Polizeiabsperrband

Verfasst von Annika Lintz

Verdächtig, beschuldigt oder angeklagt?

So läuft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ab

Bevor ein Strafprozess stattfinden kann, wird zunächst ein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Polizei und Staatsanwaltschaft müssen jedem Anfangsverdacht nachgehen und versuchen, alle relevanten Umstände zu erforschen und Beweise zu erheben. Die Strafprozessordnung macht den Behörden zahlreiche Vorgaben und bestimmt, welche Maßnahmen im Rahmen der Ermittlungen zulässig sind.

Strafanzeige und Strafantrag

Sobald die Behörden Kenntnis von Tatsachen haben, die den Anfangsverdacht einer Straftat begründen, beginnen die Ermittlungen. Der Anfangsverdacht kann sich zum Beispiel aus einem Vorfall in der Öffentlichkeit oder auch durch mediale Berichterstattung über bestimmte Vorgänge ergeben. In den meisten Fällen entsteht ein Anfangsverdacht aufgrund einer Strafanzeige.

Wer eine Straftat anzeigen möchte, kann dies bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder bei einem Amtsgericht tun. Inzwischen gibt es in vielen Bundesländern zudem die Möglichkeit, eine Strafanzeige online zu erstatten. Die Anzeige kann nicht nur das Opfer einer Straftat vornehmen, sondern jeder Bürger, etwa die Familie oder Freunde eines Betroffenen oder Zeugen einer Straftat.

Von der Strafanzeige zu unterscheiden ist ein Strafantrag, der bei manchen Delikten als notwendige Voraussetzung für die Strafverfolgung gestellt werden muss. Absolute Antragsdelikte, zum Beispiel Hausfriedensbruch, können tatsächlich nur bei Vorliegen eines wirksamen Strafantrags verfolgt werden. Bei relativen Antragsdelikten wie etwa einer einfachen vorsätzlichen Körperverletzung hat die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, auch ohne Antrag zu ermitteln. Dafür muss sie ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung annehmen.

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Das Legalitätsprinzip

Wenn die Strafverfolgungsbehörde Kenntnis von Umständen erlangt hat, aus denen sich ein Anfangsverdacht ergibt, muss sie von Amts wegen ermitteln. Das sogenannte Legalitätsprinzip stellt eine zwingende Verpflichtung dar, ein Ermessensspielraum besteht nicht. Ein Polizist oder Staatsanwalt, der in Ausübung seines Dienstes dagegen verstößt, kann sich möglicherweise sogar wegen Strafvereitelung im Amt nach § 258a StGB strafbar machen.

Umstritten ist, ob Ermittlungsbeamte auch einem Sachverhalt nachgehen müssen, von dem sie außerhalb des Dienstes erfahren haben - wenn also ein Polizist oder ein Staatsanwalt in seinem privaten Umfeld von Umständen erfährt, die den Verdacht einer Straftat begründen. Solche Umstände können sich aus Erzählungen von Freunden oder Bekannten ergeben, aber auch aus zufällig mitgehörten Gesprächen etwa in der Straßenbahn.

Nach herrschender Meinung kommt es für die Frage nach einer Verfolgungspflicht auf die Schwere und Bedeutung der potenziellen Straftat an.

In der Literatur wird teilweise der Katalog des § 138 StGB oder der §§ 100a und b StPO herangezogen. In diesen Normen sind bestimmte Straftaten aufgelistet, denen in dem jeweiligen Kontext eine besondere Bedeutung zukommt.

Eine weitere Möglichkeit ist die Unterteilung in Verbrechen und Vergehen. Ermittlungsbeamte müssen nach diesem Ansatz dem Verdacht einer Straftat nachgehen, die als Verbrechen ein Mindeststrafmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe vorsieht. Die Rechtsprechung legt sich nicht so genau fest und nimmt eine Abgrenzung anhand allgemeiner Kriterien vor. Das Legalitätsprinzip gilt demnach auch außerhalb des Dienstes bei schweren Straftaten, welche die öffentlichen Belange in besonderem Maße berühren.

Ermittlungen: Einleitung, Ziel und Maßnahmen

Die Staatsanwaltschaft ist „Herrin des Verfahrens“, sie hat die Kontrolle. Jedoch kann auch jede andere Strafverfolgungsbehörde ein Ermittlungsverfahren einleiten, insbesondere die Polizei tut dies häufig.

Zur Einleitung des Verfahrens ist keine besondere Form vorgeschrieben, sie erfolgt durch die erste Handlung zur Beweiserhebung, zum Beispiel durch eine Zeugenvernehmung oder die Besichtigung des Tatorts.

Ziel der Ermittlungen ist die Feststellung, ob sich der Verdacht einer Straftat erhärtet oder nicht. Je nach Situation kann der Ermittlungsansatz unterschiedlich sein. Eine große Bedeutung hat in aller Regel die Befragung von Zeugen. Wer eine Anzeige bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft erstattet, muss dabei die genauen Umstände des angezeigten Vorfalls schildern.

Wenn ein oder mehrere Tatverdächtige benannt oder ermittelt werden können, spielt deren Vernehmung ebenfalls eine wichtige Rolle. Zudem werden mögliche Beweismitteln gesichert, beispielsweise Spuren am Tatort.

Verdächtig, beschuldigt, angeschuldigt oder angeklagt?

Die Bezeichnung des Betroffenen unterscheidet sich je nach Stadium des Verfahrens. Wenn bislang nur ein Anfangsverdacht besteht und die Ermittlungen noch nicht begonnen haben, ist die Rede von einem Verdächtigen. Sobald das Ermittlungsverfahren gegen eine Person eröffnet ist, wird diese zum Beschuldigten.

Erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Beschuldigten, ändert sich sein Status erneut. In diesem sogenannten Zwischenverfahren wird der Betroffene als Angeschuldigter bezeichnet.

Erst wenn das Gericht beschlossen hat, das Hauptverfahren gegen den Angeschuldigten zu eröffnen oder einen Strafbefehl erlassen hat, ist eine Bezeichnung als Angeklagter zutreffend.

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Überwachungs- und Zwangsmaßnahmen

Im Zuge der Ermittlungen können Überwachungs- und Zwangsmaßnahmen zum Einsatz kommen. Möglich ist etwa eine Telefonüberwachung, aber auch Durchsuchungen von Personen und Räumlichkeiten oder Identitätsfeststellungen. Je stärker die Maßnahme den Betroffenen belastet und in persönliche Rechte eingreift, desto höher sind die Voraussetzungen, die vorliegen müssen. Es gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Für besonders eingriffsintensive Maßnahmen wie etwa eine Wohnungsdurchsuchung ist eine richterliche Zustimmung erforderlich. In manchen Fällen wird eine Untersuchungshaft angeordnet, wobei die Anforderungen wegen des massiven Eingriffs in die Rechte des Betroffenen besonders hoch sind. Erforderlich ist ein richterlicher Haftbefehl.

Gegen den Beschuldigten muss ein dringender Tatverdacht bestehen. Ein solcher ist gegeben, wenn nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte eine Straftat begangen hat. Darüber hinaus muss ein Haftgrund vorliegen. Ein Haftgrund kann bei Flucht- oder Verdunkelungsgefahr gegeben sein, ausnahmsweise auch bei Wiederholungsgefahr, wenn es um besonders schwere Straftaten geht.

Die Anordnung der Untersuchungshaft darf weiterhin nicht außer Verhältnis zu der vorgeworfenen Straftat stehen.

Grundsätze und Prinzipien des Ermittlungsverfahrens

Neben dem Legalitätsprinzip gibt es weitere wesentliche Grundsätze, die in einem Ermittlungsverfahren relevant sind. Insbesondere sind die Rechte des von den Ermittlungen Betroffenen zu beachten. Artikel 103 Abs. 1 des Grundgesetzes bestimmt, dass jeder Mensch vor Gericht einen Anspruch auf rechtliches Gehör hat. Dieses Prinzip gilt nicht erst im Hauptverfahren, es findet sich auch in Regelungen der Strafprozessordnung über das Ermittlungsverfahren wieder.

Auch die Unschuldsvermutung spielt bereits während des Ermittlungsverfahrens eine Rolle. In diesem Stadium ist es grundsätzlich untersagt, den Namen eines Beschuldigten öffentlich bekanntzugeben, weil ansonsten das Risiko einer medialen Vorverurteilung bestehen würde.

Eine Ausnahme gilt nur bei Personen der Zeitgeschichte, also Menschen, die durch ihr Wirken im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen. Wenn ein Ermittlungsverfahren gegen eine solche Persönlichkeit stattfindet, hat die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse an einer Bekanntgabe. Die Rechte des Beschuldigten sind auch im Hinblick auf die Vernehmungsmethoden zu beachten. Nicht alles ist zulässig, die Strafprozessordnung untersagt bestimmte Methoden wie Misshandlung oder Hypnose.

Am Ende der Ermittlungen: Anklage oder Einstellung des Verfahrens

Am Ende des Ermittlungsverfahrens muss die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob sie Anklage erhebt oder nicht. Wenn aus ihrer Sicht ein hinreichender Tatverdacht besteht, wird in der Regel Anklage erhoben. Ein hinreichender Tatverdacht liegt vor, wenn nach vorläufiger Bewertung des Sachverhalts und der Ermittlungsergebnisse eine Verurteilung überwiegend wahrscheinlich erscheint. Alternativ zu der Erhebung einer Anklage kann die Staatsanwaltschaft auch bei Gericht den Erlass eines Strafbefehls beantragen, um vergleichsweise leichte Straftaten schnell abzuhandeln.

Wenn ein Strafbefehl beantragt wird, hat das Gericht die Möglichkeit, ohne mündliche Hauptverhandlung eine rechtskräftige Verurteilung auszusprechen. Zahlreiche Verfahren werden am Ende der Ermittlungen eingestellt. Hauptgrund dafür ist, dass sich der Tatverdacht oftmals nicht hinreichend erhärtet. Wenn einem Beschuldigten die Begehung einer Straftat nicht nachgewiesen werden kann, weil es keine ausreichenden Beweismittel gibt oder ein überzeugendes Alibi für den Tatzeitpunkt vorliegt, ergibt sich kein hinreichender Tatverdacht.

Darüber hinaus gilt an dieser Stelle das Opportunitätsprinzip, das eine anerkannte Durchbrechung des Legalitätsprinzips vorsieht. In bestimmten Konstellationen ist eine Einstellung des Verfahrens trotz hinreichenden Tatverdachts möglich. Diese Option besteht beispielsweise bei geringer Schuld des Täters und fehlendem öffentlichen Interesse an einer Strafverfolgung.

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