Glückliche Personen

Staatsdienst = für Idealisten...oder doch nicht?

Unbestreitbare immaterielle Vorteile vs. höheren Verdienstmöglichkeiten als Jurist

Dr. Sauer ist Sachgebietsleiter am Finanzamt Regensburg und zuständig für Bußgeld- und Steuerstrafsachen. Außerdem hat er einen Veranlagungsbezirk sowie das Controlling als Aufgabe inne. Zuvor war er einige Jahre als Referent im Organisationsreferat des Bayerischen Landesamts für Steuern in Nürnberg tätig sowie Sachgebietsleiter am Finanzamt Straubing und Leiter der Außenstelle Neunburg vorm Wald des Finanzamts Schwandorf. Vor seinem Eintritt in die Bayerische Steuerverwaltung arbeitete er dreieinhalb Jahre als Rechtsanwalt in einer mittelständischen Kanzlei. Er hat vier Kinder und vielleicht bald einen Hund.

Dr. Sauer 2018
Herr Dr. Sauer

Hallo Herr Dr. Sauer, was ist stressiger Elternzeit als Papa oder Vollzeit im Finanzamt?

Naja, vier Kinder in ganz unterschiedlichem Alter und damit auch Entwicklungsstufen halten einen schon ziemlich auf Trab. So müssen zum Beispiel zwei Brüder Hausaufgaben machen, die Tochter ist vom Kindergarten nach Hause gekommen. Und der Kleine braucht natürlich auch Ansprache, aber wieder auf ganz andere Weise. Und dann passieren gerne immer wieder Dinge mit Kindern, die man so nicht hat kommen sehen.

Ein normaler Arbeitstag im Finanzamt ist dagegen in der Regel strukturierter und bis zu einem gewissen Grad oft auch planbarer. Aber auch im Amt kann es durchaus hektisch werden, gerade wenn man in der Strafsachenstelle ist. So tauchen zum Beispiel immer wieder wie aus dem Nichts rechtliche Fragen auf, die man oft mit den beschränkten "Bordmitteln" eines Finanzamts nur schwer lösen kann und die in der Strafsachenstelle oft auch nichts mit Steuerrecht zu tun haben.
 

Und bei welchem Thema löchert der Freundeskreis einen mehr mit Fragen?

Kinder und Elternzeit sind natürlich immer ein Thema, gerade wenn die Freunde auch in der selben Lebensphase stecken.

Aber wenn man im Bereich des Steuerstrafrechts tätig ist, weckt dies immer wieder Neugier. Denn das Thema war in den letzten Jahren ja häufig in den Medien präsent. Und unsere Arbeit wird doch anders wahrgenommen, als dies vielleicht früher der Fall war.

 

Bußgeld- und Strafsachenstelle klingt nach Steuer-CDs, Selbstanzeige und Panama Papers. Wie sieht die Realität aus?

Also die Panama Papers sind bei mir noch nicht angekommen. Und eine CD habe ich auch noch nicht selbst gesehen. Jedoch habe ich schon Strafverfahren betreut, die ihren Ursprung in den Informationen einer CD hatten. Selbstanzeigen haben meine Arbeit in den letzten Jahren allerdings schon geprägt. Ansonsten wird der Alltag mehr bestimmt von Strafverfahren, die sich aus Ermittlungsmaßnahmen der Steuerfahndung ergeben haben oder die sich an eine Betriebsprüfung oder eine andere Prüfung anschließen.

Gehört dabei zu Ihrer Tätigkeit als Sachgebietsleiter auch Personalmanagement oder worin liegt die Leitungsposition?

Als Sachgebietsleiter ist man immer und zuerst Führungskraft. Ich koordiniere meine Mitarbeiter und unterstütze diese in heiklen juristischen Fragen. Oft gibt es ja nur wenig Rechtsprechung, z. B. zum Recht der Selbstanzeige. Dazu kommt die Teilnahme an Gerichtsterminen, an Besprechungen mit Strafverteidigern, Steuerberatern, mal eine Vernehmung eines Beschuldigten oder Zeugen oder ich gehe bei einer Durchsuchung oder Fahndung mit.

 

Der zweite Teil Ihrer Stellenbezeichnung "Controller für den Leistungsvergleich" klingt so gar nicht nach einem juristischen Job. Oder sind Juristen die besseren Controller?

Controlling ist natürlich keine juristische Aufgabe. Es ist eine Stabsfunktion auf der Leitungsebene der Behörde. So arbeite ich der Amtsleitung und auch den anderen Kolleginnen und Kollegen im Kreise der Sachgebietsleitungen zu. Es geht beim Controlling um die Analyse und Steuerung der Arbeit in den Veranlagungsstellen, die ja das Herzstück eines Finanzamts sind.

Das Controlling ermittelt zum Beispiel wie lange es dauert, einen Steuerbescheid zu erstellen oder wie oft von den Angaben in der Steuererklärung abgewichen wird. Dies sind wichtige Erkenntnisse, um Arbeitsqualität und auch den Personaleinsatz im Amt steuern zu können. Daneben bin ich als Controller regelmäßig in Themen aus dem Bereich der Aufbau- sowie der Prozessorganisation im Haus eingebunden. Es ist eine reizvolle Tätigkeit, auch weil es einen ganz anderen Blick auf Dinge eröffnet als die juristische Sichtweise.

 

Wie juristisch ist eigentlich Ihr Arbeitsalltag und wie sehr wird er durch Bilanzen und ähnlichem bestimmt?

Gerade die Arbeit in der Strafsachenstelle ist stark juristisch geprägt, wenn ich auch keine Fälle durchgehend selbst bearbeite, wie es ein Staatsanwalt tut tut. Es geht um Fragen der AO, der einzelnen Steuerarten, der StPO und nicht selten um klassische Probleme des allgemeinen Strafrechts.

So dachte ich früher, mittelbare Täter würde es nur in Lehrbüchern geben. Aber die gibt es wirklich. Bilanzen spielen in meinem Arbeitsbereich jedoch tatsächlich eine eher untergeordnete Rolle. Dazu kommt für einen Sachgebietsleiter die tägliche Personalführung und Organisation seines Arbeitsbereichs, eine wichtige Aufgabe, die einiges an Arbeitszeit in Beschlag nimmt.

Der Staatsdienst gilt unter den Juristen größtenteils als Job für die Familie oder für Idealisten. Landen die größten Idealisten dann beim Finanzamt?

Ob die größten Idealisten beim Finanzamt landen, vermag ich nicht zu beurteilen. Aber es entscheiden sich vermutlich doch Kolleginnen und Kollegen bewusst für eine Karriere beim Staat, die die unbestreitbaren immateriellen Vorteile, die der öffentliche Dienst bietet, mehr schätzen als die höheren Verdienstmöglichkeiten, die sich für einen erfolgreichen Steueranwalt oder -berater auftun können.

 

Inwiefern können Sie die Herausforderungen des Familienlebens durch Ihren Beruf besser oder schlechter meistern?

Sicherlich lässt sich die Familie mit den geregelten Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst leichter mit der Arbeit unter einen Hut bringen. Ich kann in einem gewissen Rahmen frei entscheiden, wann ich morgens komme. Und ich weiß meistens, wann ich abends zu Hause bin. Dort bin ich dann auch für meine Familie da.

Die 40 Stunden (bei einer Vollzeitkraft) oder den entsprechenden Anteil muss man natürlich trotzdem erbringen. Allerdings pendeln auch viele Kollegen längere Strecken, was zeitliche Flexibilität kostet und Stress mit sich bringt, unabhängig vom Transportmittel. So bin auch ich viele Jahre teilweise weit gependelt, bis ich an meinem Wohnsitz ans Amt kam.
 

Funktioniert für Sie die Trennung von Berufs- und Privatleben bzw. sind Überschneidungen die Regel oder die Ausnahme?

Überschneidungen von Arbeits- und Berufsleben sind bei mir mehr die Ausnahme. Am Feierabend und am Wochenende habe ich tatsächlich frei. Und man ist in der Freizeit auch nicht erreichbar. Da sehe ich schon einen Unterschied zu meinen Freunden aus dem Studium, die Anwälte geworden sind. Bei diesen sieht die zeitliche Belastung schon ganz anders aus. Außerdem verschwimmen Arbeit und Freizeit dort meist mehr. Aber das kann man ja auch gerade mögen.

Aber wenn man im Bereich des Steuerstrafrechts tätig ist, weckt dies immer wieder Neugier.
Dr. Sauer

Work-Life-Balance wird vielfach mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gleichgesetzt. Doch wie sieht es mit der eigenen Freizeit, Entfaltung und Erholung aus?

Bei vier Kindern, von denen das älteste zwölf Jahre alt ist, ist man doch oft sehr eingespannt mit Kinderbetreuung und Haushalt, obwohl meine Frau derzeit zu Hause ist. Eigene Freizeit und Erholung nur für mich kommt da gerne zu kurz.
 

Welche Vorteile sehen Sie bzgl. der Work-Life-Balance im Staatsdienst?

Neben der geregelten Arbeitszeit, die ich schon erwähnt habe, ist dies vor allem die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit. Diese wird in der bayerischen Steuerverwaltung doch recht großzügig praktiziert. Es wird fast jede Arbeitszeitvariante ermöglicht, so weit es irgendwie geht.

Auch Elternzeit lässt sich problemlos nehmen bzw. der Wiedereinstieg danach klappt in der Regel reibungslos auch auf der Führungsebene. Das habe ich so gleichermaßen am Landesamt für Steuern und am Finanzamt erlebt.
 

Gibt es auch Nachteile, wie etwa fachliche Unterforderung oder finanzielle Unzufriedenheit?

Also fachliche Unterforderung habe ich an noch keiner Stelle erlebt, an der ich bisher war. Langweilig wird einem auch nicht. Außerdem wechselt man innerhalb seines Arbeitslebens üblicherweise die Arbeitsgebiete oder auch die Dienstelle. Dies wird als selbstverständlich vorausgesetzt.

Daher muss man schon allein deshalb bereit sein, sich in neue Aufgaben einzuarbeiten. Dass die finanziellen Möglichkeiten beim Staat nicht in den Himmel wachsen, sollte jedem klar sein, der in den öffentlichen Dienst eintritt. Allerdings gibt es sicherlich den einen oder anderen Kollegen, der mit Blick auf erfolgreiche Steuerberater oder Anwälte auch schon unzufrieden geworden ist.

Passt ein Job beim Staat überhaupt noch zur modernen Arbeitswelt?

Mit Sicherheit. Wir rennen auch beim Finanzamt nicht mehr mit Ärmelschonern durchs Haus und wir benutzen schon Computer (wenn auch manche Programme manchmal tatsächlich moderner sein könnten). Und die Verdichtung von Arbeit, wie man sie in der Wirtschaft kennt, gibt es auch in der Steuerverwaltung. Zur modernen Arbeitswelt gehören für mich allerdings auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auf diesem Gebiet sind wir beim Staat sogar sehr modern.

 

Sind Staatsbedienstete dann zufriedenere Menschen?

Ob Staatsbedienstete zufriedenere Menschen sind als andere, weiß ich nicht. Da habe ich auch meine Zweifel, wenn ich manchmal Kollegen höre. Und nicht jede Entwicklung der modernen Arbeitswelt ist ja auch ein Segen. So halte ich es für keinen Schaden, dass z.B. das Thema ständige Erreichbarkeit für den Arbeitgeber und die Mandanten über verschiedenste Kommunikationsmedien während Freizeit und Urlaub bei uns nicht Einzug gehalten hat.

 

Würden Sie die Problematik der Work-Life-Balance am Ende als künstliches Problem beschreiben oder welche Zukunft hat diese "Lebenseinstellung"?

Die Work-Life-Balance ist meiner Meinung nach kein künstliches Problem. Sie nimmt eher noch an Bedeutung zu. Dies ergibt sich aus gegenläufigen Entwicklungen: Da gibt es einerseits die Verdichtung von Arbeit und die bereits angesprochene permanente Erreichbarkeit der Führungskräfte oder die Erwartung mancher Arbeitgeber zu teilweise weltweiter Einsatzbereitschaft.

Andererseits hat freie Zeit mit der Familie oder auch nur freie Zeit für eigene außerberufliche Interessen in der Regel einen höheren Stellenwert als früher gewonnen.
 

Viele Dank!

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