiges“ Angebot handelt, welches das Ziel verfolgt, den Markt zu verzerren und schlechtere Leistungen zu günstigeren Preisen anzubieten, ist sie zulässig und sogar erwünscht. Die Pro-bono-Fälle stehen also außer Konkurrenz zu zahlenden Mandant:innen.
 

Brauchen wir in Deutschland Pro-bono-Rechtsberatung?

Gegen die Pro-bono-Beratung in Deutschland spricht die Beratungs- und Prozesskostenhilfe. Das Argument: Es gibt bereits Hilfe für diejenigen, die sich keine rechtliche Beratung und Vertretung leisten können. Das ist zwar richtig – in gewisser Hinsicht aber auch nicht. Denn die Prozesskostenhilfe greift nicht immer. Zum Beispiel bei gemeinnützigen Organisationen: Diese müssten sich erst einmal verschulden, um die Prozesskostenhilfe zu erhalten. Dass das nicht zielführend ist, kann wohl kaum bestritten werden.

Auch wenn der Streitwert für die Konsultierung eines Anwalts oder einer Anwältin zu gering wäre, helfen Pro-bono-Beratungen. Dazu kommt, dass die Prozesskostenhilfe oftmals nicht ausreicht und Jurist:innen durch diese nicht immer ihre Kosten decken können. Dadurch sind Mandant:innen, welche diese beanspruchen, bei Anwält:innen ohnehin unbeliebt

Ein weiteres Problem ist die mangelnde Datengrundlage: Im Gegensatz zu den USA gibt es in Deutschland keine zentrale Erfassung oder verpflichtende Berichterstattung über die jährlich geleisteten Pro-bono-Stunden. Allein diese Intransparenz macht es schwierig, den tatsächlichen Bedarf und den Umfang des Engagements in der deutschen Rechtslandschaft umfassend zu beurteilen.*

* Quelle: Jurios, 2023

Wer haftet bei Pro-bono-Rechtsberatung?

Bei der Pro-bono-Beratung handelt es sich nicht etwa um eine Beratung „light“ – es gelten dieselben Qualitätsstandards, die auch für ein bezahltes Mandat angesetzt werden. Nur weil eine Anwältin oder ein Anwalt also pro bono berät, bedeutet das nicht, dass sie oder er dafür keine oder weniger Haftung übernimmt – schließlich sollen die Mandant:innen genauso auf die Arbeit ihrer Anwält:innen zählen können. Wie auch bei einer entgeltlichen Beratung wird ein Mandatsvertrag abgeschlossen, in dessen Rahmen gegebenenfalls (wie auch bei der regulären Beratung) eine Haftungsbegrenzung vereinbart werden kann.

Für Anwält:innen ist es wichtig, sich vor der Übernahme eines Pro-bono-Falls zu versichern, ob ihre Haftpflichtversicherung die kostenfreie Beratung mit einschließt. Das ist in der Regel der Fall, wenn die Pro-bono-Beratung zur regulären anwaltlichen Tätigkeit gehört.
 

Warum bieten Kanzleien Pro-bono-Arbeit an?

So weit, so gut – aber was haben denn eigentlich Kanzleien davon, Pro-bono-Rechtsberatung anzubieten? Im Zentrum steht dabei ein altruistischer Gedanke. Viele Anwält:innen setzen ihre Fähigkeiten gerne ein, um anderen zu helfen. Sicherlich haben sich auch viele aus genau diesem Grund für den Beruf entscheiden. Die Übernahme von Pro-bono-Fällen stärkt zudem das soziale Verantwortungsbewusstsein und kann sogar den rechtlichen Horizont erweitern.

Allerdings lässt sich kaum abstreiten, dass hinter Pro-bono-Arbeit auch ein gewisses Kalkül steckt – Kanzleien sind schließlich immer noch Unternehmen, die Umsatz generieren müssen. Pro-bono-Rechtsberatung eignet sich in diesem Zusammenhang hervorragend als Marketingstrategie: Die Kanzleien stärken so ihr Image, machen auf sich aufmerksam und wecken nicht nur das Interesse potenzieller Mandant:innen, sondern auch das des Anwaltsnachwuchses.

Dieses Engagement wird zunehmend auch karriererelevant: Einige internationale Kanzleien wie Dentons und DLA Piper berücksichtigen die geleisteten Pro-bono-Stunden in Deutschland, wenn es um die Höhe des Jahres-Bonus oder um Beförderungen geht. Dies unterstreicht, dass Pro Bono auch im professionellen Kontext als wertvoller Beitrag anerkannt wird.

Pro-bono-Rechtsberatung an deutschen Universitäten

Nicht nur Kanzleien oder Einzelanwält:innen können einen Pro-bono-Fall übernehmen. Immer verbreiteter wird auch die kostenlose Rechtsberatung durch Jurastudent:innen im Rahmen sogenannter Law Clinics. Dabei handelt es sich um studentische Beratungsstellen, bei denen sich zum Beispiel sozial benachteiligte Menschen, aber auch andere bedürftige Gruppen mit Beratungsbedarf rechtliche Unterstützung holen können. Unterstützung erhalten die Studierenden von praktizierenden Anwält:innen, die sich ehrenamtlich in den Law Clinics engagieren.

Das ist nicht nur eine tolle Möglichkeit für Hilfesuchende, sondern auch für die angehenden Jurist:innen. Diese können so Erfahrungen sammeln: in der Kommunikation und der Beratung von Mandat:innen, in der Erfassung und Bearbeitung konkreter Sachverhalte und in der Verhandlung. Sie lernen, selbstständig zu arbeiten, Verantwortung zu übernehmen und ihr theoretisches Wissen praktisch anzuwenden. Jedoch ist es wichtig zu wissen, dass Jurastudent:innen zwar außergerichtlich beraten, allerdings Mandant:innen nicht vor Gericht vertreten dürfen.

Um in einer Law Clinic tätig werden zu dürfen, müssen die Studierenden in der Regel schon Studienerfahrung mitbringen – im ersten oder zweiten Semester ist die (beratende) Mitarbeit meist noch nicht möglich. Ebenso müssen die Studierenden in manchen Law Clinics zunächst Kurse absolvieren, um beratend tätig zu werden.

Vielseitige Einblicke in deutsche Law Clinics

Diese Law Clinics gibt es in Deutschland

Deutsche Law Clinics haben sich auf die unterschiedlichsten Rechtsbereiche spezialisiert und engagieren sich in den unterschiedlichsten sozialen Belangen. So haben sich zum Beispiel zu Beginn der Flüchtlingskrise viele Law Clinics auf die Beratung von Geflüchteten spezialisiert. Mittlerweile gibt es bereits eine solche Vielzahl an Law Clinics, dass eine vollständige Auflistung die Grenzen dieses Artikels sprengen würde. Deshalb haben wir hier zehn Law Clinics beispielhaft zusammengetragen:

 

  • Cyber Law Clinic Hamburg – berät zum Bereich Internet und Social Media
  • Humboldt Law Clinic Berlin – berät zu Grund- und Menschenrechten
  • Refugee Law Clinics Deutschland e.V. - beraten an fast 40 Standorten in ganz Deutschland zum Migrationsrecht
  • Start Right e.V. München – berät soziale Initiativen
  • Women Entrepreneurs Law Clinic – berät Gründerinnen
  • Corporate Law Clinic Köln – berät Start-ups und Gründer:innen
  • SRB Passau – berät im Asyl- und Migrationsrecht sowie im Zivilrecht
  • Law&Legal e.V. – berät an 9 Standorten in ganz Deutschland zum Beispiel zum Kauf- und Mietrecht, Sozial- und Arbeitsrecht oder Gesellschaftsrecht
  • Law Clinic Düsseldorf / Bonn – berät in kleineren rechtlichen Fragen des Alltags
  • Pro Bono Heidelberg e.V. – berät im Zivil-, Verwaltungs- und Asylrecht

Häufig gestellt Fragen zur Pro bono Rechtsberatung

Was versteht man unter Pro bono?

Pro-bono-Rechtsberatung ist eine kostenlose und freiwillig geleistete juristische Beratung, die dem Gemeinwohl dient. Beraten werden dabei vor allem gemeinnützige Organisationen oder bedürftige Einzelpersonen. Nicht nur im juristischen Bereich gibt es Pro-bono-Beratung. Verbreitet ist das Konzept zum Beispiel auch in der Medizin, im Marketing oder in der Technologiebranche.


Besteht für Anwälte in Deutschland eine berufsrechtliche Pflicht zur Pro-bono-Tätigkeit?

Nein. Anders als in einigen angelsächsischen Rechtsordnungen (z. B. den USA, wo Anwaltskammern wie die ABA eine bestimmte Stundenzahl empfehlen) enthält das deutsche Berufsrecht (BRAO/BORA) keine verpflichtende Mindeststundenzahl für Pro-bono-Tätigkeiten. Die Übernahme von Pro-bono-Mandaten beruht auf freiwilligem, sozialem Engagement.


Welche steuerlichen Aspekte sind bei Pro-bono-Leistungen zu beachten?

Die unentgeltliche Leistung kann umsatzsteuerlich relevant werden. In der Regel liegt jedoch keine umsatzsteuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe vor, wenn die Leistung dem Gemeinwohl dient und nicht primär Marketingzwecken zur Kundengewinnung für die Kanzlei. Es ist ratsam, dies im Einzelfall steuerrechtlich prüfen zu lassen.


Kann die Haftung für Pro-bono-Fälle begrenzt oder ausgeschlossen werden?

Grundsätzlich gelten für Pro-bono-Mandate dieselben Sorgfalts- und Qualitätspflichten wie bei jedem anderen Mandat. Die unentgeltliche Natur der Tätigkeit stellt keinen Haftungsprivilegierungsgrund dar. Eine Haftungsbegrenzung (z. B. auf die Mindestversicherungssumme der Berufshaftpflicht) ist zwar grundsätzlich in der Honorarvereinbarung möglich, muss jedoch wirksam vereinbart werden.


Dürfen Pro-bono-Stunden als "Billable Hours" im internen Kanzleibericht geführt werden?

"Billable Hours" (abrechenbare Stunden) sind per Definition Stunden, die einem Mandanten in Rechnung gestellt werden. Pro-bono-Stunden können daher nicht als klassische Billable Hours geführt werden, da sie nicht fakturiert werden. Viele Großkanzleien nutzen jedoch eine separate Kategorie, die "Pro-bono-Hours", um das Engagement der Anwälte intern zu erfassen und es bei Boni oder Beförderungen zu berücksichtigen.


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Laura Hörner
Kulturwirtschaft Uni Passau

Als freie Autorin schreibt Laura Hörner bei TalentRocket über Themen rund um die juristische Karriere. Besonders interessiert sie sich dabei für die vielfältigen Karrierewege, die Jurist:innen offenstehen.